Theater: Grenzerfahrungen

Grenzgänger*innen sind aus der Luxemburger Arbeitswelt nicht wegzudenken. Schätzungen nach werden sie im Jahr 2060 die Zahl der ortsansässigen Arbeitnehmer*innen übertreffen. Das Theaterprojekt „Les frontalières“ beleuchtet den weiblichen Teil dieser demografischen Gruppe.

Nach monatelangen Verschiebungen erblickt das dokumentarische Spektakel „Les frontalières“ am 31. Januar das Licht der Welt. (Foto: Patrick Galbats)

Sie kommen aus Frankreich, Belgien, Deutschland, reisen tagtäglich über Landesgrenzen, manche von ihnen verbringen viele Stunden die Woche im Stau. In Umfragen werden sie vornehmlich mit finanziellem Reichtum assoziiert, punktuell aber auch mit kultureller und sozialer Bereicherung für das Großherzogtum.

Die Rede ist natürlich von Menschen, die in Luxemburg arbeiten, ihren Wohnsitz jedoch in einem der Nachbarländer haben. Pauschal werden sie oft „d’Frontalieren“ genannt, was den Eindruck erweckt, es handele sich hier um eine homogene Gruppe. Dabei versteckt sich hinter jeder einzelnen Person eine individuelle Lebensgeschichte.

Rund zwei Drittel der in Luxemburg arbeitenden Grenzgänger*innen sind Männer. Das hat die Regisseurin Sophie Langevin dazu veranlasst, gerade das sich in der Minderheit befindende Geschlecht ins Zentrum eines Projekts zu stellen. Für „Les frontalières“ hat sie mit rund 40 Grenzgängerinnen gesprochen, sie bezüglich ihres Alltags und ihrer Motivation, im Großherzogtum zu arbeiten, befragt. Die Themenschwerpunkte arbeitete sie zusammen mit Christophe Sohn, Forscher am Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (Liser), aus: Was bedeutet es für Sie „Frontalière“ zu sein? Wie ist Ihre Haltung bezüglich Integration am Arbeitsplatz? Wie organisieren Sie Ihr Familienleben? Was Langevin insbesondere interessierte, waren die Fragen nach der Identität: Wie lebt es sich zwischen den Grenzen, Kulturen und Nationalitäten? Wo und wann erleben die Betroffenen ein Zugehörigkeitsgefühl?

Auf der Basis dieser Erlebnisberichte hat Langevin das dokumentarische Theaterstück „Les Fontalières“ konzipiert. Neben persönlichen Aspekten kommen darin auch ökonomische, urbanistische und soziopolitische Fragestellungen zur Sprache. Ursprünglich für Juni 2020, dann für Anfang Januar 2021 geplant, aufgrund der Corona-Pandemie jedoch beide Male verschoben, erblickt das Werk nun endlich am 31. dieses Monats das Licht der Welt. Im Anschluss an die Vorstellung um 14.30 Uhr findet ein Rundtischgespräch mit Grenzgängerinnen statt.

Die Geschichten der Interviewten werden stellvertretend von den Schauspielerinnen Aude-Laurence Biver, Bach-Lan Lê-Bà Thi, Nora Koenig und Andrea Quirbach verkörpert. „Les frontalières est une sorte d’autopsie de cet échange frontalier à travers l’intime de celles qui le construisent et le nourissent pour apprendre et comprendre ce que ces personnes vivent et apportent aux « terrains » qu’elles occupent“, heißt es im Beschreibungstext des Events.

Der Aspekt Grenzarbeit hat das Projekt längst nicht nur inhaltlich beeinflusst. Monatelang hatte das Team, das zum Teil selbst aus Grenzgänger*innen besteht, sich wegen geschlossener Grenzen nicht treffen können. Der Vorstellungstermin um 17 Uhr musste durch einen um 14.30 Uhr ergänzt werden, um in Frankreich lebenden Zuschauer*innen eine Heimkehr vor der dort geltenden Ausgangssperre ab 18 Uhr zu gewährleisten. Angesichts der pandemiebedingt ungewissen Lage wurde in den vergangenen Monaten zudem eine auditive Version des Projekts ausgearbeitet. Sie wird im Frühjahr auf RTL-Radio zu hören sein.

Das Event findet anlässlich des 40. Geburtstags der Association de soutien au travailleurs immigrés (Asti) statt. Letztere hatte bereits am 13. Januar Wissenschaftler*innen, Arbeitgeber*innen sowie Langevin selbst zu einer auf Youtube und Facebook verfügbaren Podiumsdiskussion eingeladen. Eine Übersicht der in diesem Kontext vorgestellten Statistiken und Studien zum Thema Grenzarbeit finden Sie in unserem Online-Artikel „Grenzgänger*innen in Luxemburg: Zunehmend erforscht“.

Les frontalières. Am 31. Januar um 
14.30 und 17 Uhr im Escher Theater.
Am 24. Februar um 20 Uhr im 
Grand Théâtre.

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