Seit jeher zeichnen sich die Filme von Wim Wenders durch beeindruckende Langsamkeit und Leichtigkeit aus. Mit „Perfect Days“ zeigt der Filmemacher erneut, dass dennoch keinerlei Langeweile aufkommen muss.
Mit „Perfect Days“ kehrt Wim Wenders zu dem zurück, womit seine Karriere in den 1970er-Jahren begann: Dem Filmen von Alltagsszenen auf den Straßen. Wie schon in seinem 1985 erschienenen „Tokyo-Ga“ ist auch diesmal die japanische Metropole wieder Handlungsplatz. Nur ist es diesmal keine Doku, sondern ein fiktionaler Film.
Im Zentrum steht der Alltag des Mittsechzigers Hirayama (Yakusho Kōji). Jeden Morgen wacht er in seinem kleinen Apartment auf, faltet seinen Futon zusammen, gießt seine Pflanzen und macht sich in seinem Kleintransporter auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz. Oder besser gesagt: Arbeitsplätzen, denn Hirayama ist Toilettenputzer.
Ohne Hektik zeigen Wenders und sein Kameramann Franz Lustig die Routine des Protagonisten; mit wie viel Mühe dieser jeden Winkel der verschiedenen Parktoiletten schrubbt, jeden Abend in der gleichen Imbissbude speist und wie er, so oft er kann, amerikanischen Rock ‘n’ Roll hört. Wenders widmet den jeweiligen Aktivitäten genau so viel Aufmerksamkeit wie der Haltung, mit welcher Hirayama diese ausführt. An allem, was er tut, scheint er Gefallen zu finden. Jedes Mal, wenn er sich außerhalb einer Toilettenanlage befindet, schweift sein Blick zu den Baumkronen hinauf. Das Glücksgefühl, das er dabei empfindet, lässt sein Gesicht sich aufhellen.
Anders, als es der Titel möglicherweise vermittelt, handelt „Perfect Days“ nicht von ein paar wenigen, besonders schönen Tagen im Leben des Protagonisten. Vielmehr scheint er jeden Tag als solchen zu empfinden. Hirayama ist allein, aber nicht einsam. Er versucht gar nicht erst Anschluss zu finden, er gibt sich mit dem zufrieden, was er hat. Wie viele von Wenders’ Filmen regt auch „Perfect Days“ mit langen Einstellungen und viel Liebe zum Detail zu einem entdeckenden Blick auf die Welt an. Mit Hirayama werden wir uns der Schönheit alltäglicher Situationen und Orte bewusst.
Geredet wird im Film nicht viel. Um Anteil am Leben des Protagonisten zu nehmen, ist das auch nicht nötig. Es sind die Szenen, in denen Hirayama einfach nur beobachtet, zuhört und genießt, in welchen wir ein Gefühl für die Weltsicht dieses Menschen bekommen. Ihn zu sehen, wie er vor dem Schlafengehen ein paar Zeilen William Faulkner liest, sagt mehr über ihn aus als plumpe Erklärungen zu seiner Vergangenheit. Auch wenn es kontraintuitiv scheint: Mit wenigen Ausnahmen sind die Dialogszenen das am wenigsten Interessante am Film. Am stärksten ist „Perfect Days“ hingegen, wenn sich aus dem, was gezeigt, und dem, was verschwiegen wird, eine merkliche Spannung ergibt.
Trotz aller Stille und Wiederholung kommt in den 125 Minuten Laufzeit keine Langeweile auf. Am Ende tut es schon fast leid, Hirayama nicht weiter auf seinem Lebensweg begleiten zu können.
Im Cine Starlight, Sura, Orion, Prabbeli, Kulturhuef, Kinoler, Scala und Utopia
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