Verkehrswende: Elektrisch im Stau

Dieser Tage wird das höchste Fest Luxemburgs begangen: Das Autofestival. Ein guter Anlass, um den Stand der Verkehrswende zu analysieren.

Unbenutzte Elektro-Ladesäulen werden wohl immer seltener werden. Vor allem bei Firmen- und Dienstwagen steigt der Anteil der Elektroautos stark. (Foto: CC BY-SA 4.0 GilPe/Wikimedia)

Eine Verkehrswende mit einer CSV-DP-Regierung? Zumindest wenn man das Koalitionsabkommen liest und der neuen Mobilitätsministerin Yuriko Backes zuhört, könnte man davon ausgehen, dass die Mobilitätspläne der vorherigen Regierung weiter umgesetzt werden: Ausbau des Tramnetzes, Verbesserungen bei der Eisenbahn, mehr Fahrradwege und Förderung der aktiven Mobilität. Der Teufel steckt jedoch im Detail: Die Regierung will auch jede Menge neuer Straßen bauen. Im Interview mit RTL stellte Backes sogar infrage, ob die dritte Spur der A3 wirklich wie geplant ausschließlich für Busse und (durch Carsharing) stark besetzte PKWs reserviert werden soll. Das ist nicht gerade ein Anreiz, weniger mit dem Auto zu fahren oder es gar zu verkaufen – im Gegenteil.

Neu, aber nicht nachhaltig

Seit dem 20. Januar und noch bis zum 3. Februar läuft das Autofestival in Luxemburg. Zum 60. Mal werden PKWs zu besonders guten Preisen feilgeboten. Womöglich mit ein Grund – neben dem doch immer noch hohen Wohlstand und vielen Dienstwagen –, warum der Luxemburger Automobilpark so jung ist wie in sonst kaum einem Land: durchschnittliches Alter eines PKW sind 7,8 Jahre. Laut Eurostat sind ein Fünftel der in Luxemburg immatrikulierten Fahrzeuge weniger als zwei Jahre alt. Das liegt allerdings auch daran, dass sehr viele Autos geleast und Beschäftigten als Dienstwagen zu Verfügung gestellt werden: etwas mehr als zehn Prozent. Rund ein Drittel der 2022 neu immatrikulierten Fahrzeuge waren Leasingfahrzeuge.

Das bedeutet jedoch mitnichten, dass die Luxemburger Fahrzeugflotte besonders sparsam oder gar ökologisch wäre. Elektroautos – inklusive solcher mit Hybridantrieben – machen aktuell 8,5 Prozent des Fuhrparks im Großherzogtum aus. Allerdings machten 2023 rein elektrisch betriebene PKWs bereits 22,4 Prozent der Neuzulassungen aus, wie die Société nationale de circulation automobile (SNCA) im Vorfeld des Autofestivals mitteilte. Gemeinsam mit Plug-in-Hybriden – Fahrzeuge, die sowohl mit fossilem Kraftstoff als auch über die Steckdose betankt werden können – machten sie letztes Jahr etwa ein Drittel der neu angemeldeten Fahrzeuge in Luxemburg aus. Zum Vergleich: Nur noch 15 Prozent der Neuzulassungen waren reine Dieselautos. Zehn Jahre zuvor waren es noch 72 Prozent. Eine Evolution, bei der das Großherzogtum auch mehr und mehr andere europäische Länder abhängt. Das Verbrennerland Deutschland war 2022 mit 17,5 Prozent Elektro-Neuzulassungen noch vor Luxemburg, 2023 dann jedoch nicht mehr.

Elektro-Dienstwagen

Das mag verwundern. In dem Jahr, in dem Déi Gréng von neun auf vier Sitze abgestürzt sind, wurden mehr Elektroautos gekauft als je zuvor. Abgesehen davon, dass in Luxemburg wesentlich mehr Menschen Fahrzeuge kaufen als bei den Parlamentswahlen zur Urne schreiten können, sind es oft überhaupt keine Menschen, die Autos kaufen. Ein Großteil der neuen Elektroautos wurde von Firmen gekauft. Sie machten 76,5 Prozent der neu angemeldeten Fahrzeuge im dritten Trimester 2023 aus. Das gab die Chambre de commerce in einer kürzlich erschienenen Ausgabe ihrer Publikation „Actualité et tendances“, die sich ganz der Elektromobilität widmet, an. Es sind also vor allem Firmen, die die Elektrifizierung des Fuhrparks in Luxemburg vorantreiben. Lange Zeit lag der Anteil der Elektroautos bei Firmen und Privatpersonen ungefähr gleichauf. Entkoppelt hat er sich erst Ende 2021. Seitdem liegt der Anteil der Elektroautos bei Neuzulassungen von Privaten bei etwa 15 Prozent, während er bei Firmen Ende des letzten Jahres auf knapp über 30 Prozent angestiegen ist.

