Angélique Kidjo: Große Musikerin aus kleinem Land

Sie hat den afrikanischen Sound in aller Welt verbreitet. Nun bringt die Sängerin und Aktivistin Angélique Kidjo mit luxemburgischer Unterstützung ein neues Album heraus.

Angélique Kidjo hat mit ihrer Musik schon viele Grenzen gesprengt. (Foto: Wikimedia Commons)

Eine große afrikanische Musikerin hat soeben ihre neue CD „Angélique Kidjo sings“ herausgebracht, begleitet wird sie auf ihr vom Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL). Angélique Kidjo ist eine der wenigen KünstlerInnen aus Afrika, die es geschafft haben, einen Bekanntheitsgrad zu erreichen, der über den Kreis der eingefleischten Afro-/Weltmusikfans hinausreicht – bei ihr ist das schon seit Jahrzehnten so. Zwei Grammies für Weltmusik für ihr Album „Djin Djin“ (2007) und ganz aktuell für „Eve“ (2014) zeugen davon. Bemerkenswert in ihrer Musik ist sowohl die stilistische Bandbreite als auch die stete Präsenz der afrikanischen Roots. Manch anderer Musiker, der mit Jazz, Pop, Funk, HipHop experimentiert, lässt seine musikalischen Wurzeln irgendwann hinter sich. Angélique Kidjo bleibt immer Afrikanerin.

Sie stammt aus Benin, einem kleinen Land zwischen Nigeria im Osten und Togo und Ghana im Westen. Die Musik Benins ist von zahlreichen Stilen beeinflusst. Aus der traditionellen Richtung kommt die Musik des Voodoo oder Vodun, der von Afrika durch Verschleppung von Sklaven in die Karibik, speziell nach Haiti, und auch nach Brasilien gelangt ist. Voodoo ist eine alte Religion, die in Benin neben Christentum und Islam einen offiziellen Status besitzt. Vor allem die Polyrhythmik der Musik, die die Zeremonien des Voodoo begleiten, ist auch in der moderne Musik Benins wiederzufinden. Musik aus Brasilien ist in Benin ebenfalls präsent, denn dort gibt es Bevölkerungsgruppen, die von Brasilianern abstammen. Nach der Abschaffung der Sklaverei in Brasilien Ende des 19. Jahrhunderts kehrte eine Reihe von Afrobrasilianern auf den Kontinent ihrer Vorfahren zurück, unter anderem nach Benin. Auch aus anderen Ländern Afrikas gelangte Musik nach Benin, wie der ghanaische und nigerianische Highlife, der aus ihm entstandene Afrobeat und die Rumba aus dem Congo. In den späten 1960er Jahren wurden die Musiker in fast ganz Afrika, so auch in Benin, von der schwarzen Musik aus den USA, von Soul und Funk infiziert. Angélique Kidjos Jugendfavoriten waren James Brown und Aretha Franklin. Kein Wunder, dass daraus eine ganz besondere Musikmischung in diesem kleinen Land entstand, die jedoch über die Landesgrenzen kaum hinauskam. In den letzten Jahren gab es aber eine Reihe von Wiederveröffentlichungen von Schallplatten aus den 1960er und 1970er Jahren auf CD von spezialisierten Labels wie Analog Africa, Popular African Music und Soundway. Dort kann man die Großen Benins hören: Gnonnas Pedro, El Rego, Les Super Borgou de Parakou und vor allem das Orchestre Polyrythmo de Cotonou, das vor einigen Jahren wieder zusammenfand und ins Studio ging.

Zwischen Voodoo und Afrobeat.

In diesem Orchester sang auch die junge Angélique Kidjo. Diese musikalische Prägung durch ihre Heimat ist bei ihr bis heute zu spüren. In der biographischen Beziehung zu ihrer Heimat gibt es jedoch einen Bruch: Als junge Frau muss sie Benin verlassen. 1972 putschen Militärs und etablieren ein Regime, das sich auf den Marxismus-Leninismus beruft. Zwar kann Kidjo mit ihrer ersten Schallplatte 1980 einen Erfolg in Westafrika verbuchen, doch will sie sich nicht dem Druck der Regierung unterwerfen, Loblieder auf die Herrschenden zu singen: Sie muss für sechs Jahre ins Exil nach Frankreich. Dort beginnt sie zunächst ein Jurastudium, da ihr durch ihr eigenes Schicksal der Schutz der Menschenrechte ein besonderes Anliegen wird. Schließlich entscheidet sie sich für ein Jazzstudium, das sie mit schlechtbezahlten Aushilfsjobs finanziert. Sie trifft auf den niederländischen Jazzer Jasper van t`Hoff, der mit seiner Guppe „Pili Pili“ offen für Weltmusik ist, und singt bei einigen Plattenaufnahmen der Band.

