Auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit derzeit vor allem den Kommunalwahl-Listen gilt, sollten die programmatischen Inhalte doch nicht zu kurz kommen: Die Zivilgesellschaft meldet sich zu Wort und versucht, die Messlatte angemessen hoch zu legen.
In dieser Woche waren es die Lëtzbuerger Vëlosinitiativ (LVI) und der Mouvement écologique, die mit ihren Vorstellungen zur Kommunalpolitik an die Öffentlichkeit gingen. Dabei ging es beiden Organisationen weniger darum, seitenlange Kataloge mit konkreten Einzelmaßnahmen zu erstellen, als vielmehr Handlungsvorlagen für engagierte KommunalpolitikerInnen oder solche, die es werden wollen, auszuarbeiten.
In einem Moment, wo sich zahlreiche BürgerInnen dafür entscheiden (oder sich breitschlagen lassen), auf einer Wahlliste zu kandidieren, ist die Gelegenheit günstig, in einer Art Schnellkurs für politische Bildung dieses spezielle Zielpublikum für Belange der Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.
Dass die Anliegen der LVI sozusagen auf der Straße liegen, vereinfacht natürlich die Gestaltung des Forderungskatalogs. Da, wo es noch nicht geschehen ist, sollen Radwegekonzepte erstellt werden mit besonderer Berücksichtigung der Mobilität im Alltag. Eine Verbesserung der Fahrradinfrastruktur soll durch Schließung von Lücken im Radwegenetz, der Behebung von Mängeln an der vorhandenen Infrastruktur und der flächendeckenden Bereitstellung von adäquaten Fahrrad-Abstellanlagen bei öffentlichen Gebäuden erreicht werden. Besonderes Augenmerk soll dabei der Beschilderung gelten.
Sowohl in den generellen Stadtentwicklungsplänen als auch den Teilbebauungsplänen soll die sanfte Mobilität „auf Augenhöhe mit dem motorisierten Verkehr“ behandelt werden, um ihr einen fairen Anteil am öffentlichen Raum zu sichern. Dafür sollen die Gemeinden den Posten eines Beauftragten für die sanfte Mobilität schaffen. Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen sollen Vorbilder sein und entsprechende Infrastrukturen zur Verfügung stellen. Die Gemeinden sollen darüber hinaus das Thema sanfte Mobilität regelmäßig durch Kampagnen fördern und ansässige Betriebe zum Nachmachen animieren.
Verglichen mit diesem Katalog von Wünschbarkeiten ist die Herangehensweise des Méco schon etwas perspektivischer: Ausgehend von der Feststellung, dass unser heutiges Gesellschaftsmodell nicht zukunftsfähig ist, wird den Gemeinden eine wichtige Rolle zuerkannt. Für Problembereiche wie die Wasserversorgung, die Zersiedlung der Landschaft, den Verlust an Biodiversität aber auch die soziale Kohäsion oder die Suche nach alternativen, regionalen und lokalen Formen des Wirtschaftens und der Energieförderung sind idealerweise sie zuständig. Was nicht hindert, dass die wichtigen Entscheidungen zu einer nachhaltigen Entwicklung auf nationaler und internationaler Ebene getroffen werden müssen.
Charta der Bürgerbeteiligung
Als erstes „zentrales Merkmal einer zukunftsfähigen Gemeinde“ benennt die Umweltgewerkschaft die Fähigkeit, den BürgerInnen motivierende Zukunftsvisionen vorzustellen, etwa unter dem Motto „Méng Gemeng am Joer 2030“. Diese Zukunftsvisionen sollen mit den BürgerInnen in Zukunftsforen erarbeitet werden. Der Méco setzt dabei auf den vom Landesplanungsministerium für Ende des Jahres initiierten Prozess, in dem die Entwicklung der Regionen in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden soll.
