Nachhaltigkeit bei Elektrogeräten: Im Labyrinth der Reparaturen

Das Handy möglichst lange nutzen, lautet die Empfehlung. Das schont Ressourcen, kostet aber Nerven und Geld. Reparieren soll einfacher und billiger werden, auch in Luxemburg.

Reparierbar? Ja, aber … (Nokia 6110 von 1998) (Wikimedia; Raimond Spekking ; CC BY-SA 4.0)

Gibt’s das auch in Grün? Auf diese Frage dürften viele Handy-
verkäufer*innen immer noch auf die optionalen Silikonhüllen von Drittherstellern verweisen, die es in allen Farbtönen gibt. Der Wunsch vieler Kund*innen, beim Kauf und Gebrauch des Mobiltelefons der Umwelt möglichst wenig Schaden zuzufügen, scheint aber von den Verkaufsstrateg*innen erkannt worden zu sein. So wirbt die Luxemburger Post für das Fairphone 4 mit dem Slogan „Suche Langzeitbeziehung“ und setzt auf die Garantiefrist von fünf Jahren als Verkaufsargument. Auch die Konkurrenz von Orange hat das Thema entdeckt und profiliert sich mit dem „Re“-Programm, das aus Recycling, Überholung (reconditionnement), Rücknahme (reprise) und Reparatur besteht. Zu diesen Zwecken werden alte Telefone eingesammelt und gegen Gutscheine von „bis zu 700 Euro“ eingetauscht.

Das klingt erst einmal gut, doch beim genauen Hinsehen stellt man sich Fragen. So will Orange in den vergangenen sechs Jahren 6.000 Geräte eingesammelt haben. Zwar sollen in den Läden überholte Handys angeboten werden, doch die allermeisten der eingesammelten Geräte dürften dem stofflichen Recycling zugeführt worden sein. Unterm Strich also höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein des Handy-Konsumwahns. Auch bei der Post ist der grüne Lack recht dünn: Für die Reparierbarkeit verweist das Unternehmen auf den französischen Index (Note 9,3 von 10) und … auf den Hersteller der Fairphones. Unterm Strich müssen sich die Kund*innen wohl darauf einstellen, auch beim nächsten Handyschaden von einer Reparatur abgeraten zu bekommen, weil die teuer im Vergleich zum „so viel leistungsfähigeren“ Nachfolgemodell ist.

Marktlogik ist geil

Umwelt-NGOs mögen geglaubt haben, dass die Marktlogik eine Antwort bietet auf den Wunsch der Kund*innen nach grünen, langlebigen und reparierbaren Produkten. Seit zwei Jahrzehnten bemüht sich der Mouvement écologique insbesondere, das Reparieren zu fördern mittels Initiativen wie einem Verzeichnis der Reparaturbetriebe oder dem Oekotopten-Index – ohne viele konkrete Erfolge. Vielleicht erklärt das, dass jetzt eher auf die politischen Rahmenbedingungen gesetzt wird. So veranstaltete die NGO am vergangenen Mittwoch eine Online-Konferenz zum Thema „Reparieren statt wegwerfen: Wie können Staat und Gemeinden das Reparieren von Geräten fördern?“ Vorbedingung für solche Diskussionen, auf die weiter unten eingegangen wird, war der Erfolg des Mouvement écologique und der Umweltbewegung im Allgemeinen, was die Sensibilisierung angeht: Das Interesse an nachhaltigen und reparierbaren Produkten ist größer denn je.

Mein Index, dein Index

Das zeigen zum Beispiel die Reaktionen auf den Fairphone-4- und den Reparatur-Artikel in den woxx-Nummern 1666 und 1667. Manche Leser*innen berichteten über ihre negativen Erfahrungen mit dem Modell 1 und bedauerten, dass die Ersatzteilproduktion nach ein paar Jahren eingestellt wurde. Auch wenn mit dem Modell 4 diese Probleme wohl aus der Welt geschafft sind, so zeugt die Enttäuschung auch von den hohen Erwartungen an alternative Produkte. Auch Oekotopten schrieb uns, um zu erklären, dass nur die von Providern angebotenen Handys in die Liste aufgenommen werden – was vermutlich im Sinne einer zuverlässigen langen Nutzung ist. Ein anderer Leser drückte seine Zufriedenheit mit dem Fairphone 3 aus – er hat vor zwei Jahren eigenhändig das Anschlussmodul für Kopfhörer ausgetauscht. Laut dem jüngsten Vergleichstest des Fachmagazins ct ist das Fairphone 4 mit Abstand das Gerät, das breit gefassten Nachhaltigkeitskriterien am besten gerecht wird (ct 5/2022).