1989 schließlich veröffentlicht sie ihr erstes internationales Soloalbum „Parakou“. Es wird in Paris mit modernster Studiotechnik produziert. Das zweite Album „Logozo“ (1991) enthält das tanzanische Lied „Malaika“, das durch Miriam Makeba weltbekannt wurde und Kidjo die verdiente Anerkennung verschafft. Einen Hit enthält dann aber das folgende Album „Ayé“ von 1994. Der Track „Agolo“ erreicht, wenn auch eher im unteren Mittelfeld, die Popcharts in vielen Ländern. Das ist bemerkenswert, denn Kidjo rutscht hier keineswegs in einen seichten Hitparadenstil ab. Zwischen 1998 und 2004 veröffentlicht sie drei Alben („Oremi“, „Black Ivory Soul“, „Oyaya!“), die die Beziehung zwischen afrikanischer und lateinamerikanischer Musik ausloten. 2007 erhält die CD „Djin Djin“ einen Grammy, ebenso wie vor wenigen Monaten das Album „Eve“.

Exiltrauma

Kidjo hat mit zahlreichen bekannten Musikerinnen und Musikern von Weltmusik bis Jazz und Pop (Carlos Santana, Peter Gabriel, Branford Marsalis, Manu Dibango) zusammengearbeitet und ebenso Cover-Versionen von Stücken aus anderen Musikrichtungen aufgenommen (u.a. Voodoo Chile – bei ihr heißt es Voodoo Child – von Jimi Hendrix, Summertime von Gershwin). Nie aber hat sie dabei ihre musikalische Identität oder ihre Verwurzelung in der Musik Benins verloren.

Die schmerzvollen Erfahrungen im erzwungenen Exil prägen sie bis heute persönlich und als Künstlerin. In einem Interview mit dem britischen Songlines-Magazin beschreibt sie die Rolle der traditionellen Sänger in Westafrika, die ihren Zuhörern historische und aktuelle politische Informationen vermitteln. In dieser Rolle sieht auch sie sich. Sie engagiert sich bei Unicef und Oxfam, setzt sich für Flüchtlinge und ein Verbot der Mädchen-Beschneidung ein, kämpft gegen die Benachteiligung von Frauen und betreibt ihre eigene NGO „Batonga“, die die schulische Bildung von Mädchen fördert. Das Album „Eve“ aus dem letzten Jahr ist den Frauen Afrikas gewidmet.

Angélique Kidjo ist stets für Überraschungen gut. Schon auf „Eve“ ist ein Stück zu finden, das sie mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg aufgenommen hat. Nun ist mit dem OPL unter Leitung von Gast Waltzing eine ganze CD erschienen. Das neue Album „Angélique Kidjo sings“ enthält im Wesentlichen Neuinterpretationen alter Stücke, aber auch zwei bisher unveröffentlichte Songs. Wer die ursprünglichen Aufnahmen in anderer Instrumentierung kennt, kann vergleichen. Vor allem „Malaika“, und auch „Kelele“ überraschen positiv. Das Orchester transportiert die Stimmung und trägt die Stimme Kidjos wirklich gut. Andere Stücke, wie „Samba Pa Ti“, „Bahia“ und vor allem „Ominira“ sind zu „schön“, zu orchestral, enthalten zu wenig Voodoo. Das bisher unveröffentlichte „Otishe“ ist aber eine wirkliche Perle. Mein persönliches Fazit: Für einen alten Kidjo- und Afrika-„Fan“ist das Album eher durchwachsen. Aber vielleicht kann es Hörern, die von der klassischen Musik kommen, einen Zugang zur Musik Kidjos öffnen.

Am 15.4. (22.00 – 23.30 Uhr) bei „Mondophon“ auf Radio ARA (103, 4 und 105,2 MHz). Thema: Musik aus Benin und von Angélique Kidjo sowie Weltmusik aus Deutschland


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