KI macht Schule: Der Stempel des Ministeriums

von | 10.10.2025

Mit dem „KI-Kompass“ präsentiert das Bildungsministerium seine Strategie zum Umgang mit KI in der Schule. Über die Grenzen kritischen Denkens.

Stellten vergangenen Montag den KI-Kompass vor: (von links nach rechts) Luc Weis, Direktor des Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques (SCRIPT), Daniela Hau, Leiterin der Abteilung für pädagogische und technologische Innovation beim SCRIPT und Bildungsminister Claude Meisch (DP). (Foto: Menje)

Smartphones und Künstliche Intelligenz (KI) bergen „ein echtes Risiko einer geistigen und kognitiven Verarmung der neuen Generation“, sagte Bildungsminister Claude Meisch (DP) zu Beginn des Schuljahres bei der Vorstellung der neuen Schwerpunkte des Bildungsministeriums. Vergangenen Montag stellte er dann eine Strategie zur Lösung des Problems vor: den KI-Kompass. Erst im Nachhinein soll dieser bis Ende des Jahres mit allen relevanten Akteur*innen des Schulsystems diskutiert werden, um 2026 konkrete Richtlinien für einen „kritischen und verantwortungsbewussten“ Gebrauch von KI in der Schule vorlegen zu können.

Darin wird immer eine Schlüsselfähigkeit hervorgehoben: Kritisches Denken. Schüler*innen sollen in der Grundschule zunächst gänzlich ohne KI lernen, um „Kreativität, Anstrengungsbereitschaft und grundlegende menschliche Kompetenzen“ zu fördern. In der Sekundärschule folgt die begleitete Nutzung von KI-Systemen, bis hin zu einer zunehmend autonomeren Verwendung in den oberen Klassen. Der KI-Kompass ist dabei nicht nur Strategiepapier, sondern auch eine öffentlich zugängliche Plattform (www.ki-kompass.lu), auf der unter anderem Unterrichtsmaterialien, Weiterbildungen zum Thema und nicht zuletzt geeignete KI-Tools für Lehrer*innen zur Verfügung gestellt werden.

Bislang werden auf der Seite drei dieser Tools vorgestellt: „Teachino“, „fobizz“ und „Vittascience“. Auf die Frage, ob auch große Sprachmodelle, wie beispielsweise „ChatGPT“ zum Einsatz in Schulen kommen sollen, antwortete Meisch im Brustton der Überzeugung, die vorgenannten Plattformen hätten „den Stempel des Ministeriums“ und „wenn man da ruhigen Gewissens arbeiten will, wäre es schon angebracht sich auf diese Tools zu konzentrieren.“ Daniela Hau, die Expertin die den anwesenden Journalist*innen die Details vorstellte, relativierte sogleich: „Die Tools basieren alle auf Large Language Modells, aber in einem rechtlich sicheren Rahmen.“ Doch was heißt das konkret?

In einer Anleitung zum kritischen Denken darf die Frage nach den wirtschaftlichen Interessen nicht ausgeklammert werden.

Fobizz und teachino sind bislang die einzigen Plattformen zu denen das Weiterbildungsinstitut ifen Seminare für Lehrer*innen anbietet. Blickt man hinter die Kulissen entdeckt man schnell, dass fobizz als Default-Einstellung für seinen Chatbot „GPT-4o mini“ verwendet, also eine Schmalspurversion von ChatGPT, hinter der die US-Firma „OpenAI“ steht. Auch teachinos Chatbot basiert auf einem Modell dieser Firma, nämlich ChatGPT-4, was sich allerdings erst nach einer Recherche offenbart, denn auf der Firmenwebsite von teachino finden sich keinerlei Informationen hierzu – red flag für Intransparenz. Durch die Verwendung europäischer Plattformen halten sich die Nutzer*innen an die Vorgaben der europäischen Datenschutzverordnung, Geld fließt dennoch indirekt an den Marktführer aus den USA. Das Wasser mag gefiltert sein, entspringt aber derselben Quelle.

Das von Meisch beschworene „ruhige Gewissen“ meint in erster Linie also Rechtssicherheit im EU-Rahmen und nicht moralische oder ethische Verantwortung. In einer Anleitung zum kritischen Denken darf die Frage nach Wirtschaftsinteressen jedoch nie ausgeklammert werden. Dazu muss transparent kommuniziert werden, welche Firmen hinter den verwendeten Sprachmodellen stecken. Schüler*innen die Risiken von Deep-Fakes, Algorithmen, durch KI reproduzierte Vorurteile und auch die Umweltfolgen von KI (siehe dazu auch Seite 4 in dieser Ausgabe) näher zu bringen sollte, wie im KI-Kompass angelegt, unbedingt ein wichtiger Bestandteil des Bildungssystems werden, kritisches Denken muss aber einen Schritt weiter gehen! Ein kritisch denkender Geist muss konsequent weiter geschult werden, bis hin zum Hinterfragen von (KI-)Systemen selbst.

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