LGBTIQ: Flucht unter 
den Regenbogen

Ob vor Krieg oder Verfolgung – LGBTIQ-Personen müssen oft aus ihrem Heimatland flüchten. Wie sieht ihre Situation in Luxemburg aus?

Queere oder LGBTIQ-Geflüchtete ziehen meistens kein sehr großes mediales Interesse auf sich. Kriegsflüchtlinge dominieren die öffentliche Wahrnehmung, während andere Gründe, aus denen Menschen um Asyl ansuchen, weniger beachtet werden. Allerdings verlangen LGBTIQ-Personen nicht notwendigerweise deshalb Asyl oder subsidiären Schutz, weil sie in ihrem Heimatland wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Identität verfolgt wurden. Vor Krieg und Terror flüchten und zugleich schwul, lesbisch oder trans sein kann ebenso Realität sein.

Wie viele LGBTIQ-Schutzsuchende es in Luxemburg gibt, dazu liegen keine offiziellen Zahlen vor. „Wir erfassen diese Daten nicht statistisch“, heißt es in einer Stellungnahme des Außenministeriums, dem der „Service Réfugiés“ unterstellt ist. „Von Ende 2015 bis 2017 hatten wir mit 44 queeren Geflüchteten Kontakt, die meisten von ihnen waren schwule Männer“, erklärt Enrica Pianaro vom Cigale.

Das Beratungszentrum für Schwule und Lesben, das von der Organisation „Rosa Lëtzebuerg“ betrieben wird, hat seit den großen Flüchtlingsbewegungen von 2015 ein spezielles Angebot für LGBTIQ-Flüchtlinge, das sich „Queer Refugees Welcome“ nennt. Einmal in der Woche, donnertags von 16 bis 18 Uhr, ist Gelegenheit zum Austausch. „Einerseits können praktische Fragen wie beispielsweise zum Asylantrag oder einer Transportkarte diskutiert werden, andererseits können Kontakte geknüpft werden“, erläutert Pianaro. Für Flüchtlinge, die fernab der Hauptstadt, wo das Cigale seinen Sitz hat, untergebracht sind, ist der Termin nicht ganz optimal, weil Essenszeiten eingehalten oder Kurse besucht werden müssen.

„In letzter Zeit kommen viele auch zu unseren allgemeinen Öffnungszeiten für eine individuelle Beratung, etwa wenn sie Probleme in ihrer Unterkunft oder Fragen zum Coming-Out haben. Manche kommen aber auch nur, um einen Kaffee zu trinken oder Hallo zu sagen“, so Pianaro. Den offiziellen Fluchtgrund der Personen erfragt Cigale nicht automatisch, meistens hängt der jedoch mit der Situation im Herkunftsland zusammen.

Wer um Asyl nachfragt, muss den Fluchtgrund irgendwie belegen können. Zur Überprüfung der Stichhaltigkeit dieser Belege werden immer wieder zweifelhafte Methoden benutzt. Jüngst verurteilte der Europäische Gerichtshof etwa Ungarn wegen unzulässiger psychologischer Gutachten, mit denen die sexuelle Orientierung eines Asylbewerbers ermittelt werden sollte.

In Luxemburg können LGBTIQ-Geflüchtete „während eines Interviews in intimer Atmosphäre darlegen, weswegen sie ihr Land verlassen mussten, und ihren Alltag als LGBT beschreiben“, heißt es vonseiten des Ministeriums. Alle Interviewer*innen hätten eine spezielle Ausbildung im Bereich „Gender, Gender Identity and Sexual Orientation“ des European Asylum Support Office absolviert. „Wir bekommen immer wieder Beschwerden, dass diese Interviews nicht sehr positiv ablaufen und merkwürdige Fragen gestellt werden“, sagt Enrica Pianaro vom Cigale dazu. Konkrete Beispiele will sie nicht nennen, um die betreffenden Personen zu schützen.

Schnellere Prozeduren gibt es für Flüchtlinge aus sogenannten „sicheren Drittländern“. Luxemburg stuft auch Ghana und Senegal als solche ein – in beiden Ländern ist jedoch Homosexualität illegal und wird mit Gefängnis bestraft. In Ghana gibt es laut Amnesty International sogar Pläne, diese Gesetze noch zu verschärfen. Aber auch da, wo auf dem Papier jede Diskriminierung abgeschafft ist, kann das gesellschaftliche Klima sehr homo- und transfeindlich sein, zum Beispiel in bestimmten Balkanländern. „Wir hören zwar immer wieder vom Ministerium, dass jeder Fall einzeln angeschaut wird, aber es gab auch schon Personen, die sich bei uns gemeldet hatten und nach ein oder zwei Wochen wieder verschwunden waren“, so Pianaro. Grundsätzlich ist es schwierig, Beweise wie Fotos mit gleichgeschlechtlichen Partner*innen zu sammeln, wenn jedes Zusammensein unter der Drohung der Repression steht.

Die Repression kann sich in den Flüchtlingsstrukturen fortsetzen. „Uns wird regelmäßig von Geflüchteten berichtet, daß sie gemobbt werden oder sich unwohl fühlen. Besonders betroffen sind Menschen, deren Geschlechtsausdruck (gender expression) nicht dem klassischen Bild von Mann und Frau entspricht, wie zBs. Männer, die sich femininer geben.“, berichtet Pianaro. Das Cigale meldet solche Fälle dem Olai – die Struktur des Familienministeriums kümmert sich um die Integration. „Wenn es Probleme gibt, versucht das Olai alles zu tun, um die Person zu schützen oder die Diskriminierung zu unterbinden“, so das Außenministerium. In den Integrationskursen werde auch proaktiv das Thema Diversität vermittelt.

Der Forderung, ein Quartier speziell für LGBTIQ-Geflüchtete einzurichten, hatte Premierminister Bettel im April 2016 eine Abfuhr erteilt – er hielt eine Trennung nicht für sinnvoll. Pianaro hält dagegen: „Ich finde, man sollte das ausprobieren, zumindest für jene Geflüchteten, die danach fragen. In Berlin gibt es eine solche Struktur, und die funktioniert ganz gut. LGBTIQ-Menschen sind sehr divers, eine ‚Ghettoisierung‘ ist also nicht zu befürchten“. Cigale und Rosa Lëtzebuerg wollen die Situation von LGBTIQ-Geflüchteten in Luxemburg auch im Zuge ihrer Forderungen zu den kommenden Wahlen thematisieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die woxx mit dem Thema LGBTIQ-Geflüchtete auseinandersetzt: Unter dem Titel Unsichtbar bedeutet nicht geschützt
 haben wir die Problematik letztes Jahr schon einmal beleuchtet. Über die Arbeit von Cigale können Sie im Interview „Homo- und Trans*phobie: Die Grenzen der Akzeptanz“ mehr erfahren.


LGBTIQ

Die Abkürzung steht für lesbische, schwule (gay), bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und queere Personen. Die ersten drei Labels beschreiben die sexuelle Anziehung. Trans-Personen haben ein anderes Geschlecht als dasjenige, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde. Inter Personen passen chromosomal, hormonell oder anderweitig körperlich nicht in das gesellschaftliche Bild von männlichen und weiblichen Körpern. Queer wird als politischer Sammelbegriff sowohl für nicht heterosexuelle Begehrensformen als auch für Identitäten, die nicht in das binäre Mann/Frau-Schema passen, benutzt.


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