Weil das Innenministerium wichtige Informationen von öffentlichem Interesse unter Verschluss hält, hat eine Journalistin jetzt Klage eingereicht und wird dabei von ihrem Berufsverband ALJP unterstützt. Das Verfahren könnte zum Präzedenzfall für die Pressefreiheit werden.
„Bis hierhin und nicht weiter“, sagt Misch Pautsch, Präsident der „Association luxembourgeoise des journalistes professionnels“ (ALJP), auf der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch. Neben ihm sitzt Charlotte Wirth, die als freie Journalistin unter anderem für das deutsche Magazin „Stern“ und das Luxemburger Online-Portal „reporter.lu“ schreibt. Weil das Luxemburger Innenministerium ihr Zugang zu wichtigen Informationen verweigert, hat sie Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht; die ALJP tritt als Nebenklägerin auf.
Dreimal hat Wirth während einer Recherche zu Luxemburgs Beteiligung an Missionen der EU-Grenzschutzagentur Frontex an den EU-Außengrenzen eine Anfrage an die zuständigen Ministerien gestellt. Dreimal wurde ihr der Zugang zu Dokumenten verweigert, die den Zusammenhang betreffen. Selbst dann noch, als eine Beurteilung des Falles durch die „Commission d’accès aux documents“ (CAD) zu ihren Gunsten ausfiel.
Eine Kommission ohne Befugnisse
Das Problem: Die CAD ist zwar die Instanz, die für die Überwachung des Zugangs zu öffentlichen Dokumenten zuständig ist, ihr Urteil ist jedoch weder bindend, noch wird der Kommission selbst Einsicht in die fraglichen Dokumente gewährt. Es geht um die Pressefreiheit, wie Pautsch deutlich macht: „Wenn Entscheidungen der CAD ignoriert werden, können wir den kritischen Journalismus in Luxemburg vergessen.“
Bereits vor über drei Jahren begann Charlotte Wirth ihre Recherchen zu Luxemburgs Beitrag an Frontex-Missionen mit einer Anfrage an das damals zuständige Außenministerium. Die Abfuhr kam prompt: Wirths Angaben seien nicht präzise genug. Laut dem geltenden Gesetz von 2018 für eine transparente und offene Verwaltung können Anfragen, die vermeintlich zu ungenau gestellt werden, als „unangemessen“ abgelehnt werden. Das jedoch widerspricht oftmals der Vorgehensweise journalistischer Recherche, die erst aufgrund eines detaillierten Einblicks fokussierter werden kann. Von Frontex erhielt Wirth hingegen über 300 Dokumente.
Im Februar dieses Jahres wandte Charlotte Wirth sich dann zweimal an das Innenministerium, da die Zuständigkeiten sich inzwischen geändert haben. Diesmal weiß sie zwar genauer, wonach sie suchen muss, der Zugang zu den Dokumenten bleibt ihr aber dennoch verwehrt; trotz des Schiedsspruchs der CAD. Die Missachtung der CAD und der Pressefreiheit will die Journalistin nicht einfach hinnehmen. „Wenn eine Institution einfach entscheidet, Dokumente nicht herauszugeben, aus Gründen, die nicht nachvollziehbar sind und die auch von der CAD nicht nachvollzogen wurden, dann behindert das unsere Arbeit“, sagt Wirth. Auch die ALJP sieht in der Weigerung des Innenministeriums einen Affront gegen die Pressefreiheit.
Umstrittener Gesetzesentwurf
Die Klage kommt zu einem für Journalist*innen maßgeblichen Zeitpunkt. Im Juni legte die Regierung einen Gesetzesentwurf zum sogenannten Transparenzgesetz vor, das den Informationszugang von Journalist*innen und Bürger*innen zu öffentlichen Dokumenten, gerichtlich verankern soll (siehe „Was lange währt …“ in woxx 1799). Ein juristischer Erfolg würde diesbezüglich einen Präzedenzfall schaffen. Auf der Pressekonferenz kritisierte die ALJP auch die Vorbereitung und das Ergebnis des Gesetzesentwurfs. Der Journalist*innenvereinigung wurde vorab lediglich ein Arbeitspapier vorgelegt. Nur ein Bruchteil ihrer Forderungen fand seinen Weg dann in den Entwurf, und selbst dies nicht ohne Abstriche. So wurde die journalistische Berufsdefinition zwar geändert, jedoch im Transparenzgesetz und nicht etwa im Pressegesetz verankert.
Inzwischen hat Wirth auch ohne die angefragten Informationen einen detailreichen Artikel zu dem Thema auf „reporter.lu“ publiziert. Prompt veröffentlichte die Regierung eine Pressemitteilung, wonach ein Hubschrauber, den man Frontex zur Überwachung von Flüchtlingen im Mittelmeer zur Verfügung gestellt habe, in keine Vorfälle verwickelt gewesen sei, die zu Menschenrechtsverletzungen geführt hätten. Die Weigerung die zugehörigen Dokumente herauszugeben, wurde hingegen erneut mit dem Argument verteidigt, es handle sich um sensible Daten. Würde die CAD mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet, wie etwa der Einsicht in Dokumente und der Möglichkeit bindender Urteile, wie es auf EU-Ebene mit einer Ombudsstelle bereits praktiziert wird, wäre auch hierzulande ein Schritt in die richtige Richtung getan.