Impfstoffmonopole: Patente töten

Covid-19 fordert weiterhin täglich tausende Tote. Trotzdem weigern sich einige wenige Länder, die Impfpatente endlich freizugeben – eine Schande.

Foto: Spencer Davis/Unsplash

Auch, wenn man es in Luxemburg dank der fortschreitenden Impfkampagne und Lockerungen glauben könnte: Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei. Im Globalen Süden mangelt es an Impfstoff, was an der fehlenden Solidarität der sogenannten westlichen Welt liegt. Voraussichtlich wird es unter den gegebenen Umständen noch zwei Jahre dauern, bis die ganze Welt geimpft ist. Seit längerem gibt es daher die Forderung, die Patente der Impfstoffproduzenten freizugeben, damit diese weltweit fabriziert werden können. Ende vergangener Woche verkündete US-Präsident Joe Biden, dass er eine zumindest zeitlich befristete Aufhebung nun doch unterstützt. Damit stand die EU ziemlich belämmert da. Doch es kamen gleich die nächsten Scheinargumente auf.

Durch eine Freigabe der Patente würde die Produktion nicht um eine einzige Dosis Impfstoff gesteigert, proklamierten Impfstoffhersteller. Auch bei der Debatte im luxemburgischen Parlament um einen Aufruf von déi Lénk an die Regierung, sich für eine Patentfreigabe einzusetzen, wurden ähnliche Argumente benutzt. Es gebe im Globalen Süden schlicht keine Produktionskapazitäten für die hochmodernen mRNA-Impfstoffe, außerdem sei dafür ein Technologietransfer nötig. Den Spagat, gleichzeitig Kooperations- und Wirtschaftsminister zu sein, brachte Franz Fayot (LSAP) während der Debatte auf jeden Fall nicht zustande. Zwar gestand er ein, die Patente seien ein Problem, forderte dann aber doch, gegen deren Freigabe zu stimmen.

Dabei ist die Behauptung, es sei unmöglich, innerhalb weniger Monate die Produktionskapazitäten auszubauen, erwiesenermaßen falsch: Moderna, im März vergangenen Jahres noch ein kleines Startup, beauftragte bereits im darauffolgenden Mai die schweizerische Lonza Group damit, den vom Marktneuling entwickelten Impfstoff zu produzieren. Auch Länder wie Indien und Südafrika verfügen über eine große Pharmaindustrie mit kompetentem Personal. Und die Knappheit an Rohstoffen liegt wohl eher an einem entsprechenden US-Embargo als an einem tatsächlichen Mangel: auch hier wäre es also sicherlich möglich, die Produktionskapazitäten zu erhöhen.

In Wirklichkeit fürchten die Impfstoffhersteller im Ringen um den Patentschutz einen Dammbruch: Wenn die die maßgeblichen Staaten sich einmal dazu entschließen, dem Gemeinwohl Vorrang vor den Profitinteressen der unter ihrer Hoheit produzierenden Unternehmen zu geben, dann könnte das möglicherweise öfters passieren. Obwohl die betroffenen Pharmafirmen sich dann immer noch mit Milliardengewinnen trösten könnten, malen sie vorsorglich ein Schreckgespenst an die Wand, wonach China, Russland oder Indien mithilfe der abgeschauten mRNA-Technologie dann andere Impfstoffe entwickeln könnten, etwa gegen Krebs oder HIV.

In was für einem zynischen Todeskult namens Kapitalismus sind wir eigentlich gefangen?

Einmal mehr muss man sich die Frage stellen, in was für einem zynischen Todeskult namens Kapitalismus wir eigentlich gefangen sind, um ernsthaft über so etwas zu diskutieren. Die Möglichkeit, dass es bald mRNA-Impfstoffe gegen todbringende Krankheiten geben wird, ist das einzig Gute, was diese Pandemie überhaupt hervorgebracht hat. Je mehr schlaue Köpfe künftig darauf aufbauend forschen können, desto besser.

Wesentlich ist jetzt, möglichst schnell möglichst große Teile der Weltbevölkerung zu impfen. Wenn die Impfstoffhersteller dazu unter ihren bisherigen Eigentümer*innen nicht bereit sind, müssen sie eben enteignet werden – zumindest, bis die Pandemie vorbei ist.

Danach sollten wir darüber diskutieren, warum Pharmakonzerne mit öffentlichen Geldern forschen, die Gewinne daraus jedoch privat einstreichen dürfen, wie Franz Fayot im Parlament richtig festgestellt hat. Ob sich dieser Zustand ohne einen Systemwechsel ändern lässt, ist allerdings fraglich. Denn auch Luxemburg profitiert vom bisherigen Modus: Die „Patent Boxes“ sind zwar kein Alleinstellungsmerkmal, aber dennoch ein wichtiger Bestandteil der hiesigen Steuerlandschaft. Alle Politiker*innen, denen solche nationalen Interessen im Kopf herumschwirren, wenn es um Patente geht, müssen sich fragen, ob diese wirklich wichtiger sind als zahllose Menschenleben.


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