Spezialurlaub nun auch für die Betreuung von Behinderten und Senior*innen

Selbstständige und Angestellte im Privatsektor dürfen ab sofort bezahlten Urlaub aus familiären Gründen beantragen, wenn sie behinderte Erwachsene oder Senior*innen im eigenen Haushalt betreuen. Eine wichtige Initiative der Regierung, die allerdings ein paar Schwächen aufweist.

Das Familienministerium greift Selbstständigen und Arbeitnehmer*innen aus dem Privatsektor unter die Arme, die während der sanitären Krise Erwachsene mit Behinderung oder Senior*innen im eigenen Haushalt betreuen müssen: Sie können ab sofort bezahlten Urlaub aus familiären Gründen beantragen. Die Maßnahme ist angesichts der Tatsache, dass Luxemburg sich in Woche Vier des Lockdowns befindet, längst überfällig und wichtig. Bisher mussten sich die Betroffenen zur Betreuung ihrer Familienmitglieder oder Mitbewohner*innen regulären Urlaub nehmen. Die Bedingungen, die die Antragssteller*innen erfüllen müssen, sind jedoch teilweise bedenklich.

„Die meisten Strukturen für Menschen mit einer Behinderung und ältere Menschen, mit Ausnahme von Wohnstrukturen, mussten im Rahmen der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ihre Türen schließen“, erklärt das Ministerium in einer Pressemitteilung zum Thema. „Dazu gehören insbesondere Betreuungs- und Tagesstätten, Ausbildungs- und Arbeitseinrichtungen.“ Die betreffenden Strukturen müssen dem Ministerium die Einstellung ihrer Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Krisenzustand mitgeteilt haben, damit die Antragssteller*innen die erste Bedingung für den bezahlten Urlaub aus familiären Gründen beanspruchen können.

Des weiteren müssen sie garantieren, dass sie die Pflege der Betroffenen übernehmen. Dabei darf sich weder die Pflegenden selbst noch ein anderes Mitglied aus dem Haushalt während des Zeitraums, für den der Urlaub beantragt wird, in Kurzarbeit befinden – und dies ist eine Klausel, die gleich mehrere Fragen aufwirft. Wer sagt, dass sich potentiell alle Mitglieder des Haushalts, sprich gerade die, die sich in Kurzarbeit befinden, um die hilfebedürftige Person kümmern können? Zumal die Betreuung einer Person mit Behinderung oder pflegebedürftiger Senior*innen zum Teil bestimmte Vorkenntnisse benötigt. Obliegt es dem Staat zu entscheiden, wie sich die betroffenen Haushalte und Familien organisieren? Eine weitere Einschränkung ist die, dass sich die Mitglieder eines Haushalts die bezahlte Urlaubszeit zwar aufteilen, sie aber nicht gleichzeitig beanspruchen können. Ob die Pflegenden sich täglich, stündlich oder wöchentlich abwechseln können, wird in dem Zusammenhang nicht präzisiert. Es ist zu hoffen, dass ähnliche Konditionen gelten wie die bei der Betreuung von Kindern in Quarantäne. Dort ist die flexible Zeitgestaltung der Erziehungsberechtigten möglich.

Haushalte, denen andere Betreuungsstrukturen, wie etwa Pflegedienste, zur Verfügung stehen, haben kein Anrecht auf die bezahlten Urlaubstage. Auch darüber lässt sich streiten – immerhin würde eine Ausweitung des Anrechts auf die Maßnahme die mobilen Hilfsstrukturen entlasten. Was es bei der Antragsstellung noch zu berücksichtigen gilt: Die Dauer des Urlaubs darf die des Krisenzustands nicht überschreiten und endet vor Ende des selbigen, falls die zuständige Struktur ihre Türen bis dahin wieder geöffnet hat. Wer den bezahlten Urlaub beantragen möchte, muss beim zuständigen Ministerium eine Bescheinigung über die Notwendigkeit des Urlaubs beantragen, der gegebenenfalls dem oder der Arbeitgeber*in sowie der CNS weitergeschickt werden muss. Staatsbeamt*innen können derweil eine Befreiung vom Dienst anfordern.

Das Formular zur Antragsstellung gibt es hier zum Download. Weitere ausführliche Informationen zur Prozedur gibt es auf der Website des Ministeriums für Familie, Integration und die Großregion.


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