Die Petition Nummer 3409 und ein neuer Aktionsplan setzen wichtige Impulse für Luxemburgs Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt.

Ana Pinto (Mitte) demonstriert vor der Debatte mit anderen Mitgliedern von La Voix des survivant(e)s. Im Hintergrund der Ombudsmann für Kinder und Jugendliche, Charel Schmit. (Foto: Melanie Czarnik)
Ana Pinto, Präsidentin des Opferhilfevereins La voix des survi-vant(e)s (LVDS), liest im Eröffnungsplädoyer der Debatte zur Petition 3409 aus dem Brief eines Mädchens, das vergewaltigt wurde und sich in der Folge das Leben genommen hat. Sie wurde 17 Jahre alt. Es ist einer von vielen Momenten, in denen Pinto stellvertretend für zahlreiche Betroffene spricht. Ihre Schilderungen machen unmissverständlich klar: Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine Realität in Luxemburg und geht weit über häusliche Gewalt hinaus. Kinder sind dabei oft mitbetroffen, deshalb sitzt vergangenen Mittwoch auch der Ombudsman für Kinder und Jugendliche Charel Schmit auf der Tribüne und verfolgt die Diskussion.
Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte LVDS einen umfassenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der strukturelle Lücken im bestehenden System benennt und 57 konkrete Reformvorschläge macht (woxx 1808). Nun diskutierten Pinto und andere Mitglieder des Vereins mit den Abgeordneten in der Chamber über die dringend notwendigen Maßnahmen. Bereits zu Beginn der Fragerunde rückte auch der neue nationale Aktionsplan zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt in den Fokus. Den hatte das Ministerium für Gleichstellung zwischen Frauen und Männern und Diversität (Mega) am Montag vorgestellt. Eine zentrale Grundlage bildet die Istanbul-Konvention zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die Luxemburg 2018 ratifiziert hat. Außerdem der Expert*innenbericht zu ebendieser von 2023, in dem in zahlreichen Bereichen Nachholbedarf attestiert wurde. Der neue Aktionsplan greift viele der dort geäußerten Kritikpunkte auf, ließe laut den Petitionärinnen der LVDS jedoch noch einiges offen, zum Beispiel in Bezug auf Zeitrahmen und konkreter Budgetierung.
Ein langer Weg
„Wir kommen von ganz weit her und es ist noch ein gutes Stück zu gehen“, fasst Marc Baum (déi Lénk) während der Chamberdebatte den Stand Luxemburgs zusammen. Immer wieder verweisen die Vertreterinnen von LVDS auf Spanien als Vorzeigemodell: Dort existiert ein spezialisiertes Gericht, das ausschließlich für Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt zuständig ist, was sowohl Fristen verkürze, die Gefahr sekundärer Traumatisierung vermindere als auch Kompetenzen erhöhe. Ein Schwerpunkt der Petitionärinnen liegt auf der verpflichtenden Ausbildung aller relevanten Berufsgruppen – von Richter*innen über Polizist*innen bis hin zum sozialpädagogischen Dienst SCAS. In Luxemburg sei eine Aufstockung des Personals bereits im Gange, um die jahrelangen Wartezeiten in Gerichtsverfahren zu verkürzen, betonte Justizministerin Elisabeth Margue (CSV). Für die Einrichtung eines spezialisierten Gerichts bedürfe es jedoch zuvor einer Verfassungsänderung. Ein wichtiges Gesetzesvorhaben, das vorsieht, dass bei besonders schweren Straftaten wie Vergewaltigung künftig explizit begründet werden muss, warum die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, befinde sich bereits in der Pipeline. Da der Staatsrat ebenfalls seinen Avis vorgelegt habe, könne es entweder noch vor der Sommerpause oder direkt danach verabschiedet werden, so Margue. Aktuell ist die Begründungspflicht noch umgekehrt. Sowohl Margue als auch Gleichstellungsministerin Yuriko Backes (DP), betonten ihre Dialogbereitschaft. Der Aktionsplan sei bewusst als offenes Dokument ohne zeitliche Begrenzung konzipiert, damit er als fortlaufender Prozess weiterentwickelt werden könne. In drei Jahren soll eine erste Evaluierung stattfinden.
Beide Ministerinnen betonten, dass Luxemburg beim Thema geschlechtsspezifische Gewalt eine Null-Toleranz-Politik verfolgen müsse. Zum Abschluss der Debatte sicherte die Präsidentin der Petitionskommission, Francine Closener (LSAP), den Vertreterinnen des Vereins zu, die Vorschläge aus ihrem Gesetzesentwurf in den zuständigen parlamentarischen Kommissionen zu diskutieren. Ihr Entwurf werde „konkret weiterverfolgt“ werden. LVDS verkündeten im Anschluss über Facebook „Ein entscheidender Schritt ist getan, doch wir lassen nicht locker für das, was noch kommt.“