Joghurtfabrik: Unser Wasser, lokal und global

Die Kritik von natur & ëmwelt am Fage-Projekt ist berechtigt, greift aber in einigen Punkten zu kurz.

Teures Wasser. Wasser-Automat auf den British Virgin Islands. Welches ist der „richtige“ Preis – für Gemüsebetriebe und für Joghurtfabriken?
(Wikimedia; Mattes; CC BY 2.0)

Die Umwelt-NGO stellt den hohen Wasserverbrauch ins Zentrum ihrer scharfen Kritik (woxx 1593: „Wasserkrieg in Luxemburg?“, erst am Freitag online). Das will nicht heißen, dass andere Aspekte wie die Optimierung des Ressourcenverbrauchs perfekt gelöst wären. Doch ein kurzer Blick ins Kommodo-Dossier erweckt den Eindruck, dass die Firma Fage bemüht ist, überzeugende Antworten zu liefern. Außer, so scheint es, was den ökologischen Impakt auf die sowieso bereits stark verschmutzte Alzette angeht.

natur & ëmwelt stellt die Aufforderungen der Regierung zum Wassersparen gegen die Genehmigung für die verschwenderisch erscheinende Produktion griechischen Joghurts. Die Kritik an dieser Inkonsequenz ist berechtigt, aber die pauschale Aufforderung zum Sparen – und der Hinweis auf „Wert“ und „Preis“ des Wassers ist an sich zweifelhaft. Knapp ist das Trinkwasser in Luxemburg nur während einigen Wochen im Sommer, in denen gespart werden sollte – und man eine Pause in der Joghurtproduktion  verordnen könnte. Mindestens so wichtig für die Trinkwasserversorgung Luxemburgs sind Aspekte wie die fortschreitende Bodenversiegelung und die Belastung durch Fremdstoffe. Dass die Trinkwassersituation im internationalen Vergleich günstig ist, liegt übrigens daran, dass in Luxemburg der Verbrauch durch Industrie und Landwirtschaft relativ niedrig ist.

„Wahrer Preis“ der „Ware Wasser“

Sind die Sorgen über die zusätzliche „Kleinstadt“ – der Verbrauch der Fabrik entspricht dem von 18.000 Einwohner*innen – berechtigt? Die Herausforderungen für die Luxemburger Wasserwirtschaft sind mindestens so sehr qualitativer wie quantitativer Natur. Probleme wie die Belastung durch Nitrate, aber auch durch Rückstände aus Medikamenten und Hygieneprodukten, wurden bei der Einführung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRR) vernachlässigt.

Kein Wunder, denn das von den Wasserkonzernen erfundene Konzept des „wahren Preises“ wurde von den NGOs und Expert*innen kritiklos übernommen. Die Hoffnung, die unsichtbare Hand des Marktes werde den Wasserkreislauf optimieren, hat sich nicht erfüllt. In Luxemburg ist es für Gemeinden zum Beispiel billiger, Wasser aus dem Stausee zu kaufen, als lokale Quellen zu schützen und zu erhalten. Eine Rückkehr zum Verständnis des Wassers und der Trinkwasserversorgung als öffentliches, gemeinsames Gut ist überfällig. Auf einer solchen Basis würde der Zugang von Fage zum Trinkwasser anders diskutiert werden – und der Zugang aller bereits etablierten Firmen auch.

Privatwirtschaft und öffentliche Güter

Als die „Preiswahrheit“ auf Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie europaweit eingeführt wurde, sah man gleich zwei „Mogelpreise“ vor: für die Landwirtschaft und für die Industrie. Doch es wäre simplistisch, das zu brandmarken: Schließlich sind Landwirtschaft und Wirtschaft allgemein Teil der Volkswirtschaft und erfüllen gesellschaftlich sinnvolle Aufgaben. Falsch am Ansatz der WRR war, das Wasser de facto zur Ware zu machen, statt darin eine Ressource zu sehen, die aufgrund von politischen Prozessen zwischen den Verbraucher*innen aufgeteilt wird.

