Die Eröffnung einer Struktur für minderjährige Gewaltopfer verzögert sich nicht nur um mindestens zwei Jahre – mittlerweile ist das Projekt überhaupt nicht mehr in seiner ursprünglichen Form vorgesehen.
Bekommt Luxemburg wie angekündigt eine spezifische Struktur, in der minderjährige Opfer und Zeugen von Gewalt medizinisch, juristisch und psychologisch betreut werden können? Laut einer Antwort von Bildungs- und Jugendminister Claude Meisch (DP) auf eine parlamentarische Anfrage von Dan Biancalana (LSAP), sieht es zurzeit eher nicht danach aus.
Im Jahr 2015 hatte eine luxemburgische Delegation bestehend aus der Association luxembourgeoise de pédiatrie sociale (Alupse), dem Ombudscomité fir d’Rechter vum Kand (ORK), dem Service national de la jeunesse (SNJ), dem Service de psychologie et d’orientation scolaire (Spos), der Kriminalpolizei, sowie dem Justiz- und Bildungsministerium eine solche Struktur, auch „Barnahaus“ (dt.: Kinderhaus) genannt, in Island besucht. Infolgedessen hatten Meisch sowie der damalige Justizminister Felix Braz (déi Gréng) im Dezember 2016 in der Antwort auf eine parlamentarischen Frage ihr Interesse an einem luxemburgischen „Barnahaus“ ausgedrückt. Der Vorteil einer solchen Struktur liege in der Stressreduktion für die Kinder, denen damit sowohl der Besuch im Krankenhaus als auch im Polizeikommissariat erspart bliebe. Die zuständigen Minister verkündeten damals, eine solche Struktur bis 2019 auch in Luxemburg implementieren zu wollen.
In einer erneuten Frage zum Thema erkundigte sich Biancalana nun nach dem aktuellen Stand des Projekts. Aus Meischs Antwort geht hervor, dass im Jahr 2017 eine pluridisziplinarische Arbeitsgruppe gegründet wurde und das Projekt 2018 den Namen „Centre national d’information et d’intervention en matière de maltraitance de mineurs“ (CNIM) erhielt. 2019 hätten weitere Recherchen, Analysen und Überlegungen stattgefunden, so Meisch. Das hätte dazu geführt „de concevoir le ‚Barnahaus’ plutôt/d’avantage comme méthodologie de travail interinstitutionnel au lieu d’un programme prioritairement infrastructurel“. Die festgelegten Prioritäten: Die umgehend auf die Einreichung einer Klage folgende psychosoziale und psychotherapeutische Betreuung minderjähriger Gewaltopfer, sowie Präventionsarbeit bezüglich Misshandlung und Missbrauch von Kindern. Sensibilisiert werden dabei nicht nur Professionelle, sondern dieGesamtbevölkerung. Coronabedingt werde sich die Arbeitsgruppe, so Meisch weiter, erst im kommenden Herbst wieder treffen. Der Minister schätzt, dass eine Pilotphase des Projekts 2021 beginnen wird.
Die Schaffung einer Struktur scheint demnach nun nicht mehr das Ziel zu sein, sondern das Ausarbeiten einer Methodologie. Meisch erklärt, damit den in Luxemburg vorhandenen Spezifitäten, Erfahrungen und Expertisen Rechnung tragen zu wollen. Auf die genauen Gründe für das verzögerte Voranschreiten sowie den oben beschriebenen Strategiewechsel geht er allerdings nicht näher ein. Dass mit der Aufgabe der Idee einer eigens vorgesehenen Struktur die Hauptcharakteristik dieses Projekts aufgegeben wird, wird ebenfalls nicht kommentiert.