Tierschutz: Wem gehtʼs an den Pelzkragen?

Die EU-Kommission schlägt neue Maßnahmen zum Tierschutz vor, vertagt jedoch unter anderem die Entscheidung über das Verbot von Pelzzuchtfarmen. Ist das ernst gemeinte Tierschutzpolitik?

Die EU-Kommission muss erst prüfen, ob in Europa auch weiterhin Tiere zur bloßen Pelzproduktion gezüchtet und gehalten werden dürfen. (Copyright: Dzīvnieku brīvība, CC BY 2.0 Deed)

Eine Nachricht, die zum Jahreswechsel unterging: Die EU-Kommission veröffentlichte Anfang Dezember ihre Reaktion auf die erfolgreiche Bürger*inneninitiative „Fur Free Europe“, die ein EU-weites Pelzfarm- und Handelsverbot von Produkten aus der Pelztierzucht fordert. Der Umgang mit der Bürger*inneninitiative enttarnt, wie heuchlerisch die europäische Tierschutzpolitik eigentlich ist.

Über eine Million Menschen haben die Initiative unterstützt und die EU-Kommission somit gezwungen, sich mit der Forderung zu beschäftigen. Doch statt dem Willen der Bürger*innen nachzukommen und die betroffenen Tiere schnellstmöglich zu schützen, will diese nun zuerst „sorgfältig“ prüfen, ob ein Verbot überhaupt nötig und umsetzbar ist. Auch soll analysiert werden, wie es um das Wohlbefinden der Tiere auf Pelzzuchtfarmen steht. Als wäre das ein großes Geheimnis … Die Kommission hat jedenfalls die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Esfa) damit beauftragt.

Die Esfa soll sich bei ihrer Recherche auf Tiere konzentrieren, die exklusiv zur Pelzzucht gehalten werden: Nerze, Füchse, Marderhunde und Chinchillas. Ein Verbot der Pelztierzucht oder zumindest strengere Reglungen sind unter anderem deshalb dringlich, weil zurzeit keine EU-Gesetzgebung besteht, die Tiere auf Pelzfarmen schützt. Hier greifen lediglich allgemeine EU-Reglungen zum Schutz von Nutztieren. Nach jenen müssen gewisse Mindeststandards beachtet werden, wie etwa die artgerechte Haltung und Fütterung.

Im Anschluss der Recherchen der Esfa will die Kommission für jede Spezies einzeln abwägen, ob ein Pelzzucht- und Handelsverbot sich anbietet – aber auch das natürlich erst nach Ablauf einer unbestimmten Übergangsphase. Ohnehin hat die EU-Kommission es nicht eilig, Pelzfarmen zu verbieten: Die Esfa liefert ihre Ergebnisse im März 2025, die Kommission gibt sich ein weiteres Jahr Zeit zur Entscheidungsfindung. Derweil werden munter weiter Tiere zur Pelzproduktion gehäutet und getötet – und das in 1.000 aktiven Pelzzuchtfarmen in Europa. Dort befinden sich laut EU-Kommission derzeit rund 7.7 Millionen Tiere.

Das Tierwohl wird bei der Entscheidungsfindung eine marginale Rolle spielen.

In der Zwischenzeit ergreift die Kommission verschiedene Maßnahmen, von denen nur die geplanten Vor-Ort-Besuche in Pelztierfarmen zur Prüfung bestehender Gesundheitskontrollen den Tieren zugutekommen dürften. Daneben stehen die mögliche Überarbeitung der Textilkennzeichnungsverordnung und die mögliche Aufnahme des Amerikanischen Nerzes in die Liste invasiver gebietsfremder Arten in Europa an.

Zur Besänftigung betont die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zur Bürger*inneninitiative, dass die Pelztierzucht in 17 Mitgliedstaaten bereits ganz – hierzu zählt Luxemburg – oder teilweise verboten sei. Jedoch werde die Meinung vertreten, ein EU-weites Verbot der Pelztierzucht sei unverhältnismäßig und wirke sich negativ auf die Wirtschaft ländlicher, schwacher Gemeinschaften aus. Welche Lobbyist*innen das behaupten, erklärt die EU-Kommission nicht.

Und auch an anderer Stelle rückt das Tierwohl in den Hintergrund, denn dort heißt es: „Außerdem müssen weitere Faktoren wie internationale Handelsregeln in die Überlegungen über ein Vertriebsverbot für Zuchtpelze einbezogen werden.“ Schön und gut also, dass sich die EU-Kommission mit dem Thema auseinandersetzt, aber genauso offensichtlich ist es, dass das Tierwohl, um das es hier eigentlich gehen sollte, bei der Entscheidungsfindung eine marginale Rolle spielt. Wie so oft dominieren stattdessen Wirtschaftsinteressen und die festgefahrene Weltsicht, nach der die systematische Ermordung von Tieren unvermeidbar ist.


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