Männlichkeit: Zärtliche Männer, bitte!

Dank eines Gillette-Werbespots wird über toxische Männlichkeit geredet. Ein kritischer und reflektierter Diskurs ist längst überfällig.

Foto: Pixabay

Über ein Jahr nach der Popularisierung der #MeToo-Bewegung durch Hollywood greifen ausgerechnet Werbespots eine der wichtigsten, aber auch der am meisten vernachlässigten Facetten der Debatte auf: die Rolle der Männer. Gillette zeigt Situationen, die typisch für das Phänomen der toxischen Männlichkeit sind: Raufende Jungen, die niemand stört, gemobbte Jungen, die mit niemandem darüber reden können und Männer, die Frauen nachpfeifen oder sie gar begrabschen wollen. Der Spot fordert Männer auf, einzugreifen und es besser zu machen. Die streitenden Jungen werden ermahnt, das Mobbingopfer wird gefragt, wie es ihm geht und der Mann, der gerade im Begriff ist, eine Frau zu belästigen, wird von seinem Kumpel zurückgepfiffen. Aus dem langjährigen Werbespruch „The Best a Man Can Get“ wird „The Best a Man Can Be“.

Die Tierschutzorganisation Peta beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema Männlichkeit: In ihrem Spot, der das Klischee aufgreift, „echte Männer“ bräuchten Fleisch, tanzen Männer, die phallusförmiges Obst und Gemüse um ihre Hüfte gebunden haben. Der hypersexualisierte Spot hat zur Botschaft, mit einer veganen Ernährung könne die sexuelle Leistungsfähigkeit gesteigert werden. So lobenswert die Idee dahinter auch sein mag, die Ausführung ist grauenhaft: Soll mit dem Klischee des karnivoren, virilen Mannes aufgeräumt werden, so wird dafür die Rolle des Mannes als sexueller Prädator zementiert.

Natürlich steckt auch hinter dem Gillette-Spot eine knallharte Marketingstrategie. Der Mutterkonzern Procter & Gamble hat auch schon Werbefilme über Rassismus und feministische Slipeinlagenspots veröffentlicht. Die wütenden Reaktionen vieler Männer im Netz zeigen, dass das vielleicht ein gewagter Schritt war. Aber dass nun – endlich – über klassische männliche Rollenbilder und vermeintlich unveränderbare Selbstverständlichkeiten geredet wird, ist gut und notwendig.

Männer werden unter dem Patriarchat dazu erzogen, möglichst keine Gefühle zu zeigen, möglichst nicht über Gefühle zu reden (schon gar nicht mit anderen Männern). Im Gegenzug wird ihnen so gut wie alles unter dem Motto „Boys will be boys“ verziehen. Die Bevorzugung durch die sexistischen Strukturen unserer Gesellschaft lehrt Männer, dass ihnen alles Mögliche zusteht – auch die Befehlsgewalt über fremde Körper. Wozu das führt, müssen andere tagtäglich erfahren: Wutausbrüche, Gewalt, sexuelle Übergriffe. Auch dass Männer eher bereit sind, Risiken einzugehen, weniger zum Arzt gehen und öfter Suizid begehen, sind Symptome.

Toxische Männlichkeit lässt sich nicht einfach wegrasieren

Dieses Phänomen wird „toxische Männlichkeit“ genannt. Der Begriff bedeutet nicht, dass jede Form, Männlichkeit zu leben, toxisch (für sich und andere) ist. Vielmehr bedeutet er, dass viele unterschiedliche Männlichkeiten möglich sind, die ohnehin bereits von Feminist*innen, trans Männern, Schwulen, Bisexuellen, und vielen anderen – zumindest teilweise – gelebt werden.

Das heißt nicht, dass diese Männer perfekt sind, denn toxische Männlichkeit lässt sich nicht einfach wegrasieren – auch nicht mit dem besten Mehrfachklingenrasierer. Um dagegen anzukämpfen, braucht es individuelle und kollektive Anstrengungen, die das eigene Selbstbild oft in Frage stellen. Es ist nötig, angelernte Verhaltensweisen zu überdenken und sich zu reflektieren. Und, genauso unangenehm: Das Schweigen zu brechen und andere Männer bei sexistischen Verhaltensweisen zur Rede zu stellen.

Der Gillette-Spot gibt ein paar gute Anregungen: Sexuelle Belästigung verhindern, mit Kindern über Alternativen zur Gewalt als Konfliktlösung reden und Mobbingopfer ernst nehmen. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre, über Gefühle und Beziehungen zu reden – mit anderen Männern und nicht nur nach dem fünften Bier. Das Ziel sollte eine Welt sein, in der wir alle zärtlich und respektvoll miteinander umgehen; mit oder ohne Rasur.


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