Der alte „Pacte logement“ hat den Wohnungsnotstand nicht verhindert. Knapp fünf Monate bleiben um den neuen so zu gestalten, dass er hilft es in Zukunft besser zu machen.

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Ist die Bereithaltung erschwinglichen Wohnraums, eine öffentliche Aufgabe in dem Sinne, dass Staat und Gemeinden in der Pflicht stehen, solchen Wohnraum in genügendem Umfang zur Verfügung zu stellen?
Kaum eine*r würde heutzutage diese Frage mit Nein beantworten. Allerdings hielt sich die Bereitschaft der Politik, hier Hand an die Kelle zu legen bislang in Grenzen. Und nachdem Ex-Premier-Juncker das Dossier zur Chefsache erklärt hatte, um es dann doch links liegen zu lassen, und die DP in der ersten Dreierkoalition ebenfalls nur zuschaute, wie sich die Situation quasi täglich zuspitzte, soll jetzt der rot-grüne Part der zweiten Dreierkoalition die Dinge richten.
Nachdem Wohnungsbauminister Henri Kox (Déi Gréng) vergangene Woche zunächst seinen Vorschlag für die Reform des Mietvertrages vorgelegt hatte, stellte er zusammen mit Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) den „Pacte logement 2.0“ vor, der das seit 2008 geltenden Abkommen über die Bezuschussung der Gemeinden in Sachen Wohnungs- beziehungsweise Einwohnerentwicklung 2021 ablösen soll.
Während beim Mietgesetz zwar einige Verbesserungen im Sinne der Mieter*innen festgehalten wurden, alles aber irgendwie so wirkt, als sei den Reformern der Sprit auf halber Strecke ausgegangen (Teilung der Kosten der Wohnungsvermittlung, selbst wenn die Mieter*innen den Auftrag nicht erteilt haben; zwei Monate Garantiehinterlegung statt wie erhofft einem; einseitig verteiltes Risiko bei Mietklagen …), klingt der Wohnungspakt in Verbindung mit der Reform des Artikel 29 des kommunalen Bebauungsgesetzes streckenweise revolutionär – zumindest im Vergleich zu dem gesetzgeberischen Arsenal, das bislang zur Verfügung stand.
Tatsächlich sollen die Kommunen in Zukunft nicht einfach Geld aus dem Pakt bekommen, wenn sie wachsen, sondern nur dann, wenn sie „erschwinglichen“ Wohnraum ermöglichen oder sogar selber bereithalten. Der angepasste Artikel 29 erhöht dabei die Verpflichtung bei größeren Bauprojekten einen gewissen Anteil der Wohnflächen, gegen einen finanziellen Obolus, der sich an den tatsächlichen Baukosten und nicht am Spekulationszuwachs ausrichtet, abzutreten.
Galten bisher 10 Wohneinheiten als Untergrenze, soll es jetzt schon bei 5 Wohnungen losgehen, wobei die Bereitstellung der Wohnfläche für erschwinglichen Wohnraum prozentual mit der Größe des Vorhabens wächst – bis zu 30 (statt bislang 15) Prozent bei mehr als 25 Wohnungen.
Es gilt abzuwarten, ob die im Gesetzesvorschlag enthaltenen Prozentsätze nicht noch dem Eifer der Besitzstandsbewahrer zum Opfer fallen werden.
Inwiefern diese Regelung zu einer Dynamisierung führen wird, muss die Praxis zeigen. Die Innenministerin sprach von einer Verdoppelung der jährlich geschaffenen erschwinglichen Wohnungen im Vergleich zu heute. Das wäre zwar ein bedeutender Schritt, doch würden die Wartelisten der Bedürftigen dadurch noch lange nicht verschwinden. Allerdings gilt es abzuwarten, ob die im Gesetzesvorschlag enthaltenen Prozentsätze nicht noch dem Eifer der Besitzstandsbewahrer zum Opfer fallen werden.
Aber immerhin: Die Regierung macht Ernst mit dem Prinzip Sozialwohnungen nicht mehr einfach zu verkaufen. Da es gilt vor allem den Bestand an erschwinglichen Mietwohnungen zu erhöhen, sollen prioritär die Kommunen (und bei Nichtinteresse die bekannten öffentlichen Träger SNHBM) diese Wohnungen übernehmen und verwalten. Es bleibt auch die Möglichkeit sie zu veräußern, aber nur über einen „bail emphytéotique“ damit diese nach Ablauf der Vertragsdauer an den öffentlichen Träger zurückfallen.
Mit Spannung dürfen wir auch die Ausdefinierung des Begriffes „erschwinglicher Wohnraum“ erwarten, denn dadurch wird der Grad, mittels dem sich Staat oder Kommunen in dieser Frage einbringen können (oder müssen) maßgeblich mitbestimmt. Wir können uns also auf spannende fünf Monate einrichten.