Was tun, damit abgenutzte oder beschädigte Geräte, besonders die mit hohem Ressourcenverbrauch hergestellten, repariert anstatt entsorgt werden, und so möglichst lange im Gebrauch bleiben? Die bereits erwähnten Marktmechanismen reichen von der Sensibilisierung der Kund*innen durch Ökolabel bis zu einem vergünstigten Mehrwertsteuersatz für Reparaturarbeiten – und greifen, angesichts der technologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen kaum. Dagegen war der in den vergangenen Jahren populär gewordene Ansatz, die Eigenreparatur zu fördern, zumindest auf der symbolischen Ebene erfolgreich. Repair-Cafés, Online-Reparaturvideos und der Reparierbarkeitsindex der Pionierfirma iFixit haben viele Konsument*innen ermutigt, sich im Schadensfall um eine Reparatur zu bemühen. Doch der Griff zum Schraubenzieher ist nicht jedermenschs Sache, deshalb führt kein Weg daran vorbei, per Gesetz die Hersteller zur Förderung von Reparaturen zu verpflichten und Negativanreize für das „Wegschmeißen und neu kaufen“-Modell zu schaffen.

Was die Labels angeht, so gibt es erste Ansätze von staatlicher Seite. Frankreich hat für 14 Produktkategorien einen Reparierbarkeitsindex eingeführt, der eine Einstufung aufgrund von Herstellerangaben ermöglicht und beim Verkauf der Produkte angezeigt werden muss. Eine Bewertung gibt es unter anderem für Rasenmäher, Waschmaschinen und Fernseher – auf den Smartphone-Index und seine Unzulänglichkeiten waren wir im Reparatur-Artikel bereits eingegangen. Das neue deutsche „Eco Rating“ wurde in der ct-Nummer 5/2022 auf Herz und Nieren geprüft. Der Index sammele viele sinnvolle Informationen über die Geräte, sei aber nicht zu Ende geführt: „Viel fehlt nicht zu einem brauchbaren Rating, das eine wirkliche Hilfe bei der Kaufentscheidung wäre.“ Dem Fachmagazin fehlt es an Transparenz bei der Bewertung und an einer Verpflichtung für alle Hersteller, teilzunehmen.

Dass das deutsche Label eine Initiative der Mobilfunkprovider ist, nährt den Verdacht, dass es dabei eher um Greenwashing als um ein Umdenken geht. Die ct ist jedenfalls überzeugt, „dass es ein EU-weites, von der Politik vorgegebenes, verbindliches Rating braucht“. Gewiss, für international vermarktete Produkte ist ein supranationales Bewertungssystem wünschenswert. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass EU-Direktiven oft lange Verhandlungen bedeuten, die zu Lösungen des kleinsten gemeinsamen Nenners führen und mit großzügigen Umsetzungsfristen und Ausnahmeregelungen ausgestattet werden. Die Umsetzung der digitalen Verbraucherschutzdirektive in Luxemburg macht jedenfalls wenig Mut: So wurden Empfehlungen und Warnungen der Verbraucherschutzorganisation ULC weitgehend ignoriert – mit der Begründung, die „ökonomische Vorsicht“ gebiete es, nicht über die in der Mehrheit der EU-Staaten vorgesehenen Standards hinauszugehen.

Reparieren: schwierig, 
aber teuer

Statt auf Normen setzt die luxemburgische Regierung eher auf die Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten beim Reparieren und Wiederverwerten. Das soll in den Ressourcenzentren, wie die Recyclingzentren künftig heißen sollen, umgesetzt werden, erläuterte Paul Rasqué, Conseiller im Umweltministerium, bei der Veranstaltung am Mittwoch. Dort können wiederverwendbare Elektrogeräte „in die Wirtschaftskreisläufe zurückgeführt“ werden – unter anderen über Betriebe der „économie sociale“, also Beschäftigungsinitiativen und ähnliche Strukturen. Am Ende sollen die überholten Geräte wie Neugeräte in den Handel kommen – oder verschenkt werden.

Was das eigentliche Thema der Reparatur ohne Umweg über die Entsorgung angeht, so hatte der Mouvement écologique Marie Hervier-Collas von der Agence de la transition écologique (Ademe) eingeladen, um die französische Herangehensweise vorzustellen. Den deutschen Blickwinkel präsentierte Christine Ax vom Runden Tisch Reparatur in Berlin (die Videoaufzeichnung ist demnächst auf dem Youtube-Kanal der NGO abspielbar). Ax betonte unter anderem, dass Reparieren und Wiederverwenden ein wichtiger Teil der Idee der Kreislaufwirtschaft sei, dass man sich diese jedoch nicht als ökonomisches Modell, sondern als umfassende „Kreislaufgesellschaft“ vorzustellen habe. Was Luxemburg angeht, so stand die Herausforderung der hohen Löhne im Vordergrund, die kosteneffektiven Reparaturzyklen im Wege steht und kaum durch ein Trostpflaster wie eine Mehrwertsteuersenkung zu kompensieren ist.

Wird das „Recht auf Reparatur“ demnächst eine Realität im Alltag der Menschen? Oder ist es eher ein Modebegriff, der in der Trickkiste des Greenwashing endet, wie es zuvor dem Wort Kreislaufwirtschaft widerfahren ist. Doch auch die Fokussierung auf Reparatur an sich ist nicht unbedenklich, denn sie droht, andere Bereiche auszublenden. Wie grün zum Beispiel ein Handy ist, misst sich nicht nur an seiner Reparierbarkeit, sondern auch an der Produktpflege, an seiner Ökobilanz bei der Herstellung und über den gesamten Lebenszyklus sowie, nicht zuletzt, an der Fairness, also den sozialen Umständen seiner Produktion und Reparatur.


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