Die „Rückkehr des Wolfs“ löst bei den einen Begeisterung, bei den anderen Entsetzen aus. Das muss nicht so sein.
Erwartbar war sie, die Reaktion von Jo Studer auf die Sichtung eines Wolfs am 11. Januar bei Wintger. Der Präsident der Jagdföderation warnte vor einer Verharmlosung des Raubtiers, das, so Studer gegenüber dem Luxemburger Wort, Hunden und Kindern gefährlich werden könne. Auch die Centrale paysanne zeigte sich wenig erfreut und beklagte die unflexiblen und unzureichenden staatlichen Mechanismen zur Vorbeugung und Entschädigung. Jagd machen auf die nach Luxemburg vordringenden Wölfe wollen aber beide nicht.
Im EU-Vergleich erscheint die Haltung der hiesigen Wolfsskep- tiker*innen eher gemäßigt. So verabschiedete die Agrarkommission des Europaparlaments vergangene Woche einen Resolutionsentwurf, der fordert, den Schutzstatus des Wolfs aufzuweichen. Derzeit ist im Rahmen der Habitat-Richtlinie fast überall in Europa der Abschuss von Wölfen grundsätzlich verboten. Im Resolutionsentwurf wird unter anderem auf den „günstigen Erhaltungszustand“ der Wolfspopulationen in vielen Regionen hingewiesen, in denen deshalb eine Bejagung zwecks Bestandsregelung ermöglicht werden sollte. Der Text argumentiert auch, die Begleitmaßnahmen, insbesondere die Entschädigungen, hätten sich als unzureichend erwiesen, deshalb gefährde die Zunahme der Wolfspopulation das Überleben der Weidewirtschaft. Der Resolutionsentwurf wird von der Agrarlobby begrüßt; manche, wie die Lobbyistin Michèle Boudoin, gehen so weit, die Habitat-Richtlinie an sich in Frage zu stellen, angesichts der Wolfs-„Bevölkerungsexplosion“, die Menschen und Nutztiere bedrohe.
Solche extremen Positionen machen es den Verteidiger*innen der Wölfe einfach: Sie verweisen auf uralte, aber irrationale Ängste vor dieser vielerorts fast ausgerotteten Tierart, die mehr mit Märchen als mit der Realität zu tun haben. Doch auch an sachlichen Gegenargumenten fehlt es nicht. Die Alternative zu einer Koexistenz von gut geschützten Herden und vorsichtigen, scheuen Wolfsrudeln dürfte hinauslaufen auf wildes Abknallen, Zusammenbruch der Rudel und marodierende Einzeltiere, die eher noch mehr Schaden verursachen. Manche, wie die Tierschützerin Joanna Swabe, stellen aber auch den Bestandserhalt grundsätzlich über ökonomische Überlegungen.
In Luxemburg erhofft man sich seitens des Naturschutzes eine Begrenzung der Rehpopulation durch den Wolf, was der Naturverjüngung des Waldes zuträglich wäre. Probleme für die Weidewirtschaft werden nicht geleugnet: In der Chamber verwies Umweltministerin Carole Dieschbourg am Dienstag auf den Wolfs-Managementplan von 2017, der in Zusammenarbeit mit den Betroffenen erstellt wurde.
Zweifelhaftes Naturverständnis der einen und verkrampfter „Schutz um jeden Preis“ der anderen verstärken sich gegenseitig.
Werden bald „Wolf und Lamm beieinander weiden“, wie auf des Propheten Jesajas „neuen Erde“? Wohl kaum, denn auf beiden Seiten wird zwar fleißig argumentiert, aber wenig nach Lösungen gesucht. Beispiel Luxemburg: Wie viel taugt ein „in Zusammenarbeit mit“-Plan, wenn schon ein Wolfsfoto bei den Betroffenen Heulen und Zähneknirschen auslöst? Das zweifelhafte Naturverständnis der einen und der verkrampfte „Schutz um jeden Preis“ der anderen verstärken sich gegenseitig. Dabei müssten die sich selbst als naturnah definierenden Jäger*innen und Schafszüchter*innen es eigentlich besser wissen. Die Naturschützer*innen ihrerseits verlieren vor lauter Wolfsbegeisterung aus dem Blick, dass gerade die Schafsherden ein wichtiger Biodiversitätsfaktor sind, den es ebenfalls zu bewahren und zu fördern gilt.
Einen Lösungsansatz bietet der neue Blick auf die Landwirtschaft, die nicht nur Nahrungsmittel produzieren, sondern auch zur biologischen Vielfalt beitragen soll. Wer Weidewirtschaft betreibt, muss in diesem Sinne grundsätzlich akzeptieren, nebenbei auch Wolfsfütterung zu betreiben. Die Übergriffe auf Herden lassen sich minimieren, aber nicht ganz verhindern. Für beides braucht es eine funktionierende Unterstützung der Betroffenen, was derzeit wohl noch nicht der Fall ist. Von einem raubtierfreundlichen Grundkonsens und einer großzügigen Förderung der Weidewirtschaft würden aber eigentlich beide – Wolf und Schaf – profitieren.