Die Kritik an Projekten wie Fage und Google erweckt manchmal den Eindruck, ein Land sei umso nachhaltiger, je weniger Industrie es dort gebe. Doch das Modell eines Großherzogtums als industriefreie Insel ist eine Lebenslüge, schlussendlich verbraucht die hiesige, im Mittelwert wohlhabende Bevölkerung ansehnliche Quantitäten industriell hergestellter Produkte. Von denen ein überdurchschnittlicher Anteil bereits jetzt im nahen und fernen Ausland hergestellt wird – und dort Wasser verbraucht und die Umwelt belastet. Eine ganzheitliche Sicht auf die Fage-Diskussion kann nicht ausblenden, dass in Luxemburg viel konsumiert und wenig industriell produziert wird – eine zusätzliche Anlage kann man nicht einfach mit einem Verweis auf den Umwelt-Impakt ablehnen.

CO2– statt Steueroptimierung

Wichtiger ist die Frage, ob der Standort auf kontinentaler Ebene Sinn ergibt: Wie liegt Luxemburg geografisch gegenüber dem Zielmarkt von Fage? Wichtig auch, wie man gegebenenfalls eine Ansiedlung gestaltet – Einhaltung hoher Umweltstandards und, im Falle Fage, eine bestmögliche Lösung für den entstehenden Verkehr. Gewiss, man kann sich die Joghurtfabrik nach Griechenland oder Irland wünschen – doch für Lieferungen in Mitteleuropa ist der Spritverbrauch ab Luxemburg sicher niedriger. Die „Anlage“ die, ganzheitlich betrachtet, zu einem Sturm der Entrüstung hätte führen müssen, ist der Firmensitz von Fage, der 2012 „aus steuerlichen Gründen“ aus Griechenland nach Luxemburg verlegt wurde, noch bevor eine industrielle Aktivität geplant war.

Dass die uneingeschränkte Globalisierung in Frage gestellt wird und der Verbrauch regional hergestellter Lebensmittel gefördert werden soll, ist eine positive Nebenerscheinung der Covid-Krise. Die Frage ist, welche Prioritäten man bei der Relokalisierung setzt. Wer eine Joghurtfabrik in Luxemburg für überflüssig hält, müsste konsequenterweise alle Milchprodukte nicht-luxemburgischer Marken aus den Supermärkten verbannen. Und wer „unser“ Wasser nicht für die Herstellung „fremden“ Joghurts hergeben will, sollte sich fragen, woher das Wasser stammt, das bei der Herstellung aller anderen importierten Produkte benötigt wird.

Viel Obst und viel Wasser

Gewiss, die von natur & ëmwelt suggerierte Förderung des lokalen Obst- und Gemüseanbaus ist wünschenswert. Nicht vergessen sollte man, dass auch für diesen Produktionszweig erhebliche Mengen an lokalem Trinkwasser benötigt würden – mehr jedenfalls, als in der Ist-Situation, in der weit über 90 Prozent dieser Frischwaren eingeführt werden. Die Realität, an der die Kritik an Fage und anderen Projekten nicht vorbeikommt, ist, dass Luxemburg eine Hochburg der sogenannten imperialen Lebensweise ist (woxx 1146: „Grüner Kapitalismus, nein danke!“). Konsum und Gewohnheiten hierzulande beruhen auf dem, was der Autor Ulrich Brand so zusammenfasst: „Zugriff auf billige Rohstoffe, auf nicht nachhaltig produzierte Güter und auf billige Arbeitskraft in anderen Ländern.“

Diese versteckte, aber massive Nicht-Nachhaltigkeit sollte bei Diskussionen über Joghurtfabriken und Data Center nicht ausgeblendet werden. Wünschenswert wäre deshalb, dass NGOs durchaus zweifelhafte neue Projekte hinterfragen, zugleich aber das Bewusstsein für die  Nicht-Nachhaltigkeit des Ist-Zustandes stärken.

 


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