Grund dafür ist die Steuerpolitik. Der Betrag des sogenannten geldwerten Vorteils („avantage en nature“), der zum Bruttolohn hinzugerechnet wird, beträgt seit dem 1. Januar für ein Elektroauto je nach Verbrauch 0,5 oder 0,6 Prozent, während er für Autos mit Verbrennermotoren bis zu 1,8 Prozent betragen kann. Wer seinen Angestellten also eine Diesel-Drecksschleuder mit hohem Verbrauch least, legt ihnen ein steuerliches Kuckucksei. Das hat wohl viele Firmen (oder Manager*innen, die über ihren eigenen Dienstwagen entscheiden) überzeugt, auf Elektromobilität umzusteigen.

Dem Mouvement écologique geht die bisherige gesetzliche Regelung jedoch nicht weit genug. In einer Pressemitteilung zum Autofestival regt die Umwelt-NGO dazu an, das Dienstwagenprivileg zu überdenken. Die Regierung solle die „avantage en nature“ für Autos mit Verbrennermotoren komplett abschaffen und sie nur noch „besonders effizienten E-Autos“ gewähren. Sollte das juristisch nicht machbar sein, müsste der Steuersatz für Verbrennungsmotoren höher angesetzt werden, „um einen wirklich abschreckenden Charakter zu haben“. Der Mouvement fordert daneben auch eine soziale Deckelung der Förderung für Elektroautos. Wer sich ein Auto im Wert von 60.000 Euro leisten könne, könne dies sicherlich auch ohne Förderung vom Staat, so der Méco. Wer trotzdem Förderung wolle, könne ja auf preisgünstigere und effizientere Modelle zurückgreifen.

Wobei das bei vielen Käufer*innen ohnehin der Fall sein dürfte: Bei zehn Prozent der Elektroautos in Luxemburg handelt es sich um Fiat 500e-Modelle. Das ist laut der unabhängigen Vergleichsseite oekotopten.lu eins der sparsamsten Elektroautos, die aktuell auf dem Markt sind. Fahrzeuge deutscher Hersteller (Audi, BMW, Mercedes, Porsche und Volkswagen), die den gesamten Automarkt mit 42 Prozent dominieren, machen im Elektrosegment lediglich 23 Prozent aus. Dort ist die erfolgreichste Marke mit 16,5 Prozent Tesla. Deren „Model 3“ ist zwar auch ziemlich weit oben auf Oekotopten, kostet jedoch deutlich mehr als der kleinere Fiat.

Zwei Jahre geleast … und dann?

(Fotocredit: CC-BY Lamiot/Wikimedia)

Neben gezielteren Förderungen will der Mouvement auch ein sogenanntes Malus-System, wie es in Frankreich, den Niederlanden und in der Wallonie existiert. Dabei werden Neuzulassungen von Verbrennerautos je nach Emissionswert mit einer Abgabe belastet. Je höher der CO2-Ausstoß pro Kilometer, umso mehr muss man zahlen. Während ein Kleinwagen mit niedrigem Verbrauch lediglich 50 Euro CO2-Malus kostet, müssen Käufer*innen von SUVs des Typs „Straßenpanzer“ mehrere tausend Euro zusätzlich auf den Tisch legen. Daneben spricht sich der Mouvement für ein „soziales Leasing“ aus, wie es seit Anfang dieses Jahres bereits in Frankreich existiert. Dort können Menschen, die nicht viel verdienen und auf ein Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen, ein Elektroauto für 100 Euro im Monat leasen. Im Hexagon wird dieses System dieses Jahr mit 20.000 Autos getestet. Auch in Luxemburg wurde diese Idee bereits angedacht, wie das Lëtzebuerger Land Anfang Januar berichtete: Zuerst im April 2023 im Vorprojekt des neuen nationalen Energie- und Klimaplans, dann im Wahlprogramm von Déi Gréng und am 3. Januar 2024 schließlich von CSV-Umweltminister Serge Wilmes im Interview mit dem Tageblatt. Für das diesjährige Autofestival hat die CSV-DP-Regierung jedoch lediglich das bestehende Beihilfensystem verlängert. Überdenken will man es trotzdem, und das schon Mitte des Jahres.

