EuGH gegen deutsche Maut: Kein Grund zur Schadenfreude

Die deutsche Auto-Maut ist laut EuGH gegenüber Bürger*innen anderer EU-Staaten diskriminierend. Aber sie ist auch die falsche Antwort, um Verkehrsprobleme zu lösen.

„Aus die Maut“, „Wider die Maut-Deppen“, „Dobrindts Totalschaden“, „Das Ende der bayrischen Extrawurst“. Das Urteil der Europäischen Gerichtshofes (EuGH), das die auf Treiben des bayrischen Koalitionspartners CSU in Deutschland eingeführte Auto-Maut als konträr zur europäischen Gesetzgebung erklärt, lieferte der deutschen aber auch der internationalen Presse eine Steilvorlage für so manche bissige Kommentare. Das Urteil ist auch deshalb spektakulär, weil es sich gegen die vorher vom Generalanwalt vertretene Position stellt.

Die Debatte um eine Auto-Maut, die im Endeffekt nur für Autofahrer*innen erhoben wird, die nicht in Deutschland leben, hatte besonders in den Nachbarländern für einige Aufregung gesorgt. Auch das kleine Luxemburg, dessen Bewohner*innen der deutschen Grenzregion öfters einen Besuch abstatten, als das etwa die Französ*innen im Durchschnitt tun, sah sich im Nachteil. Genauso wie die Trierer oder etwa die Saarbrücker Geschäftswelt, zu deren Einzugsgebiet auch die Nachbarländer gehören und die so einen Teil ihrer Klientel dahinschwinden sahen.

Gedacht war die Maut als Finanzierungsmöglichkeit für den großen Nachholbedarf, den es bei den verkehrstechnischen Infrastrukturen in Deutschland vielerorts gibt. Das gebetsmühlenartig vorgetragene Versprechen den Bundesbürger*innen, deren Reallöhne in den letzten Jahren kaum gewachsen sind, keine weiteren Steuern und Gebühren aufzubürden, hatte die Mehrheitspartei des Autolandes Bayern dazu animiert, diese Gelder woanders einzutreiben. Nämlich bei den ausländischen Mitnutzer*innen der deutschen Autobahnen, ungeachtet ob diese als Tourist*innen oder regelmäßig als Berufspendler*innen mit ihrem PKW unterwegs sind. Als sich erste Kritiken am europäischen Horizont auftaten wurde die „Ausländer-Maut“ in „Infrastrukturabgabe“ umgetauft.

Der kleine Trick, die Maut auch bei deutschen Autofahrer*innen einzutreiben, denen dafür aber eine Rückvergütung in gleicher Höhe auf der Auto-Steuer zuzugestehen, wurde jetzt vom EuGH als zu fadenscheinig erachtet: Die restlichen EU-Bürger*innen sind so gegenüber deutschen Autofahrer*innen im Nachteil. Und der Initiator des „Totalschadens“, Alexander Dobrindt merkt (erst) jetzt, nicht ganz zu unrecht, an, dass die Art und Weise wie in Europa Autosteuern überhaupt erhoben werden, sehr unterschiedlich sei.

Trotzdem findet auch der Verkehrsclub Deutschlands (VCD) das Urteil in Ordnung. Denn die Dobrindt-Maut ist nicht nur ausländerfeindlich, sondern zudem auch unsozial und auch aus Sicht der ökologischen Nachhaltigkeit verwerflich. So differenziere die Vignette ungenügend zwischen Autos mit unterschiedlichem ökologischem Fußabdruck und der Abrechnungsmodus animiere zur Vielfahrerei innerhalb der vorbezahlten Zeitspanne. Es sei sinnvoller, neben der Förderung des öffentlichen Transports, Autos enstprechend ihrem tatsächlichen CO2-Ausstoß zu taxieren, also auch entsprechend der gefahrenen Kilometer.

Es ist an der Zeit die Impaktstudie zum Tanktourismus aus der Schublade zu kramen.

Denken wir diese Logik bis ans Ende und führen wir uns vor Augen, dass jedes Mautsystem, das auch die gefahrenen Kilometer erfassen will, aus technischer aber auch aus Sicht des Datenschutzes höchst fragwürdig wäre, dann bleibt am Ende alleine die Umlenkung der Finanzierung der Infra- strukturkosten über den Spritpreis.

Würde es sich in Deutschland ein solcher Weg abzeichnen – etwa unter grüner Bundeskanzlerschaft – wäre es an der Zeit hierzulande die Spritpreisdiskussion wieder anzukurbeln und die ominöse Impaktstudie zum Tanktourismus aus der Schublade zu kramen: Wer sich danach immer noch auf Kosten seiner Nachbarn aufgrund eines Preisdifferenzials bereichert, dürfte bei einem dann womöglich von deutscher Seite angestrebten EuGH-Urteil sicherlich den Kürzeren ziehen.


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