#NotMyAriel oder #NotMyBond heißt es etwa, wenn sich Fans an der Besetzung bestimmter Filme stören. Diese Reaktionen haben mehr mit Rassismus zu tun, als man annehmen könnte.

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Seit vor drei Wochen offiziell bekannt wurde, dass Ariel im Disney-Remake von „Die kleine Meerjungfrau“ von der schwarzen Schauspielerin Halle Bailey gespielt werden soll, ist die Aufregung groß. Als respektlos gegenüber dem Original oder gar als Zerstörung einer Figur beziehungsweise Kindheitserinnerung wird die Entscheidung von vielen bezeichnet.
Manche reagieren negativ auf solche Ankündigungen, weil sie das Gefühl haben, es nicht mehr mit derselben Figur zu tun zu haben, wenn diese anders aussieht. Hier fragt sich, wie groß die Veränderung sein kann, wenn doch der Handlungsablauf sowie die Charakterzüge der Figur unverändert bleiben. Dass eine ursprünglich weiße Figur in einem Remake schwarz ist, bedeutet immerhin nur in den seltensten Fällen, dass dieses Schwarzsein auch thematisiert wird oder auch nur den geringsten Einfluss auf die Handlung hat.
Auffällig ist, dass manche, die sich vehement auf den Respekt vorm Original berufen, dieses gar nicht zu kennen scheinen. Im Falle der kleinen Meerjungfrau beruht der Disneyfilm nämlich auf einem 1836 publizierten Volksmärchen von Hans Christian Andersen. Darin ging es um eine Meerjungfrau, die als seelenloses Wesen dazu verdammt ist, sich nach ihrem Tod in Meeresschaum aufzulösen. Sie hofft, durch die Liebe eines menschlichen Prinzen eine Seele zu erlangen. Als ihr das nicht gelingt, bringt sie sich um.
Auch wenn Andersen Ariel als weiß und blauäugig beschrieb, so handelte es sich, davon abgesehen, in vielerlei Hinsicht um eine andere Figur als im Disneyfilm. Wem es also um diese spezifische Interpretation geht, sollte darauf achten, nicht fälschlicherweise vom „Original“ zu sprechen. Verfilmungen weichen häufig von der Buch- oder Comicvorlage ab, doch wird in solchen Fällen selten davon gesprochen, dass damit Figuren oder Kindheitserinnerungen verdorben worden seien. Gewisse Variationen werden meist nicht nur hingenommen, sondern sogar begrüßt.
Weiße Menschen sind daran gewöhnt, dass die absolute Mehrzahl künstlerischer Produktionen für sie gemacht wurde und von Menschen handelt, die aussehen wie sie.
Manchmal geht es aber gar nicht ums Original, sondern um die Vorstellung, die sich die Leser*innen von einer Figur gemacht haben, unabhängig von der Beschreibung. In „The Hunger Games“ von Autorin Suzanne Collins wird die Hautfarbe von Katniss Everdeen als olivfarben beschrieben. Während niemand sich an dem Umstand störte, dass die Rolle von einer weißen Schauspielerin gespielt wurde, stieß die Besetzung von Amandla Stenberg als Rue auf große Empörung. Dies obwohl eine schwarze Schauspielerin eine Figur verkörperte, deren Haut in einem der Bücher als „dark brown“ beschrieben wird. An diesem Beispiel zeigt sich, dass das Festhalten an weißer Hautfarbe weit über den Wunsch einer getreuen Wiedergabe hinausgeht.
Weiße Menschen sind daran gewöhnt, dass die absolute Mehrzahl künstlerischer Produktionen für sie gemacht wurde und von Menschen handelt, die aussehen wie sie. Die Vorstellung, dass weiß und heterosexuell die Norm sind und alles andere Abweichungen davon, die spezifisch motiviert sein müssen, wurde während einem Jahrhundert in Filmen immer wieder aufs Neue reproduziert.
Die mehr als nötige Diversifizierung dieser Repräsentationen empfinden daher viele so, als werde ihnen etwas weggenommen. Dabei stand ihnen die übermäßige Repräsentativität, gegen die nun allmählich angekämpft wird, von vorneherein nie zu.