In ihrer oben genannten Publikation zur Elektromobilität gibt die Chambre de commerce zu bedenken, dass beinahe die Hälfte (47 Prozent) der Elektroautos, die aktuell in Luxemburg fahren, geleast sind. Das heißt aber auch, dass diese Fahrzeuge nach wenigen Jahren wieder ausgewechselt werden. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt haben Elektrofahrzeuge es allerdings nicht leicht. Europaweit sind weniger als 1 Prozent aller verkauften Gebrauchtwagen Elektroautos, wie das Onlinemagazin Euractiv Mitte Januar berichtete. Gründe dafür sind neben den höheren Preisen die allgemeinen Vorbehalte gegenüber Elektrofahrzeugen wie mangelnde Ladeinfrastrukturen und Reichweite. Ein Faktor könnte laut Euractiv-Bericht auch die Größe sein: Auf dem Gebrauchtwagenmarkt werden vorrangig kleinere, billigere Autos gesucht. Elektroautos seien aber häufig im Premium-Segment angesiedelt und somit größer und teurer.

Große Lücke zwischen Labor und Realität

Planmäßig ist in der EU mit dem Verkauf von Verbrennerautos ab 2035 Schluss. Auch wenn Deutschland eine Hintertür für sogenannte E-Fuels in die EU-Regeln hineinverhandelt hat: Diese angeblichen Alternativen sind so ineffizient und damit teuer, dass sie vermutlich niemand tanken will. Luxemburg hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Hälfte des Fuhrparks rein elektrisch zu haben. Allerdings könnten auch die EU-Regeln noch einmal gekippt werden. Ein geleaktes Wahlprogramm der Europäischen Volksparteien (EVP) zu denen auch die CSV gehört, das Euractiv vorliegt, verspricht einen Kulturkampf: „Eine Verbotspolitik – wie das Verbot von Verbrennungsmotoren – lehnen wir ab und werden sie auch so schnell wie möglich überarbeiten“, heißt es dort.

Ein beliebtes Argument für Verbrennungsmotoren ist deren angeblich steigende Effizienz. Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofes, der am vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde, widerlegt dies allerdings. Die tatsächlichen Emissionen konventioneller PKWs seien nicht zurückgegangen, sondern die meisten Autos auf Europas Straßen stießen „trotz hochgesteckter Ziele und strenger Anforderungen“ immer noch so viel CO2 aus wie vor zwölf Jahren. Bei Dieselmotoren sei der CO2-Ausstoß gleich geblieben, bei Benzinmotoren nur leicht zurückgegangen. Die Fortschritte bei der Effizienz seien durch höhere Leistung und größeres Fahrzeuggewicht aufgefressen worden. Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht ebenfalls, dass Plug-in-Hybride bis 2025 wie Elektroautos als „emissionsarme Fahrzeuge“ behandelt würden. Das spiegele jedoch nicht die Emissionsrealität wider. Allein im Jahr 2020 hätten die Autohersteller in der EU durch dieses Schlupfloch 13 Milliarden Euro gespart, die sie eigentlich für die Überschreitung von Emissionswerten hätten zahlen müssen, so der Rechnungshofbericht.

Seit 2021 müssen in der EU verkaufte Fahrzeuge automatisch den Kraftstoffverbrauch ermitteln. Diese Informationen werden von den Herstellern bei standardmäßigen Wartungen (alle 15.000 bis 30.000 gefahrene Kilometer) oder aus der Ferne ausgelesen und an die EU-Kommission weitergeleitet. Eine vorläufige Analyse der Daten ergab, dass es immer noch große Differenzen zwischen Laborwerten und praktischem Fahrbetrieb gibt. Bei Dieselmotoren betrug die Differenz 18,1 Prozent, bei Benzinmotoren 23,7 Prozent und bei Plug-in-Hybriden 250 (!) Prozent. Eine erschreckend hohe Zahl, die die neue Regierung in Überlegungen für Förderungen und Steuervorteile beim Autokauf einbeziehen sollte.

Inwiefern sich die Regierung überhaupt noch eine recht teure Förderungspolitik leisten kann oder will, ist ohnehin fragwürdig. Nicht nur, dass Finanzminister Gilles Roth (CSV) bereits angekündigt hat, den Gürtel enger schnallen zu wollen – auch die Erträge aus dem Tanktourismus werden in den nächsten Jahren vermutlich mehr und mehr schrumpfen, weil immer mehr Menschen auf Elektroautos setzen. Das besorgt auch die Chambre de Commerce, die als „einzig möglichen Weg“ die Reduktion staatlicher Ausgaben sieht. Vermutlich meint sie damit aber nicht die steuerlichen Vorteile für Dienstwagen.


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