SINGER-SONGWRITER: Herbstmusik

Eine passendere Jahreszeit als den Herbst hätte Singer-Songwriterin Agnes Obel für das Erscheinungsdatum ihres zweiten Studioalbums und für ihr Konzert in Luxemburg in dieser Woche nicht wählen können.

Keine leichte Muse:
Agnes Obel.

Die Musik der Dänin, die einfach, aber schön, melancholisch, aber nicht todtraurig ist, die ruhig dahinweht wie ein Herbstblatt im Wind, ist der perfekte Soundtrack zu einem entspannten Nachmittag, den man bei einer Tasse Tee zu Hause auf der Couch verbringt. Die Songtexte der Wahlberlinerin entstehen assoziativ zu den Melodien, die ihr durch den Sinn gehen, und bieten daher dem Hörer viel Raum, seinen Gedanken und Interpretationen freien Lauf zu lassen.

Dies ist wohl eine natürliche Entwicklung bei einer Künstlerin, die in einem musikalischen Haushalt aufwuchs und schon früh im Klavierunterricht die Freiheit genoss, nur die Lieder und Kompositionen zu spielen, die ihr gefielen. Es wird hieraus auch verständlich, dass Obel sich nicht auf Gesang und Klavier beschränkte, sondern noch weitere Instrumente spielen lernte und mit 17 Jahren die Schule abbrach, um sich solide Kenntnisse in Soundtechnik und Musikproduktion anzueignen.

Ihr 2010 erschienenes Debütalbum „Philharmonics“ entstand so auch fast ausschließlich in Eigenarbeit. Neben den Kompositionen und Texten selbst bestritt Agnes Obel den Gesang, das Klavierspiel, die Aufnahmen und war für die Produktion des Albums verantwortlich. Obwohl ihre Musik nicht für ein breites Publikum bestimmt war, sondern ein sehr persönliches Produkt ihrer besonderen Kreativität darstellte, hatte sie unerwarteten Erfolg. Die Deutsche Telekom geriet auf MySpace an eine Demoversion ihres Songs „Just so“, verwendete diesen in einem Werbespot und verhalf Obel so zu einem Vertrag mit einem Label, auf dem sie ihr Debütalbum veröffentlichen konnte.

Es habe sie – und auch ihr Label – sehr überrascht, dass sich ihre Musik als massentauglich erwies, so Obel in einem Interview. Neben verschiedenen dänischen und belgischen Musikpreisen schlug sich der Erfolg in unzähligen positiven Kritiken sowie den Verkaufszahlen nieder: „Philharmonics“ hat in Frankreich und Belgien Platinstatus erreicht, in Dänemark sogar den fünffachen.

Um so erstaunlicher, dass Obels Musik weder bahnbrechend neu ist noch einen Ballermann-Hit zum Mitgrölen aufweist. Vielmehr zeichnen sich ihre Lieder durch emotionale, langsame Melodien aus, die auf „Philharmonics“ fast ausschließlich von Obels schöner, teils klarer, teils rauer Stimme getragen werden. Das allgegenwärtige Klavier, das die Stimmung jedes Liedes bestimmt und aus dem Obel Inspiration für die Songtexte zieht, sieht sie als gleichwertig zu ihrem Gesang.

Ende September wurde nun der Nachfolger veröffentlicht. Sein Titel „Aventine“, Name eines der sieben römischen Hügel, wurde ähnlich wie die Songtexte Obels aus rein klangtechnischen Gründen gewählt. Auch stilistisch bleibt das Zweitwerk der Linie des Debütalbums treu. Doch überzeugt das neue Album vor allem dadurch, dass es rundum abwechslungsreicher ist. Das zeigt sich zum Beispiel an der größeren instrumentalen Bandbreite. Neben Gesang und Klavier kommen hier auch Cello und andere Streicher sowie eine auffälligere Percussion zum Einsatz. Wirkten die Songstrukturen des Vorgängers oft repetitiv, finden sich auf „Aventine“ mehr Schnörkel, was die Musik aber erstaunlicherweise nicht kitschiger, sondern spannender macht.

Das ist besonders gut in der Singleauskopplung „The Curse“ hörbar, die gleich einer Filmkomposition eine Geschichte zu erzählen scheint. Obel ist tatsächlich auch eng mit dem Film verbunden – nicht nur durch ihren Freund, ein Animationskünstler, der bei zweien ihrer Musikvideos Regie geführt hat. Auch das Albumcover, für das sie sich mit einer Eule hat fotografieren lassen, verstehen manche als eine Anspielung auf Obels Idol Alfred Hitchcock. Andere sehen nur eins: Ein schönes, ein wenig beklommen machendes Herbstmotiv für sanfte, melancholisch stimmende Herbst-
musik.

In der Rockhal, an diesem Samstag, dem 2. November.


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