Konferenzreihe: Wer kann zu Serge Tonnar?

Die Abtei Neumünster lädt am Donnerstag zum Rundtischgespräch über den Zugang zu Kultur. Ein Blick auf die Lage und die Teilnehmer*innen.

Haben alle Menschen gleichermaßen die Chance, sich wie auf diesem Bild eine Ausstellung von Berthe Lutgen anzuschauen, oder bleibt dies manchen verwehrt? (Copyright: neimënster)

Wer von sozialer Ungerechtigkeit spricht, denkt dabei vermutlich selten zuerst an den Zugang zu Kultur. Der luxemburgische Kultursektor aber beschäftigt sich vor allem in den letzten Jahren zunehmend damit: Wer besucht Veranstaltungen? Wie viel Raum wird sozial relevanten Themen im Programm gegeben? Und wie kann dieses inklusiver gestalten werden? In diesem Sinne lanciert die Abtei Neumünster in Luxemburg-Stadt kommende Woche eine neue Konferenzreihe „Debattekultur: eng Kulturdebatt“, gemeinsam mit der Philosophin Nora Schleich. Bei der ersten Veranstaltung, die am kommenden Donnerstag um 18:30 Uhr in der Salle Edmond Dune stattfindet, dreht sich zunächst alles um die Frage: Hat jeder Mensch die gleiche Chance auf Kulturerleb-
nisse? Die Liste der Teilnehmenden des Rundtischgesprächs verspricht vielseitige Perspektiven.

Antónia Ganeto ist Mitbegründerin der afro-feministischen Organisation Finkapé, die Veranstaltungen zu Kultur, Sozialem, Politik und Bildung durchführt, immer mit Blick auf feministische und antirassistische Kämpfe sowie auf Prozesse der Dekolonisierung. Im Kulturpodcast „Um Canapé mat der woxx“ wurden bereits mehrere Projekte von Finkapé vorgestellt, in denen es unter anderem um den Zugang zu Kultur und die Darstellung marginalisierter Menschen und Kulturkreise in den einzelnen Genres geht. So präsentierte Jennifer Lopes Santos dort ihr Kunstprojekt ­„Papaya“, in dem sie gemeinsam mit ­Melissandre Varin postkoloniale Identitäten dekonstruiert und zelebriert. Helder Da Graça sprach über „Klang Keller“, ein Projekt zur Demokratisierung der Musikausbildung in Luxemburg; in der Folge mit Meriem Abaeid und Sabrina Castello ging es – neben anderen Themen – um die Repräsentation nicht-weißer Autor*innen im Literaturkanon und ihre Sichtbarkeit in den Bildungseinrichtungen.

Neben Ganeto sitzen am Donnerstag weitere Personen mit am Tisch, darunter Alexandra Oxacelay, seit Ende der 1990er Direktorin der „Stëmm vun der Strooss“. Die „Stëmm“ ist seit 1996 Anlaufstelle für Menschen in sozialen Notlagen, wie etwa Obdachlose. Neben ihrem sozialen Engagement ist Oxacelay auch Mitbegründerin der „Fondation Thierry Van Werveke“, einer Stiftung, die jungen Künstler*innen unter die Arme greifen möchte, besonders in finanzieller Hinsicht.

Der Fokus dieses ersten Rundtischgesprächs liegt vor allem auf Sozialfragen, zumindest legen das die Tätigkeitsfelder der Teilnehmer*innen nahe.

Um Geld geht es auch beim gemeinnützigen Verein Cultur’all, der am Abend der Konferenz durch ihren langjährigen Mitarbeiter Luis Santiago vertreten wird. Die Entstehung der Organisation ist mit dem Kulturjahr 2007 verknüpft. Damals stieg die kulturelle Sause in Luxemburg-Stadt, Teil davon war ein Seminar des Instituts für Soziales Training (IFS) in Zusammenarbeit mit verschiedenen nationalen Verbänden unter dem Titel „Diversité culturelle et droits culturels – pour quoi faire ?“. Menschen in prekären Lebensverhältnissen waren ebenfalls geladen. Daraus folgte 2008 die Gründung von Cultur’all und 2010 die Einführung des kostenlosen Kulturpasses: Sozial benachteiligte Personen können diesen beantragen und erhalten freien Zugang zu Partnermuseen sowie einen vergünstigten Preis für den Besuch von Events der am Projekt beteiligten Veranstalter*innen. Ein Angebot, das laut Website von Cultur’all in den letzten Jahren genutzt wurde: „Zwischen 2014 und 2019 wurden 6.500 Kulturpässe ausgegeben. Die Begünstigten kauften rund 19.000 Tickets zum Preis von 1,50 Euro. Im Durchschnitt nutzte ein Kulturpass-Inhaber seinen Pass für drei Kulturausflüge zu unseren 75 Kulturpartnern.“

Der letzte in der Gesprächsrunde ist der Musiker Serge Tonnar, der seit Jahren durch diverse Projekte versucht, Kultur zu demokratisieren und kostenfreie Angebote zu schaffen. Als Mitbegründer des Theaterkollektivs „Maskénada“ setzt er sich für die Förderung alternativer Kulturprojekte ein. 2015 startete er die Initiative „Mir wëllen iech ons Heemecht weisen“ und während der Pandemie den Online-Kanal „Kulturkanal“ (Kuk). Las dort in der Vergangenheit die Großherzogin Maria Teresa mit musikalischer Begleitung aus dem luxemburgischen Literaturklassiker „Maus Kätti“ vor, geht es bei „Mir wëllen iech ons Heemecht weisen“ um den interkulturellen Dialog zwischen Ortsansässigen und Personen, die nach Luxemburg geflohen sind. „Unserer Erfahrung nach haben sich kulturelle Workshops und künstlerische Ausdrucksformen als exzellentes Mittel zur verbalen und non-verbalen Kommunikation zwischen Personen mit unterschiedlichen Hintergründen bewährt“, heißt es auf der Internetseite der Organisation, die auf Freiwilligenarbeit setzt.

Zum Thema interkultureller Dialog gibt es übrigens auch eine Folge „Um Canapé mat der woxx“ – und zwar mit dem Künstler Fadi Jaafar, Aktivist und Mitglied der Kulturorganisation Douri. Jaafar sprach im Podcast über Kulturvermittlung, Traumata und die Hürden, die etablierte Künstler*innen durch die Flucht aus ihrem Heimatland überwinden müssen. Zwar sei Kunst durchaus ein tolles Kommunikationsmittel, doch beanspruche es manchmal Zeit, bis Betroffene sich diesem öffnen könnten.

Am Ende gibt es also unzählige Blickwinkel, aus denen sich der Kulturbetrieb kritisch betrachten lässt. Der Fokus dieses ersten Rundtischgesprächs liegt vor allem auf Sozialfragen, zumindest legen das die Tätigkeitsfelder der Teilnehmer*innen nahe. Es bleibt zu hoffen, dass das Format sich in dem Kontext künftig beispielsweise auch mit Barrierefreiheit im weitesten Sinne beschäftigt – hierzu gibt es in Luxemburg zahlreiche Vorzeigebeispiele, wie die „Fondation Eme“ oder das Netzwerk „Mosaik Kultur Inklusiv“ über das Peggy Kind, Inklusionsbeauftragte im Mierscher Kulturhaus, ebenfalls im Kulturpodcast der woxx sprach.

Debattekultur: eng Kulturdebatt, am 15. Juni ab 18:30 Uhr in der Abtei Neumünster (Salle Edmond Dune) in Luxemburg-Stadt. Auf Luxemburgisch mit französischer Simultanübersetzung.

Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.