Fred Keup hadert mit der „Culture Générale“

Der rechtspopulistische ADR-Abgeordnete versuchte mit einer parlamentarischen Anfrage zu vermuteter Raubkunst seinen anti-französischen Ressentiments Luft zu machen – und wurde prompt mit einer Geschichtslektion ruhiggestellt. 

(©CHD on flickr)

Für die einen waren die deutschen Besatzungen im 20. Jahrhundert die schlimmsten, die Land und Bevölkerung aushalten mussten, für die Rechtspopulisten des ADR und des Wee2050 gibt es aber noch eine andere Okkupation die sie in ihrem Nationalstolz schmerzt: Von 1794 bis 1814, war Luxemburg Teil des „Département des Forêts“. Erst nach Napoleons Untergang wurde das Land auf dem Wiener Kongress zu einer eigenständigen politischen Entität erklärt.

Dass die Revolutionstruppen, die Ende des 18. Jahrhunderts durch das Marienland zogen, nicht von der Kirche beseelt waren und auch mal brandschatzten und klauten ist nicht von der Hand zu weisen. Auch dass sich die Bauern auflehnten um die französischen Besatzer zu verjagen, der sogenannte „Klëppelkrich“ – um dessen Monument sich die ADR sehr bemüht – stimmt so. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass mit den französischen Truppen auch neue Rechte kamen – die Menschenrechte – und Gesetze. Das luxemburgische Rechtssystem basiert auch heute noch auf dem „Code Napoléon“.

Doch die Kulturministerin zu fragen ob es ein Inventar an von den barbarischen revolutionären Truppen geraubter und geschändeter Kirchenkunst gäbe, und ob die Regierung mit Frankreich in Kontakt stehe um eine Rückführung zu erwirken, ist eine Kuriosität, die einer Erklärung bedarf. Denn was Keup beabsichtigt ist eine kulturelle Appropriation: Seit einigen Jahren wird heftig debattiert, ob in den Kolonialzeiten geraubte Kunst an die einstigen Kolonien zurückgegeben werden sollte. Frankreich hat im Dezember 2020 beschlossen, seiner ehemaligen Kolonie Benin Kunstwerke zu restituieren, welche von den Kolonialherren nach Paris verschleppt worden waren. In Keups krummer Weltsicht war Luxemburg also auch eine französische Kolonie und müsste gleichbehandelt werden. Nun ist es aber so, dass die Revolutionstruppen die Luxemburger*innen nicht versklavt haben, nicht ihre Rohstoffe geklaut haben und nicht mal ihre Kultur zerstört haben. Auch bestimmt Frankreich heute nicht die Geschicke der luxemburgischen Politik indem es unsere Diktator*innen besticht. Eine solche Analogie herzustellen ist also, gelinde gesagt, grober Unfug.

Luxemburg als ehemalige französische Kolonie?

Das ist aber nicht das einzige was der ADR-Abgeordnete außen vor ließ. In ihrer Antwort belehrt Sam Tanson ihn: „Solche Bestrebungen sind auch nicht vorgesehen, und würden im Kontrast stehen zum juristischen und historischen Kontext aus dem der luxemburgische Staat, den es zum genannten Zeitpunkt noch nicht gab, entstanden ist.“ Will heißen; Der national bewegte Keup kennt seine eigene Geschichte nicht.

Nicht verwunderlich für jemanden, dessen Initiative einst behauptete, Karl der Große habe „Lëtzebuergesch“ geredet, aber für einen Abgeordneten der kürzlich seine erzreaktionären Ansichten über Erziehung unkommentiert über den RTL-Äther schicken konnte, doch eine Blamage. Wenn es wirklich so sehr an „Culture Générale“ hapern sollte, dann ist Keup wohl das beste Beispiel dafür.

Dies wird die Rechtspopulist*nnen aber nicht davon abhalten, weiter die Geschichte zu verbiegen und Halbwahrheiten zu pflegen um Ressentiments zu schüren, welche die Bevölkerung spalten. Die nächste Provokation ist bereits unterwegs: Das ADR-Presseessen findet in der Brideler Stuff statt, dessen Besitzer wegen ausländerfeindlichen Kommentaren in den sozialen Medien einen Shitstorm erlitten hat. Nun kommt die liebe ADR und gibt dem vom liberalen Mainstream geschändeten, bodenständigen Luxemburger seine Würde zurück. Und der öffentliche Diskurs verschiebt sich währenddessen wieder fast unbemerkt ein kleines Stück weiter nach rechts.


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