Das Gesetz zur Abtreibung steht kurz vor der Verabschiedung. Doch nicht nur, dass Vater Staat weiterhin „Herr“ über die Bäuche der Frauen bleiben will – auch die politische Transparenz lässt zu wünschen übrig.
3.253 Unterschriften wurden diese Woche vom Kollektiv „Si, je veux – Für das Selbstbestimmungsrecht der Frau“ dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer überreicht. 3.253 Frauen und Männer hatten sich dem Kollektiv angeschlossen, um gegen das von Justizminister François Biltgen vorgelegte konservative Gesetzesprojekt 6103, das das Abtreibungsgesetz-Gesetz von 1978 reformieren soll, zu votieren.
Ziel der Petition ist es, die Abgeordneten in dem nun anstehenden Entscheidungsprozess zur Opposition gegen das Gesetzesprojekt der CSV-Regierung aufzurufen. Auch sieht sich das Kollektiv in seinen Forderungen durch die Stellungnahme des Staatsrates bestärkt, der moniert, dass das Gesetzesprojekt die veränderten sozialen Realitäten nicht beachtet. So weist dieser darauf hin, dass es heute häufig soziale Bedingungen sind, die Frauen dazu bringen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Hier empfiehlt der Staatsrat: „Plutôt que recourir à la pénalisation de l`IVG, il serait opportun de faire évoluer les conditions sociales.“
Aber nicht die sozialen Bedingungen und ihr Stellenwert sind das Hauptproblem an dem Gesetzesentwurf. Das eigentlich Problematische liegt darin, dass es hier schlicht um Machteinfluss geht: Denn nicht nur werden durch die vorgesehene Zwangsberatung Frauen als potentiell verantwortungslos, unwissend und unmündig gebrandmarkt, während es für Männer in keinem Zusammenhang einen vergleichbaren Zwang gibt. Auch die Entscheidung einer Frau, tatsächlich keine Kinder zu wollen, ist in dem CSV-Reformprojekt kein gültiges, rechtlich erhebliches, Argument. Es muss immer eine Notlage vorliegen, damit den Frauen das gesetzliche und vor allem moralische Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch zugestanden wird. Alle Frauen werden so als potentielle Mütter betrachtet. Doch aufgrund wovon maßt sich der Staat das Recht an, juristisch über die persönlichen Gesundheitsbelange eines Individuums zu urteilen – und Frauen per se als zu schützende Mütter zu definieren? Die psychologische Zurechtbiegung von Frauen zu aufopfernden Müttern kam bisher noch jedem Staate zugute. Schließlich obliegt den Frauen die Verantwortung der demografischen Zukunft der Nation. Wäre es hier nicht längst an der Zeit, die gesellschaftliche Konstruktion von Mütterlichkeit und Väterlichkeit zu hinterfragen? Und den Schwangerschaftsabbruch als das anzuerkennen, was er ist: Nämlich ein Teil des Lebens. Und nicht weniger.
Dass das Ganze dabei anders gehandhabt werden kann, zeigen Beispiele im Ausland, etwa in Kanada. Die Abtreibung wird hier als eine normale ärztliche Behandlung angesehen, bei der keine gesetzliche Einmischung erfolgt. Im CSV-Gesetzesprojekt unterliegt die Abtreibung jedoch weiterhin dem Strafrecht und wird vor der „Commission juridique“ verhandelt statt vor der Gesundheitskommission.
Bedenklich ist zudem, dass das Gesetzesprojekt, welches noch nicht rechtskräftig ist – und zu dem der Staatsrat eine formelle Opposition angekündigt hat – vom Familienminis-terium wie eine bereits beschlossene Sache gehandhabt wird: So wurden drei Vereinigungen, das „Planning Familial“, die „Initiativ Liewens-ufank“ und das Familljen-Center als potentielle „Centres de consultation et d`information familiale agréés“ vom Ministerium zur praktischen Ausarbeitung des Gesetzes eingeladen. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage: Hat die Abgeordnetenkammer nur noch ein Scheinrecht? Die CSV-Regierung jedenfalls hinterlässt den Eindruck sich intern schon für ihr eigenes Modell entschieden zu haben. Denn wie sonst wäre zu erklären, dass das Familienministerium sich kürzlich nur noch in Deutschland, wo es eine verpflichtende Beratung gibt, umgeschaut hat – statt die Zeit zu nutzen, sich ergebnisoffen über alle möglichen internationalen Handlungsweisen zu informieren. Es ist deshalb höchste Zeit, dass sich weitere Frauen und Männer gegen das CSV-Gesetzes-projekt positionieren.