Im Kino: The United States vs. Billie Holiday

Queerbaiting, eine unplausible Liebesgeschichte und ein zu starker Fokus auf Drogenkonsum: Kritikwürdig ist an Lee Daniels Film „The United States vs. Billie Holiday“ einiges. Zum Glück macht Hauptdarstellerin Andra Day vieles davon wett.

Immer wieder landet Holiday wegen Fletcher vor Gericht, behält ihn aber dennoch in ihrem engsten Umfeld. (Foto: Ascot Elite Entertainment Group)

Beim Durchlesen der Rezensionen zu „The United States vs. Billie Holiday“ ist mehrheitlich Enttäuschung herauszulesen. Beklagt werden je nach Artikel unterschiedliche Mängel. Während es den einen im Film zu wenig um Holidays Einfluss auf die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung geht, wird anderen zufolge ihre stilprägende Gesangstechnik vernachlässigt. Noch andere wiederum bedauern, dass Holidays Beziehungen zu Frauen größtenteils ausgeklammert werden.

Fakt ist, dass all diese Aspekte zwar Teil von Lee Daniels Film sind, stets jedoch nur an deren Oberfläche gekratzt wird. Der Fokus liegt auf Holidays Drogensucht und ihrem Hang zu toxischen Beziehungen zu Männern. Der Film setzt zu dem Zeitpunkt an, als das Federal Bureau of Narcotics die von Andra Day gespielte Musikerin erstmals ins Visier nimmt. Um sie zu bespitzeln, wird der Schwarze Agent Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) von seinem zutiefst rassistischen Vorgesetzten Harry Anslinger (Garrett Hedlund) beauftragt, sich mit Holiday anzufreunden. Das gelingt ihm auch. Zunehmend hält er sich im Backstage-Bereich auf und gewinnt Holidays Vertrauen.

Während es in der Tat so war, dass Holiday dank Fletcher der Besitz von Heroin nachgewiesen werden konnte, so ist die heimliche Affäre zwischen ihnen historisch nicht belegt. Zudem verkompliziert dieser wenig plausible Twist die Erzählung unnötig.Im Film hält das Liebesverhältnis nämlich bis zum Schluss an – also auch noch nachdem Holiday längst weiß, mit wem sie es zu tun hat. Diese Beziehung soll wohl ihren Hang zu „bad boys“ unterstreichen, ist am Ende jedoch nicht mehr als eine unnötige Nebengeschichte.

Dass derart viel Zeit auf eine Beziehung verwendet wird, die mit großer Wahrscheinlichkeit nie stattfand, ist aber noch aus einem weiteren Grund bedauerlich. So war im Trailer eine Kussszene zwischen Day und Schauspielerin Natasha Lyonne zu sehen – im Film selbst wird Holidays Bisexualität allerdings nur vage angedeutet. Ganz scheint es so, als habe man mit dem Trailer ein queeres Publikum anziehen wollen, nur um es im Kino mit ausschließlich Heterobeziehungen abzufertigen.

Dabei hätte das repetitive und in die Länge gezogene Drehbuch durch viele historische Begebenheiten bereichert werden können. So war Billie Holiday die erste Schwarze Frau mit einer weißen Band, ihr Leben trotz erfolgreicher Karriere durch und durch von Rassendiskriminierung geprägt. Dies zum einen in dem Sinne, dass das FBI ihre Heroinsucht zum Vorwand nahm, um ihrem politischen Aktivismus Einhalt zu gebieten – ein Aspekt, der im Film zwar vorkommt, ohne aber zu erwähnen, dass drogenabhängige Musiker*innen weißer Hautfarbe – wie Judy Garland etwa – in jenen Jahren eine gänzlich andere Behandlung erfuhren. Zum anderen gibt der Film Holidays Zivilcourage keine ausreichende Gewichtung. Das Lied „Strange Fruit“, für dessen Performance die Musikerin der Regierung ein Dorn im Auge war, ist im Film erst recht spät zu hören. Wie sie auf das von Abel Meerpol verfasste Gedicht über Lynchjustiz in den Südstaaten, auf dem ihre musikalische Interpretation basiert, aufmerksam wurde, erfahren wir nicht.

Trotz einiger gelungener Szenen – vor allem Holidays Auftritte vor Publikum – enttäuscht der Film letztendlich. Einen guten Grund, ihn sich trotzdem anzuschauen, gibt es dennoch: die phänomenale Andra Day in der Hauptrolle. Dass es sich um die erste Schauspielrolle der Musikerin handelt, merkt man ihr zu keinem Moment an. Day gelingt es, ein enormes Spektrum an Emotionen abzudecken: Die unermüdliche, mutige, traumatisierte, zeitweise selbstzerstörerische Frau kauft man ihr in jedem Moment ab. Für ihre Leistung wurde Day verdient für einen Oscar nominiert – der am Ende jedoch an „Nomadland“-Darstellerin Frances McDormand ging.

Im Kulturhuef Kino, Le Paris, Prabbeli, 
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