Immer Ärger mit dem Eichenprozessionsspinner

Die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind gefährlich für Menschen und müssen deswegen öfters entfernt werden. Dabei kommen auch Pestizide zum Einsatz – und dagegen gibt es Widerstand.

Gefährliche Prozession: Wenn die Raupen ihre Brennhaare entwickeln, sind sie eine ernsthafte Gefahr für die menschliche Gesundheit. (Foto: CC BY-SA Kleuske/Wikimedia)

Jedes Jahr sorgt der Eicheprozessionsspinner für Ärger und Aufregung. Die Raupen des unscheinbaren Nachtfalters haben in ihrem dritten Entwicklungsstadium sogenannte Brennhaare, die für Irritationen der Haut und der Atemwege sorgen, und gefährliche Komplikationen auslösen können. Werden Eichen befallen, müssen die Tiere entfernt werden. Das gilt besonders, wenn dies innerhalb einer Wohngegend oder an vielbesuchten Orten passiert. Wie die Raupen jedoch entfernt werden sollen, ist Gegenstand eines Streits zwischen dem Netzwerk „Ouni Pestiziden“ und dem Umweltministerium.

„Ouni Pestiziden“, ein Zusammenschluss von Naturschutzorganisationen, Gemeindesyndikaten und Naturparks, der vom Umweltministerium unterstützt wird, hatte Ende April eine Pressemitteilung verschickt, in der der Einsatz von Pestiziden gegen die Raupen des Eichenprozessionsspinners angeprangert wurde. In mindestens drei Fällen habe das Umweltministerium dieses Jahr bereits Genehmigungen für einen solchen Einsatz erteilt. Auf Nachfrage der woxx am 26. April teilte uns das Umweltministerium (MECDD) am 11. Mai mit, dass „Am Stand vom letzten Freitag wurden dieses Jahr sechs Genehmigungen für das Spritzen der Eichenprozessionsspinnerlarven mit einem Biozid vom MECDD ausgestellt. In den Jahren davor wurden keine Genehmigungen ausgestellt, weil noch kein Biozid für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners zugelassen war.“

Teufelskreis Pestizideinsatz

Foto: CC-BY Karl-Ludwig Poggemann

Der Einsatz der Pestizide ärgert das Netzwerk, denn es befürchtet eine Teufelsspirale: Das eingesetzte Mittel namens Foray ES soll zwar selektiv wirken – der Hersteller bezeichnet es sogar als „bienenschonend“, aber es wird nicht direkt auf die Raupen, sondern auf Oberflächen gesprüht. Selbst, wenn es nur auf Eichen angewendet würde, zöge das andere Falterarten wie das Rote Ordensband (Catocala nupta), das Große Eichenkarmin (Catocala sponsa) oder die Familie der Zahnspinner (Drymonia) in Mitleidenschaft. Allerdings wird das Pestizid laut „Ouni Pestiziden“ in der Praxis vom Boden aus verdampft. Dadurch würden nicht nur Eichen getroffen – auch andere Insektenarten werden abgetötet. Die Konsequenz: Nahrungsmangel für Vögel und Fledermäuse. Es würden also nicht nur die Eichenprozessionsspinner, sondern auch ihre natürlichen Feinde dezimiert. Dadurch sei zu erwarten, dass in den nächsten Jahren noch mehr Raupen des Falters anzutreffen sein werden.

Ein Problem besteht darin, den richtigen Zeitpunkt zum Pestizideinsatz zu finden. In den ersten Entwicklungsstadien sind die Larven ziemlich klein und schwer zu entdecken. Ab dem dritten Stadium verändert sich die Farbe, allerdings bilden die Raupen dann auch die gefährlichen Brennhaare. Werden sie durch ein Pestizid abgetötet, sind die Haare weiterhin intakt und gefährlich. „Ouni Pestiziden“ ist auch aus diesem Grund gegen den Pestizideinsatz – außerdem sei es einfach nicht möglich, das Mittel sicher und selektiv anzuwenden. „Wir raten demnach zum Entfernen der Raupen, in einem möglichst frühen Stadium, durch mechanische Methoden wie Absaugen.“, schreibt das Netzwerk. Zusätzlich schlagen die Umweltschützer*innen vor, die natürlichen Fressfeinde zu fördern. Dazu könnte man etwa Nisthilfen wie Meisen- und Fledermauskästen oder Insektenhotels anbringen oder selten gewordene Vogelarten wie den Kuckuck und den Wiedehopf fördern.

Aktionsplan ohne Naturschützer*innen

Erwachsen sind die Falter eher unscheinbar – und ungefährlich für den Menschen. (Foto: CC BY-SA Orchi/Wikimedia)

Die Antwort aus dem Umweltministerium überraschen ein wenig, wenn man bedenkt, dass 2018 noch ein anderes Lied gesungen wurde. Wie die woxx damals berichtete, gab Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) in der Antwort auf eine parlamentarische Frage an, „im Kontext des weltweiten Biodiversitätsverlustes und Artensterbens sollten Pestizide nur als aller letzte Option in Betracht gezogen werden“. Nach dem dritten Larvenstadium sei nur eine mechanische Entfernung sinnvoll. Auf die Frage, ob sich diese Einschätzung geändert habe, gab das Umweltministerium uns folgende Antwort: „Spätestens im dritten Larvenstadium müssen die Larven des Eichenprozessionsspinners mit dem Biozid behandelt werden. Wird das Biozid nach dem dritten Larvenstadium eingesetzt, haben die Larven bereits die Haare auf ihrem Körper ausgebildet, die die allergische Reaktion hervorrufen. Die Larven sterben dann zwar durch das Biozid, die Haare auf ihrem Körper werden trotzdem in der Luft verbreitet und sind gesundheitsschädlich.“ Bei der Beantwortung der Frage wurde lediglich auf Zeitpunkt, nicht aber auf die generelle Einschätzung zum Einsatz von Pestiziden gegen die Raupen eingegangen.

In der gleichen Antwort kündigte Dieschbourg 2018 an, das Gesundheitsministerium arbeite in „enger Zusammenarbeit mit der Naturverwaltung und anderen betroffenen Verwaltungen und Assoziationen“ an einem Aktionsplan für den Umgang mit dem Eichenprozessionsspinner. Dieser Plan wurde am 20. April 2021 veröffentlicht. Umweltschutzorganisationen waren an der Ausarbeitung des Aktionsplans laut Auskunft des Umweltministeriums jedoch nicht beteiligt. Das 48-seitige Dokument enthält allgemeine Informationen über den Falter, seine Verbreitung und seine Gefährdung für den Menschen. Auch Monitorings- und Bekämpfungsmaßnahmen werden detailliert beschrieben. Zu letzteren gehört auch der Pestizideinsatz, zu dem jedoch nur in Ausnahmesituationen geraten wird. Immer wieder wird auf die erheblichen Folgen für das Ökosystem hingewiesen. Eine chemische Bekämpfung müsse außerdem bewilligt werden und Anfragen dazu „sollten […] möglichst lange vor dem voraussichtlichen Anwendungszeitraum eingereicht werden“. Stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller und schneller wäre, auf mechanische Bekämpfungsmethoden zurückzugreifen.


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