Fluid – Sex mal anders: Liebe im Schnelldurchlauf

Zwei heterosexuelle Paare bringen in der Webserie „Fluid – Sex mal anders“ mit neuen Partner*innen und Sexspielzeug Schwung in ihre langjährigen Beziehungen. Dabei brechen sie mit Tabus und Geschlechterstereotypen.

Emma und Léo lieben sich seit Jahren, doch Emmas Sehnsucht nach einer Frau stellt ihre Beziehung auf die Probe. (Copyright: arte.tv)

In nur wenigen Minuten wird das Leben von zwei Pärchen umgekrempelt: Die französische Webserie „Fluid – Sex mal anders“ auf arte.tv kommt mit zehn Folgen zwischen fünf und elf Minuten aus. Mehr braucht es nicht, um die langjährigen Beziehungen von Esther (Manon Kneusé) und Waël (Matthias Jacquin), Emma (Pauline Clément) und Léo (Simon Thomas) aufzumischen.

„Il faut que je te parle de quelque chose d’important. (Comme dirait l’autre, « Important n’est pas grave »).“ Diese Notiz findet Léo morgens auf dem Küchentisch. Geschrieben hat sie seine Partnerin Emma. Statt ihr Wiedersehen abzuwarten, besucht Léo sie bei der Arbeit. Emma, Apothekerin, gesteht ihm zwischen Kondom- und Zäpfchenpackungen, dass sie sich nach einer Frau sehnt. Sie will eine offene Beziehung. Léo spricht von Untreue und rauscht irritiert ab.

Sein Kollege und bester Freund Waël versteht die Aufregung nicht: Er ist selbst seit vielen Jahren mit Esther liiert, empfindet sein eigenes Sexualverhalten als öde und verteidigt Emma für ihre Ehrlichkeit. Léo und er, beide Comiczeichner, wollen die Situation für ein kreatives Projekt nutzen: einen Zeichenband über das Liebesleben moderner Paare. Diesen gibt es übrigens wirklich: Der Comic zur Serie ist 2021 unter dem Titel „Fluide“ bei Dargaud erschienen.

Während Léo sich nach und nach mit dem Gedanken einer offenen Beziehung anfreundet, versuchen Waël und Esther ihr Sexleben in Fahrt zu bringen. Es ist Waël, der die Initiative ergreift und sich selbst für die Langeweile im Bett verantwortlich macht: Er fühlt sich unwohl im eigenen Körper, hat einen Sauberkeitsfimmel und ist schüchtern. Im Gegensatz dazu steht seine Partnerin Esther, die sich und ihm zu einem aufregenden, erfüllteren Sexleben verhelfen will.

Anders als in gängigen Erzählungen über heterosexuelle Paare ist es hier also die Frauenfigur, die erfahren und selbstbewusst mit Sexualität umgeht und ihrem Partner liebevoll, wenn auch stellenweise von seinen Macken genervt, zur Seite steht. Ähnlich verhält es sich mit Emma und Léo: Emma spricht offen über ihre Lust und lebt diese nach Absprache mit Léo aus. Léo hat anfangs hingegen Probleme, sich ungewohnten Sexualpraktiken und Beziehungsformen zu öffnen sowie seine privaten Sexabenteuer im Comic zu verarbeiten.

Sarah Santamaria-Mertens, Regisseurin der Serie, sowie Joseph Safieddine und Thomas Cadène, Autoren, zeichnen mit Waël und Léo zwei cis-Männer, die dem Klischee gefühlsarmer, ignoranter und sexbesessener Machos klar widersprechen. Mit Emma und Esther stellen sie zwei Frauen dar, die selbstbestimmt und genussvoll mit ihrer Sexualität umgehen. Die Tatsache, dass Emma eine Frau begehrt, offenbart zudem die Komplexität der Lust und bricht eine Lanze für eine fluide sexuelle Orientierung. Romantisiert oder stark problematisiert wird in der Serie nichts – die einzelnen Themen werden äußerst nuanciert aufgearbeitet.

Offene Beziehungen, fluide Sexualität oder das Liebesleben langjähriger Paare sind zweifelsfrei keine neuen Themen in der Film- und Fernsehbranche. In vielen Produktionen, wie beispielsweise auch in der kanadischen Serie „Workin’ Moms“, spielen diese Aspekte eine große Rolle. „Fluid – Sex mal anders“ mag im Vergleich zu großen Produktionen keine weltverändernde Neuentdeckung sein, sehenswert ist sie trotzdem. Den Serienmacher*innen gelingt es in kürzester Zeit, tiefgründige Charaktere hervorzubringen und mit Humor ernste Beziehungsfragen anzugehen. Obwohl die Themen Schlag auf Schlag abgearbeitet werden, kommt dabei kein Gefühl der Übersättigung auf.

Verstörend ist am Ende nur eine Folge – und zwar die, in der Léo auf seine sonderbaren, lange Zeit verschollenen Eltern trifft. Es ist eine Episode, die nicht zur restlichen Erzählung passt. Die Beziehung zwischen Léo und seinen Eltern wird kurz angerissen und entpuppt sich als problematisch bis inexistent. Die Episode hätte Emma und ihrer Romanze zugutekommen sollen, denn obwohl die Ausgangspunkt der Serie ist, rückt sie schnell in den Hintergrund. Es wäre dennoch falsch der Serie Queerness als Marketing-Gag zu unterstellen, zumal die letzte Episode einen interessanten Twist bereithält.

Bis zum 2. April 2025 auf arte.tv.

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