Der Plot in Luca Guadagninos neustem Film ist nebensächlich. Auditiv und visuell hat „Challengers“ aber so einiges zu bieten.
„You’re alone on the tennis court. And there is this one other person who cares as much about what happens to you as you do, but you can’t talk to them. But what if you really needed to talk about something? (…) What if it was about what was going on with you personally? And what if the person across the net was involved in that somehow?“ Mit diesen Worten beschrieb Drehbuchautor Justin Kuritzkes vor zwei Wochen im Podcast „The Big Picture“ die Ausgangsidee hinter seinem Film „Challengers“. Das Szenario, das Kuritzkes beschreibt, ist natürlich nicht nur im Tennissport denkbar, sondern in jeder Einzelsportart, bei welcher die Kontrahent*innen einen ganzen Wettkampf lang in direktem Blickkontakt miteinander sind. Es braucht allerdings nicht viel Imagination, um zu erraten, weshalb Kuritzkes nicht etwa Tischtennis oder Schach als Handlungskontext wählte. Spätestens wenn man sieht, wie Filmemacher Luca Guadagnino Kuritzkes’ Drehbuch für die große Leinwand adaptiert hat, dürfte es glasklar sein.
Dass die beiden Personen, die gegeneinander antreten, nicht miteinander reden können, stimmt zwar, der sich in den letzten zehn Minuten vollziehende emotionale Höhepunkt von „Challengers“ hängt jedoch wesentlich von nonverbaler Sprache ab. Mit Blick auf Guadagninos bisheriges Werk fällt es nicht schwer zu erkennen, weshalb der italienische Filmemacher genau der richtige für einen solchen Stoff ist. „Call Me by Your Name“, um nur den bekanntesten seiner Streifen zu nennen, wäre nicht das Gleiche ohne Guadagninos Gabe, die Gefühle seiner Hauptfiguren zu visualisieren.
Worüber die Protagonisten in „Challengers“ – der von Josh O’Connor gespielte Patrick einerseits und der von Mike Faist gespielte Art andererseits – anlässlich eines Tennismatchs so dringend reden müssen, ist nicht so klar, wie es Kuritzkes oben erwähntes Zitat vermuten lässt. Fakt ist, dass es sich bei den beiden Männern um Kindheitsfreunde handelt, die die gleiche Frau, Tashi (Zendaya), begehren. Fakt ist auch, dass von der anfänglichen Freundschaft nicht mehr viel übrig ist. Daran ist Tashi mindestens genau so schuld wie die sportliche Rivalität zwischen den beiden.
Darüber zu spekulieren, was am Ende von „Challengers“ noch zusätzlich in den beiden Männern vorgeht – was sie fühlen, was sie wollen, wo ihre Prioritäten liegen – wäre verschwendete Energie. Dafür liefert das Drehbuch zu wenige Anhaltspunkte. Die Figuren – Tashi inbegriffen – könnten das wahrscheinlich nicht einmal für sich selbst beantworten. Feststeht, dass sich diese drei Menschen zueinander hingezogen fühlen und nicht von diesem Dreiecksgefüge ablassen können.
Visuelles Erlebnis
Das vermittelt Guadagnino mit der Art und Weise, wie er die Körper der Figuren in Szene setzt. Die Männer werden dabei mindestens genau so erotisiert dargestellt wie Tashi. Sexszenen sind hier überhaupt nicht notwendig: Naheinstellungen auf von Schweiß nur so triefende, halbnackte Körper reichen, um zu vermitteln, wie Patrick, Art und Tashi einander sehen. Bezeichnend ist dabei, dass hier nicht nur heterosexuelles, sondern explizit auch homosexuelles Begehren dargestellt wird.
Manche Kritiker*innen haben „Challengers“ als zweistündigen Werbespot für Sportprodukte bezeichnet. Es ist nachvollziehbar, wie man zu diesem Urteil kommen kann. Mit seinem Schwerpunkt auf Kameraarbeit und Soundtrack ordnet der Film die Form eindeutig über den Inhalt ein. Das kann man bemängeln. Man kann „Challengers“ aber auch dafür feiern, wie in ihm filmische Mittel zum Einsatz kommen, um ein visuelles Erlebnis zu schaffen, wie man es dieser Tage im Kino nur viel zu selten zu sehen bekommt.