Das „atlântico“-Festival ist jedes Jahr wieder Anziehungspunkt für die portugiesisch sprechende Gemeinschaft Luxemburgs – aber das Programm verdient es, dass sich auch die anderen Communities dafür interessieren sollten.
In diesem Jahr veranstaltet die Philharmonie Luxemburg zum dritten Mal das „atlântico“-Festival, das verschiedene Facetten lusophoner Musik von beiden Seiten des Atlantiks beleuchtet. So enge musikalische Beziehungen wie zwischen Portugal und seinen ehemaligen Kolonien findet man sonst nirgends im Postkolonialismus. Der Kolonialismus und die Versklavung und Verschleppung von Millionen Afrikaner*innen gehören bekanntlich zu den grauenhaftesten Kapiteln der Geschichte. Dass daraus dennoch auch etwas Wunderbares entstanden ist, verdanken wir in erster Linie der Kraft und der Kreativität der Nachkommen der Entwurzelten, die das Elend gewendet haben und aus Elementen unterschiedlicher Kulturen eigene Musikformen entwickelten, die in diesem Fall sogar in die Heimat der Kolonialisten zurückstrahlte.
Brasilien, Angola, Mosambik, aber auch die Kapverden und Guinea-Bissau waren wichtige portugiesische Kolonien. In zahlreichen Musikstilen dieser Länder, Mosambik ausgenommen, kann man eine harmonische Grundstimmung finden, wie sie auch im portugiesischen Fado anzutreffen ist. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise, dass der erst 200 Jahre alte portugiesische Fado auch auf brasilianischen Einflüssen beruht, also auch afrikanische Elemente enthält. Es kann also keineswegs darum gehen, die „Stärke der portugiesischen Kultur“ zu demonstrieren, wie das Luxemburger City Magazin behauptet. Auch heute ist es für viele Musiker*innen beiderseits des Atlantischen Ozeans selbstverständlich, mit offenen Ohren die Entwicklungen in anderen lusophonen Ländern zu verfolgen und sich inspirieren zu lassen.
Am heutigen Freitag, dem 5. Oktober wird die „atlântico“-Konzertreihe vom Meister der portugiesischen Gitarre, Pedro Caldeira Cabral, zusammen mit dem Gitarristen Joaquim António Silva eröffnet, ausnahmsweise im Centre culturel portugais. Alle anderen Konzerte finden zwischen dem 9. Oktober und 14. Oktober in der Philharmonie statt.
Am 10. Oktober spielt Vitor Ramil, ein Gitarrist aus dem Süden Brasiliens. Dort kennt man auch Klänge aus dem nahen Argentinien, wie den Milonga und den Chamamé, die in Ramils Musik einfließen. In Brasilien hat er mit allen großen Namen zusammengearbeitet, ist aber hier noch recht unbekannt. Aline Frazão, eine junge Sängerin aus Angola, mischt angolanischen Folk mit Jazz und brasilianischem Bossa Nova und wird am 11. Oktober unter anderem vom kapverdischen Perkussionisten Miroca Paris begleitet. Am 13. Oktober steht mit Tito Paris einer der Großen des beschwingten kapverdischen Coladeira-Stils auf der Bühne, der nach mehrjähriger Pause ein neues Album herausgebracht hat. Als Gast hat er die Lissabonner Sängerin Sara Tavares dabei, die ihre kapverdischen Wurzeln mit Soul verbindet. Anschließend gibt es bei freiem Eintritt eine kapverdische Party im Foyer.
Den Abschluss bildet am 14. Oktober Cristina Branco, eine der angesagten portugiesischen Sängerinnen, die mit einem Bein im Fado steht. Außerhalb der Reihe kommt am 24.3.2019 die bedeutendste, in Mosambik geborene, Fadosängerin der Gegenwart wieder in die Philharmonie. Wer sich von Marizas umwerfender Stimme nicht begeistern lässt, ist für den Fado tatsächlich nicht zu gewinnen.
Das Festival hat sich zu einem Publikumsmagnet für die lusophonen Gemeinschaften Luxemburgs entwickelt. Allen anderen Luxemburger*innen bietet sich hier die einzigartige Chance, im Sinne einer guten Nachbarschaft, mit ihnen auf bequeme Art den Atlantik musikalisch zu durchqueren und in kompakter Form das kennen und schätzen zu lernen, was viele unserer (auch) Portugiesisch sprechenden Landsleute lieben.