Fairphone 5: Besser ist fairer ist besser


Die Herstellung elektronischer 
Geräte ist ökologisch und sozial problematisch; kurze Nutzungs-
zyklen verschlechtern die Bilanz 
weiter. In all diesen Punkten versucht die Firma Fairphone, es anders zu machen – und schafft das mittlerweile richtig gut.

fairphone.com (Flickr; Fairphone; CC BY-SA 2.0)

„Warum schon wieder ein neues Fairphone?“, hatten wir gefragt, als Ende 2021 das Modell Nummer 4 auf den Markt kam. Denn „fair“ will das Produkt nicht nur bei der Herstellung sein, sondern auch – bezogen auf kommende Generationen – bei der Nutzung. Im Sinne der Nachhaltigkeit soll das aufwendig hergestellte Gerät also lange genutzt werden – statt dass, wie bei anderen Markenherstellern, der jährliche Modellwechsel zum Neukauf verleitet. Mogelt die niederländische Firma, die seit zehn Jahren bei den alternativen Handys die Maßstäbe setzt, indem sie, wie die Konkurrenz, zum immer noch schnellen Wechsel im Zweijahresrhythmus animiert?

Prozessor: Stark und langlebig

Nein, auch beim neuen Modell wird das Prinzip der nachhaltigen Nutzung hochgehalten. Allerdings geht die technische Entwicklung bei den Handys weiter voran, insbesondere im Mittelklassebereich. Die Firma Fairphone muss sich am Markt und vor allem an den Rhythmen der Zulieferindustrie orientieren, wie bereits beim Fairphone 4, das zwei Jahre nach dem Modell 3 und nur ein Jahr nach dem aufgepeppten Fairphone 3+ vorgestellt wurde (woxx 1666). Modularität sei dank, konnte man 2020 aus dem 3 quasi nachträglich ein 3+ machen, indem man das ursprüngliche Kamera-Modul gegen das neue austauschte. Ob es für die Fairphones 4 oder 5 ein solches Kamera-Upgrade geben wird, ist derzeit nicht gewusst.

Von „aufgemöbelter Hardware“ spricht die Fachzeitschrift für Digitaltechnik „ct“ in einem Testbericht (heise.de, mit Paywall). So wird erstmalig in einem Fairphone ein OLED-Display verbaut (6,4 Zoll, 1224×2700 Pixel, 90 Hz). Der Prozessor, oder vielmehr das „System-on-Chip“ (SoC), ist in der Oberklasse angesiedelt, bietet also gewisse Leistungsreserven für eine langjährige Nutzung. Er reicht aber nicht an die Spitzenmodelle heran, hält die ct fest. Allerdings hat Fairphone ein SoC gewählt, das für den Einsatz im „Internet of Things“ konzipiert wurde und das der Hersteller Qualcomm länger mit Treiber-Updates versorgt. Um die Langlebigkeit zu maximieren, wurde hier ein Kompromiss zwischen Leistungsreserven und dem Aufwand bei der Programmierung von Updates gesucht.

Auch die Kameraausstattung wurde gegenüber dem Vorgängermodell verbessert, allerdings fehlt immer noch ein Teleobjektiv. Die Ultrawide-Kamera liefert laut ct fade und detail-
arme Fotos – sie stellt aber auch in vielen Spitzenmodellen das schwächste Glied dar. Die Hauptkamera hingegen schießt wesentlich bessere Fotos als die des Fairphone 4, insbesondere unter schlechten Lichtverhältnissen, reicht aber nicht an die Qualität der Spitzenmodelle anderer Marken heran.

Den größten Schwachpunkt bei der Hardware sieht die ct bei der Laufzeit: Mit einer vollen Ladung des 4200-mAh-Akkus komme man „so gerade über den Tag“. Kabelloses Laden ist nicht vorgesehen, dafür kann man aber mit bis zu 30 Watt auftanken. Weil aber der Akku, anders als bei der Konkurrenz, wechselbar ist, können Power-User*innen und „Digital Nomads“ einfach einen zweiten Akku à 40 Euro mitführen und im Wechsel einsetzen und aufladen.

