Kooperationspolitik – Kohärenz lässt auf sich warten

In Zeiten anschwellender Flüchtlingsströme und sich vermehrender Anzeichen, dass die Klimaveränderung vor allem in der Dritten Welt die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört, wäre eigentlich zu vermuten, dass ein amtierender Kooperationsminister sich vor lauter Presseandrang nicht retten kann. Doch als Romain Schneider sich am Dienstagvormittag bereit hielt, der Luxemburger Presse zu erläutern, was tags zuvor auf Kirchberg zur europäischen Entwicklungspolitik diskutiert wurde, musste er mit zwei einsamen Vertretern der schreibenden Zunft vorliebnehmen. Aber nicht nur in Luxemburg hat Kooperationspolitik einen schwierigen Stand: Einen eigenen Ministerrat für Kooperation gibt es schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Es findet „lediglich“ ein sogenannter „Rat für Auswärtige Angelegenheiten in Formation der Entwicklungsminister“ pro Jahr statt, der vom „Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitsfragen“ (zurzeit die Italienerin Federica Mogherini) geleitet wird. Immerhin war die Luxemburger Präsidentschaft für die Tagesordnung verantwortlich, und angesichts wichtiger international anstehender Termine wurde für die diesjährige Sitzung, anders als sonst üblich, ein ganzer Tag angesetzt. Eines der Schlüsselthemen der Ratssitzung war die Kohärenz der Entwicklungspolitiken. Wobei es genau genommen mehr um die Kohärenz anderer Politikfelder mit deren Auswirkung auf die Entwicklungspolitik geht. Gemeint sind vor allem die Auswirkungen europäischer Wirtschafts-, Agrar und Finanzpolitik auf die Länder des globalen Südens. Die Zivilgesellschaft hatte am Montag in einer Pressekonferenz aus ihrer Enttäuschung über die vom Rat verabschiedeten Schlussfolgerungen kein Hehl gemacht. Zwar sei inzwischen die Notwendigkeit von mehr politischer Kohärenz weitgehend anerkannt, aber mit der Umsetzung hapere es doch noch sehr. Die eigentlichen Adressaten der Forderung nach mehr Kohärenz seien eigentlich nicht die EntwicklungsministerInnen, sondern vielmehr deren KollegInnen aus den erwähnten Politikbereichen. Immerhin scheint Romain Schneider seinen niederländischen Ratsnachfolger für eine Ausweitung der Kohärenzdebatte in andere Politkbereiche gewonnen zu haben. Zumindest bei den KollegInnen aus dem Umweltressort klappt die Zusammenarbeit: Während eines gemeinsamen Arbeitsessens konnte die 28 Umwelt- und KooperationsministerInnen sich über die anstehende Agenda 2030 verständigen, die sich ja an nachhaltigen Entwicklungszielen ausrichtet. Ein wichtiges Standbein der europäischen Kooperationspolitik ist seit jeher die Zusammenarbeit mit den Ländern aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum, die vormals als Kolonien einiger EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen, wenn auch selten freiwilligen, Beitrag zur Schaffung des hiesigen Wohlstands geleistet haben. Die EU-AKP-Zusammenarbeit steht derzeit auf dem Prüfstand. Eine öffentliche Konsultation dazu sollte bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Ob diese Form der Nord-Süd-Solidarität überdauern wird, kann zur Zeit unmöglich gesagt werden. Minister Schneider deutete lediglich darauf hin, dass es zu ersten Diskussionen gekommen sei, die jedoch nur zeigten „wie weit die Meinungen in dieser Hinsicht auseinander gehen“.


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