Gloss Drop

Vor nunmehr vier Jahren erschien das wohl spektakulärste Debütalbum des 21. Jahrhunderts. Bei „Mirrored“ der New Yorker Band Battles waren sich Kritiker einig: Rock ist endlich in der Jetztzeit angekommen. Klaustrophobisch stampfend und sehr beängstigend brach die Musik wie eine Lawine über den Hörer herab. Man hatte zum ersten Mal das Gefühl, eine Band hätte es geschafft, mit klassischer Instrumentierung Computermusik zu machen. Seitdem hat Tyondai Braxton, vermeintlicher musikalischer Kopf die Band verlassen um sich auf eigene Projekte zu konzentrieren und die ganze Post-Rock-Welt stand Kopf. Was soll nun passieren? Battles ohne Braxton dürfen sich nicht mehr Battles nennen! Man erinnerte sich an die Diskussionen um Pink Floyd als Waters entschied seinen eigenen Weg zu gehen. Ein ernüchterndes Konzert auf dem diesjährigen Out of the Crowd Festival in der Escher Kulturfabrik ließ Schlechtes erahnen. Und dann noch diese Vorabsingle Ice Cream. Machen Battles jetzt auch noch Pop? Eines ist sicher: Mit dem Überraschungseffekt kann sich die Band dieses Mal nicht davonschleichen, obwohl der Einsteiger Africastle wohl damit liebäugelt. Plötzlich explodiert das Ganze, man sieht förmlich, wie die rosa Masse vom Cover durch den Raum spritzt. Aber trotzdem hört man die Unsicherheit der restlichen Mitglieder, wie sie versuchen, den Erwartungen Stand zu halten. Doch man kommt nicht umher sich an alte Don Caballero Zeiten zurückzuerinnern. Williams, Konopka und Stenier haben es glücklicherweise nicht einmal versucht, einen Vokalisten zu finden, der wie Braxton klingt. Stattdessen stiegen Gary Numan, Matias Aguayo, Kazu Makino der Band Blonde Redhead und Yamantake Eye mit an Bord. Die Titel mit den Gastsängern, die wie (un)berührte Kinder auftreten, bringen frische Energie in die Bude. Denn eines muss man Battles lassen: An Energie mangelt es wahrlich nicht. Bloß wurde sie auf diesem Album in anderen Bahnen gelockt. Wo diese Bahnen hinführen, weiß aber niemand. Auf einigen Titeln wird Spannung aufgebaut, doch einmal oben angekommen, wissen Battles oft nicht, wie sie wieder herunterkommen. Auf dem Konzert flagrant bemerkbar und der Schlüssel zum Verständnis dieser Platte, ist die Tatsache, dass es eigentlich John Staniers hämmerndes, einem Metronom ähnliches Getrommel ist, das die Musik zusammenhält. Mal sehen, was die Zukunft für eine Band bereithält, die vor einiger Zeit anscheinend letzterer so weit voraus war. „Gloss Drop“ wird wahrscheinlich für Battles das, was auch schon „A Saucerful of Secrets“ für Pink Floyd war, nämlich ein Übergangsalbum.
Tom Dockal moderiert jeden Freitag von 14 bis 16 Uhr die Sendung „Lost in Music“ auf Radio Ara. An dieser Stelle berichtet er regelmäßig über kuriose und hörenswerte Musik aus seiner Sendung.


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