(Flickr; Fairphone; CC BY-SA 2.0)

Die Fairphone-Saga hat die woxx seit fast zehn Jahren verfolgt. Gab es bei den ersten noch viele Beschwerden, so machen die Modelle 4 und 5 einen ausgereiften Eindruck, auch was die Positionierung im Markt angeht. Denn preisgünstige Handys, mit denen das Modell 3 konkurrierte, werden von einem Teil der Käufer*innen relativ zügig ersetzt. Mit dem Modell 5 kehrt das Fairphone ins obere Mittelklasse-Segment zurück (wo bereits das Modell 2 angesiedelt war) – das dürfte auch der Sweet Spot für ein auf Langlebigkeit ausgerichtetes Gerät sein. Durch die in zehn Jahren gewonnene Erfahrung und die steigenden Stückzahlen kann die Firma mittlerweile für einen akzeptablen Aufpreis gegenüber den großen Marken (700 Euro) ein attraktives Smartphone bauen.

Ausgereifte Fairness

Die Mehrkosten entstehen an erster Stelle durch die Beschaffung „fairer“ Rohstoffe – Lithium, Gold, Kobalt und andere Mineralien für andere Geräte werden in der Regel auf ausbeuterische und naturzerstörende Weise gewonnen. Für das Fairphone 5 gibt die Firma an, über 70 Prozent der 14 wichtigsten Rohstoffe auf faire Weise zu gewinnen, wozu auch Recycling zählt. Die chinesischen Arbeiter*innen, die die Geräte zusammensetzen, erhalten ebenfalls mehr, als der Sektor ihnen sonst zugesteht: 2,65 Dollar pro Smartphone kommen ihnen zugute. Gerade mit dem neuen, geopolitisch motivierten Protektionismus gegenüber China, aber auch mit der für kleine Unternehmen aufwendigen Lieferketten-Zertifizierung, steht die Firma Fairphone allerdings vor neuen Herausforderungen, was die Produktion angeht.

Von anderen Facetten der Fairness profitieren auch die Käufer*innen: Mindestens acht Jahre Sicherheits-Updates verspricht Fairphone, ebenso wie fünf System-Updates (bis Android 18). Wobei das „mindestens“ ernst gemeint ist; beim Fairphone 3 wurden vor Kurzem Updates bis 2026 in Aussicht gestellt (statt bis 2024, wie ursprünglich versprochen). Damit kann man das Gerät ohne Sicherheitsrisiko wesentlich länger benutzen – ein Win-win für Umwelt und Geldbeutel. Für Geeks besteht auch die Möglichkeit, den Datenkraken Google zu umgehen, fördert Fairphone doch den Einsatz von alternativen Betriebssystemen wie /e/ oder iodé.

Nicht nur für Geeks von Vorteil ist die Reparierbarkeit des Fairphones: Zehn Ersatzmodule können nachbestellt werden, vom Backcover (25 Euro, wahlweise schwarz, blau oder durchsichtig) bis zum Display (100 Euro). Die Reparaturkosten bleiben nicht nur durch die fairen Preise der Ersatzteile niedrig, auch weniger technisch begabte Besitzer*innen können die Module im Prinzip selber austauschen. Zwar arbeitet die EU derzeit an Regelungen zur Verlängerung der Nutzungsdauer bei Soft- und Hardware. Doch die ct unterstreicht, dass Fairphone bereits jetzt weit über das hinausgeht, was auf europäischer Ebene in ein paar Jahren Standard sein wird.

Reparieren statt ausrangieren

Hatte die ct beim Modell 3 noch Zweifel am Anspruch auf Fairness angemeldet, so erkennt die Fachzeitschrift mittlerweile Fairphones Vorreiterrolle an (Videogespräch, Youtube-Kanal ct Uplink). Ein anderer Kritikpunkt, den die woxx geteilt hatte, wird durch die bessere Ausstattung des Fairphone 5 teilweise entkräftet: „Wenn Poweruser*innen das Fairphone 3 schon nach zwei Jahren ersetzen, weil es die gewünschte Leistung nicht mehr bringt, ist das alles andere als ressourcenschonend“, hatten wir damals geschrieben. Doch ausgestattet mit solider Hardware und neuesten Technologien ist das Fairphone 5 auf technischer Ebene für die meisten Nutzer*innen empfehlenswert. Eine Ausnahme sind ambitionierte Fotograf*innen, die die Gestaltungsmöglichkeiten einer „richtigen“ Kamera zu nutzen wissen und auf ihrem Handy haben wollen. Auch andere Features von High-End-Smartphones wie Stiftbedienung oder KI „fehlen“ beim Fairphone 5. Doch viele Nutzer*innen dürften sich fragen, ob ihr derzeitiges Oberklasse-Smartphone nicht schon überdimensioniert ist – für sie bietet Fairphone jetzt eine Win-win-Alternative an.


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