World Music: Im freien Fall

Am Freitagabend prallt in der Escher Kulturfabrik Tradition auf Moderne, ohne dass jedoch ein gewaltvoller Generationenkonflikt zu befürchten ist. Dies liegt dran, dass die Mitglieder der Band Altin Gün nicht mehrere, sondern nur eine gemeinsame Front bilden. Die Musiker*innen haben sich nämlich dem friedlichen Zusammenstoß von alten und neuen Musikwelten verschrieben.

Altin Gün im Konzert beim „Festival des vieilles charrues“ in 2018. (Foto: CC BY-SA 4.0 Thesupermat)

„Aus der Zeit gefallen“ kann einer von vielen möglichen Begriffen sein, der bei einer Schnellassoziationsrunde zu der Musik von Altin Gün aufkommt. Indes nicht im herkömmlichen Sinn, denn der Sound der Amsterdamer Musiker*innen hat weder etwas Altbackenes noch etwas Unzeitgemäßes. Die bunte Truppe wirkt viel eher so, als würde sie den freien Fall genießen und den strengen Grenzposten an musikalischen Epochenschwellen mit einem verträumten, milden Lächeln den Mittelfinger zeigen.

Gemäß der Übersetzung des türkischen Bandnamens, der so viel wie „Goldenes Zeitalter“ bedeutet, wird hier den Errungenschaften des türkischen Psychedelic Rock der 1960er und 1970er gehuldigt, ohne aber in Nostalgie zu verfallen, die in den Musikszenen dieser Welt allzu oft in relativ konservatives „Früher war alles besser“-Gejammer mündet. Ebenso wie ihren recht eigenwilligen und offenen Vorbildern ist den jungen Bandmitgliedern zuvorderst daran gelegen, in ihrer ganz eigenen Version von Psychedelic Folk verschiedenen musikalischen, kulturellen und historischen Einflüssen zu einem gemeinsamen Klang zu verhelfen, der sich bewusst und von einem verschmitzten Grinsen begleitet, jedweden Kategorisierungsversuchen entzieht.

Zwar liegt der Ursprung dieses Projekts auf einem spezifischen nationalen Territorium und dessen Traditionen, dennoch lastet der Band kein potenziell verklärter patriotischer Background an. Zutreffender wäre es wohl, von Respekt und künstlerisch umgesetzter interkultureller Kommunikation zu sprechen. Denn es war der niederländische Bassist Jasper Verhulst, der durch das Stöbern in einem Plattenladen in Amsterdam zufällig auf eine Scheibe von Selda Bagcan, einer Meisterin des Genres, stieß, die ihn wiederum zu Neset Ertas, einer Art türkischem Bob Dylan, führte.

Er begab sich auf dessen Spuren, lernte weitere Musiker*innen aus diesem Bereich kennen und beschloss, seine Faszination selbst künstlerisch umzusetzen. Das Resultat war die Gründung der Band Altin Gün, in der nun niederländische sowie indonesische und türkische Wurzeln seit dem ersten Album „On“ im Jahr 2018 Sorge für eine einzigartige Pflanze tragen, deren Blüten Früchte hervorbringen, die im Bereich der World Music derart überzeugen, dass Altin Gün dieses Jahr für den Grammy in dieser Kategorie nominiert war.

Vor knapp einem Jahr folgte das zweite Album „Gece“. Mit diesem tourt das Sextett, das aktuell neben dem Bassisten Verhulst aus dem Gitarristen Ben Rider, dem Drummer Nic Mauskovic, der Sängerin Merve Dasdemir, Erdinç Ecevit Yildiz (ebenfalls für Vocals, aber auch das Saxofon und die Tasten zuständig) und dem Perkussionisten Gino Groeneveld besteht.

Der Konzertabend in Esch, bei dem es wohl recht schwer werden wird, nicht tanzsportlich tätig zu werden, wird von einem DJ-Set im „Ratelach“ abgeschlossen, bei dem Mike Tock an den Turntables steht. Die Dunkelziffer jener Menschen, die aufgrund des Humors und der eklektischen Musikauswahl des Radio 100,7-Moderators schon mal riskiert haben, einen Unfall beim Autofahren oder auch schlichtem Geradeausgehen zu verursachen, wird wohl relativ hoch sein.

An diesem Freitag, dem 14. Februar um 20h in der Kufa in Esch.

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