Als zweites Ziel nennt der Méco die nachhaltige Entwicklung, und damit die Ziele, die sich eine Gemeinde bezüglich ihres eigenen Ressourcenverbrauchs setzt. Dabei stellt sich auch die Frage nach weiterem Wachstum, weil mit diesem auch ein kontinuierliches Anwachsen der finanziellen Möglichkeiten (oder dessen Ausbleiben) verknüpft ist.
Als dritten Schwerpunkt sollen die Gemeinden die „BürgerInnen als Partner der gesellschaftlichen Veränderung“ behandeln. Hierzu sind in einigen Kommunen bereits gute Erfahrungen gemacht worden. Um auch den Nachzüglern ein wenig auf die Sprünge zu helfen, soll jede Kommune über eine Anlaufstelle verfügen, bei der interessierte BürgerInnen sich und ihre Projekte einbringen können. Daneben benennt der Méco eine systematische Informationspolitik, in der auch kontroverse Standpunkte berücksichtigt werden müssen, als unverzichtbar. In einer Art „Charta der Bürgerbeteiligung“ sollen die Prinzipien einer solchen Beteiligung festgehalten werden.
Eine nachhaltige, zukunftsfähige Gemeinde sollte auch neue Lebens- und Wirtschaftsformen unterstützen. Es fällt auf, dass in letzter Zeit das Modell der Kooperativen etwa bei der Energiegewinnung, in der Landwirtschaft oder im Wohnungsbereich an Attraktivität gewonnen hat. Es gilt für die Kommunen dabei, sowohl die Nachfrage nach den entsprechenden Produkten anzuregen, als auch, die erwähnten Projekte logistisch und juristisch zu begleiten.
Auch der Förderung der sozialen Kohäsion gesteht der Méco einen hohen Stellenwert zu. Neben einer verstärkten BügerInnenbeteiligung, die alle Schichten und Altersgruppen einbegreift, ist dafür auch die Gestaltung der öffentlichen Räume und der „Nutzungsmix“ aus Wohnen, Arbeiten und Versorgungstrukturen wichtig. Aber auch auf den sozialen Wohnungsbau, die Schaffung von Mehrgenerationen-Häusern u.ä. haben die Kommunen direkte Einwirkungsmöglichkeit.
Unter dem Stichwort „Umwelt- gerechtigkeit“ sollte dabei nicht übersehen werden, dass minderbemittelte BürgerInnen allein durch ihre Wohnsituation – etwa an vielbefahrenen Straßen oder in Gebäuden von geringer Energieeffizienz – benachteiligt sind und von entsprechenden Förderprogrammen besonders profitieren müssten.
Damit es nicht bei leeren Versprechungen bleibt, gibt der Méco den Interessierten ab dieser Woche eine 172-seitige Broschüre an die Hand, die in dreizehn Kapiteln – von der kommunalen Demokratie bis hin zum Nord-Süd-Zusammenhang kommunalen Handelns – das gesamte Spektrum der nachhaltigen Entwicklung abdeckt.
Obwohl die „Konkret Virschléi vum Mouvement écologique fir d’Gemengewalen 2017“ gut strukturiert und durchaus lesbar sind, findet es die Méco-Präsidentin angezeigt einer möglichen Kritik vorzugreifen: Niemand erwarte, dass „eine Gemeinde alle Ideen umsetzen kann oder soll“. Und hofft doch insgeheim, dass möglichst viele der Projekte umgesetzt werden, „weil sie zukunftstragend sind“. Das alles benötige aber auch eine stärkere Unterstützung der Gemeinden durch den Staat. Wie weit die in diesem Jahr umgesetzte kommunale Steuerreform dies ermöglicht haben wird, will der Méco spätestens in zwei Jahren bilanzieren.
Im September 2017 soll eine Kurzfassung der Broschüre in vier Sprachen für eine größere Verbreitung der Vorstellungen des Méco sorgen. Dann werden auch die konkreteren Forderungen auf lokaler und regionaler aller Ebene aufgelistet und zehn Projekte mit Vorbildcharakter vorgestellt.