Millionen Menschen schauen gerade in diesem Augenblick fern. Tagtäglich schalten sie die Flimmerkiste ein. Stundenlang sitzen sie vor dem Bildschirm und vergessen dabei Raum und Zeit. Genau das hat der Künstler Olivier Culmann fotografisch festgehalten und zwar aus der Perspektive des Fernsehgerätes sowie aus dem Blickwinkel der Zuschauer. Seine Fotos sind unter dem Titel „Télé-Spectateurs“ im Schloss in Clervaux ausgestellt. Im Anhang an die dortige Dauerausstellung „The Family of Man“ werden Culmanns Fotos in einem kleinen dunklen Raum als Endlos-Schleife an eine Leinwand projeziert.
Nimmt man auf einem der beiden Samtsessel Platz, wird man selbst zu dem, was man sieht: Zuschauer, Fernsehzuschauer. Gelangweilte Gesichter oder fassungslose Mimiken, sitzend oder liegend, ausgestreckt oder zusammengerollt – sieht man auf der Leinwand. Zusammen mit der Familie, dem Haustier oder einem Freund schauen sie fern; der Apparat steht im Wohnzimmer, in der Küche oder im Schlafzimmer. Die Dekoration des Hintergrundes, gewisse Gegenstände und Kleidung verraten, dass es sich um Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten handelt, die sich verschiedene Programme anschauen. Eine Sache jedoch haben alle Protagonisten gemeinsam: Sie nehmen nur noch Information auf und lassen alles andere stehen und liegen. Ihre Konzentration gilt voll und ganz dem audiovisuellen Medium.
Nachdem die Endlos-Schleife wieder von vorne beginnt, ertappt man sich selbst dabei auf eine Fernbedienung drücken zu wollen um weiter zu zappen. In diesem Moment realisiert man, wie sehr einen das „Fern sehen“ doch geprägt hat. Aus unserer heutigen Konsumgesellschaft ist es nicht mehr wegzudenken und dadurch, dass die Fernsehzuschauer es konsumieren, sind sie bewusst oder unbewusst Teil eines Systems. Werbeaufträge, Zuschauerquoten, Machtspiele und Sendezeiten regieren das Programm – nichts bleibt dem Zufall überlassen. Selbst die freie Wahl des Zuschauers durch die Fernsehkanäle zu zappen wird für Wahrscheinlichkeitsstatistiken verwendet.
Auch sehr wahrscheinlich ist, dass die Ausstellung die Besucher bzw. die Zuschauer dazu verleitet, sich mit der Bedeutung dieses allgegenwärtigen Mediums kritisch auseinanderzusetzten. Denn allein schon der Anblick der in Trance gefallenen Menschen zeigt, in welch passivem Zustand sich die Zuschauer befinden. Sie konsumieren das, was ihnen aufgetischt wird: „fein“ ausgewählte und „frische“ Information, direkt aus der Bildröhre. Die Gewohnheit und die Selbstverständlichkeit, diese Information so aufnahmefertig hingestellt zu bekommen ist Alltag geworden. TV-Junkies können dem nur zustimmen und werden mit dem Besuch der Ausstellung sicher auf ihre Kosten kommen. Wirklich sehenswerte Fotos, im wahrsten Sinne des Wortes.
„Télé-Spectateurs“, noch bis zum
13. September im Schloss in Clervaux zu sehen. ?
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