Naturschutz: Zurück zum Beton

Umweltminister Serge Wilmes (CSV) will mit seiner Reform des Naturschutzgesetzes für schnelleren Wohnbau sorgen. Konzepte wie „Natur auf Zeit“ könnten jedoch vor allem dazu führen, dass der Verlust der Biodiversität beschleunigt wird.

„Mit diesem Gesetzesprojekt wollen wir das Leben mit der Natur stärken. Mehr Naturschutz über Land. Mehr Natur in unseren Dörfern und Städten. Und gleichzeitig mehr Wohnungen. Alles geht Hand in Hand.“ Mit diesen Worten wird Wilmes in der Pressemitteilung zu seinem ersten großen Gesetzesprojekt zitiert. Im Vordergrund des Projektes steht der Bürokratieabbau, der Artenschutz wirkt wie ein Nebengedanke.

Die Reform ist aus der Regierungsarbeitsgruppe für die administrative Vereinfachung im Wohnungsbau hervorgegangen. Das Gesetzesprojekt wurde am 2. Oktober vom Regierungsrat gutgeheißen, am 16. Oktober landete es im Parlament – und am vergangenen Mittwoch stellte Wilmes es der Presse vor, wobei seine Pressekonferenz davon überschattet wurde, dass Premierminister Luc Frieden (CSV) sich gleichzeitig zum Ausgang der US-Wahlen ausdrücken wollte. Neben schnellerem Bauen soll das Gesetz für mehr Grünflächen im urbanen Raum sorgen und im Sinne des „Nature Restoration Law“ die Schaffung und Restaurierung von Biotopen und Habitaten beschleunigen. Die vorige Regierung hatte zwar ebenfalls mit Reformarbeiten an dem Naturschutzgesetz begonnen, CSV und DP haben jedoch beschlossen, ihr eigenes Gesetzesprojekt zu schreiben.

Natur auf Zeit, Kompensation für immer

Wichtigstes Element des neuen Projektes ist das Konzept „Natur auf Zeit“. Auf Flächen, die innerhalb des Bauperimeters liegen – oder bald darin klassiert werden sollen – sollen damit keine Kompensationsmaßnahmen mehr anfallen. Die waren bisher nötig, wenn eine Fläche brachliegen gelassen wurde und darauf spontan Vegetation entstand. Bis zu 15 Jahre können Grundbesitzer*innen warten, bis sie mit dem Bauen anfangen. Dafür dürfen Bäume und Sträucher aber nicht zwischen März und Oktober entfernt werden. Für andere Biotope als Laubbaumbestände und Hecken gilt die „Natur auf Zeit“-Ausnahme übrigens nicht. Ob die Möglichkeit, Flächen im Bauperimeter länger brachliegen zu lassen, tatsächlich zu schnellerem Bauen oder doch nur zu weniger administrativem Aufwand führt, ist fraglich.

Als Kompensierung für die Einführung dieser Maßnahme müssen die Gemeinden künftig auf ihren Bebauungsplänen für neue Wohnviertel und öffentliche Gebäude mindestens zehn Prozent Grünflächen vorsehen. Diese Vorschrift zu mehr Grün im urbanen Raum kommt jedoch unabhängig davon, ob „Natur auf Zeit“ innerhalb der Gemeinde genutzt wird oder nicht.

Unklar ist bisher auch, wie mit „Natur auf Zeit“ dafür gesorgt werden soll, dass etwa auf EU-Ebene geschützte Arten nicht Opfer des Baggers werden, sollten sie sich in den urbanen Brachflächen ansiedeln. Will man zwischen März und Oktober Bäume auf einer Brachfläche fällen, braucht man – Stichwort Bürokratieabbau – eine Genehmigung und muss beweisen, dass sich keine geschützten Arten dort aufhalten, während dies außerhalb der „Reproduktionsperiode“ egal ist. Zumindest für Arten, die ein großes Jagdhabitat haben, hat sich Wilmes etwas einfallen lassen: die „Ein für alle Mal“-Kompensierung. Auf Kosten des Staates sollen auf staatlichen Flächen Kompensationspläne realisiert werden. Die sehen auf jeden Fall vor, dass auf diesen Flächen keine Pestizide verwendet werden. Welche anderen Maßnahmen ergriffen werden, darüber bleibt der Text sehr vage. Die Ausgleichspläne umfassten „spezifische Maßnahmen, Strukturen oder Biotope, um reduzierte, beeinträchtigte oder zerstörte Lebensräume wiederherzustellen und einen günstigen Erhaltungszustand der Zielarten zu erreichen“, heißt es im Gesetzesprojekt.

Mit der „Ein für alle Mal“-Kompensierung will die Regierung Kompensationsmaßnahmen für andere Bauflächen, auf denen diese geschützten Arten vorkommen, abschaffen. Visiert sind Arten wie der Rotmilan oder Fledermäuse. Letztere waren dem Premierminister ja bereits im Wahlkampf ein Dorn im Auge. Durch die staatliche Kompensierung werden Naturschutzkosten externalisiert und von der Allgemeinheit bezahlt, während private Investor*innen in den Wohnbau noch höhere Gewinne einstecken können. Wie wirksam diese Maßnahmen für den Artenschutz sind, bleibt fraglich. Immerhin soll das alle fünf Jahre überprüft werden.

Die Reform sieht noch mehr vor: So sollen Gemeinden Kompensationspools für ihre eigenen Bauprojekte schaffen können und es soll leichter werden, Straßenbäume zu ersetzen. Sicher ist auch, dass das Gesetzesvorhaben für viel Diskussion sorgen wird. Déi Gréng nannten das Gesetzesprojekt eine „Scheinlösung, die Natur und Gesellschaft teuer zu stehen kommen könnte.“ Auch der Mouvement écologique hat für nächsten Montag eine Pressekonferenz angekündigt.


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