Lehrpersonen, die Zusatzmaterial am schuleigenen Drucker fotokopieren, sollen die Schüler*innen dafür zur Kasse bitten. Wenn nicht, kann es schon mal Ärger mit der Schulverwaltung geben.

Ist es legitim, dass Schüler*innen für Fotokopien zahlen müssen, die sie nie verlangt haben? (Foto: CC BY Micheal Tutton 2.0)
Kafka in der Schule, das heißt nicht nur „Die Verwandlung“ auf den Bänken: Es passt auch in Kafkas Welt, dass Lehrkräfte, die selber für fotokopiertes Zusatzmaterial aufkommen, teilweise von der Schulverwaltung deswegen ermahnt werden. Der Abgeordnete David Wagner (Déi Lénk) spricht in seiner parlamentarischen Anfrage an Bildungsminister Claude Meisch (DP) von „kafkaesken“ weil bizarren Umständen.
Grundsätzlich ist es Usus, dass Schüler*innen der Sekundarschulen für die Kopien aufkommen müssen, die das Lehrpersonal im Laufe des Schuljahrs anfertigt und verteilt. Die Kosten betragen für die Lehrkräfte durchschnittlich ingesamt um die 100 Euro pro Trimester und rund zwei Euro pro Fach für die Schüler*innen. Für eine Familie mit mehreren schulpflichtigen Jugendlichen kommt demnach etwas zusammen.
Das Abrechnungsverfahren variiert von Schule zu Schule. Während in manchen Schulen das Personal selber das Geld bei den Schüler*innen eintreiben muss, verlangt es in anderen Gebäuden die Verwaltung zurück. Für David Wagner ist das „Wie“ aber in erster Linie zweitrangig. Der Abgeordnete tritt in seiner Anfrage eine Grundsatzdiskussion los, nämlich die nach dem kostenlosen Bildungszugang.
Wagner erkennt in dem Prozedere einen Widerspruch zur Prämisse der luxemburgischen Verfassung, nach der Bildung kostenlos sein soll. Für den Abgeordneten erschließt sich zudem nicht, warum das Bildungsministerium das Pflichtmaterial für den Unterricht umsonst zur Verfügung stellt, es jedoch keine entsprechende Reglung für das Zusatzmaterial gibt. Was für Wagner unvereinbar ist, klingt für Meisch plausibel. Der Bildungsminister verweist darauf, dass es Zusatzmaterialien zum Kopieren gibt, die von den „commissions nationales de l’enseignement secondaire“ und vom „Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“ (Script) validiert wurden. Die sind kostenlos. Meisch nimmt auch keinen Anstoß daran, dass die Schulverwaltungen das Lehrpersonal ermahnen, wenn es sich nicht an schulinterne Abmachungen bezüglich der Abrechnungen hält. Die juristische Basis, an der Wagner Zweifel hegt, sei darüber hinaus gegeben.
Moralischen oder zukunftsorientierten Fragen weicht der Bildungsminister aus. Oder besser gesagt: Er ignoriert sie. Wagner erhält keine Antwort darauf, ob sich Meisch darüber im Klaren ist, dass die Angelegenheit sowohl für das Lehrpersonal als auch für die Schüler*innen lästig ist. Unbeantwortet bleibt auch, ob es für Meisch denkbar wäre, die Kosten für die Fotokopien, die als Zusatzmaterial im Unterricht genutzt werden, fallen zu lassen.
Das Bildungsministerium könnte die entsprechenden Kosten in das Budget einkalkulieren – oder zumindest ein einheitliches System für die Sekundarschulen einführen. Die Schüler*innen haben meistens nicht die Wahl, ob sie die Kopien haben wollen oder nicht. Das „Drei Affen“-Verhalten von Meisch zeugt jedenfalls an dieser Stelle von einer realitätsfernen Bildungspolitik und einem fehlenden Bewusstsein für feine Details, die den Schulalltag verbessern könnten.