Mit etwas über 5.000 Studierenden hat die Luxemburger Uni ihr Plansoll erreicht.
Sieben Jahre nach der förmlichen Gründung der „Université de Luxembourg“ weist der universitäre Betrieb schon fast so etwas wie Routine aus, dabei war die Idee der Schaffung einer Volluni noch bis in die späten 90er Jahre hinein mehr als umstritten. Es ist deshalb sicherlich etwas mehr als der übliche professionelle Zweckoptimismus, wenn Professor Rolf Tarrach, der Rektor der Luxemburger Uni, über eine besondere Zahl ins Schwärmen gerät: Im Wintersemester 2010-2011 sind erstmals mehr als 5.000 StudentInnen an der Luxemburger eingeschrieben – eine Zahl, die darauf hindeutet, dass das Planziel von 5.400 Studierenden für das Jahr 2013, also die Endphase des laufenden Vierjahresplans, problemlos erreicht werden kann. „Wir werden 2013 zwischen 5.500 und 6.000 Studenten zählen“, rechnet Tarrach vor.
Von den drei Fakultäten der Luxemburger Uni – Faculté des Sciences, de la Technologie et de la Communication (FSTC); Faculté de Droit, d`Economie et de Finance (FDEF) und Faculté des Lettres, des Sciences Humaines, des Arts et des Sciences de l`Education (FLSHASE) – verzeichnet die Rechtsfakultät als größte Untereinheit auch zugleich die größte Zuwachsrate. Sie zählt nunmehr 2.157 Studierende und ist damit um fast ein Zehntel gewachsen. Halb so groß ist der Zuwachs bei den Wissenschaften, die genau fünf Prozent zugelegt haben und 1.057 StudentInnen verzeichnen. Die zweitgrößte Fakultät, die der Humanwissenschaften, die auch die Erziehungswissenschaften umfasst, ist um lediglich 1,7 Prozent gewachsen. Insgesamt studieren also im Wintersemester 5.019 Personen an den drei Unistandorten Luxemburgs, was ein Plus von 5,7 Prozent gegenüber dem Stand vom Wintersemester 2009-2010 ausmacht.
Grund der Zufriedenheit des Uni-Chefs ist allerdings nicht so sehr die Zahl der Studierenden im Ganzen, die ja auch dadurch zustande kommt, dass es immer mehr StudentInnen an der Luxemburger Uni gibt, die für ihren Bachelor-Abschluss etwas länger brauchen. Sondern es ist der überdurchschnittliche Zuwachs bei den oberen Studiengängen – also den Mas-teranwärterInnen und Doktoranden. Denn das eigentliche wissenschaftliche Arbeiten beginnt erst nach dem Bachelorabschluss – so will es die Bologna-Regelung, die fast zeitgleich mit der Gründung der Luxemburger Uni in Kraft trat. „Wir sind eine Forschungsuniversität und wollen es in zunehmendem Grade sein“ ? für Rolf Tarrach ist demnach der Bachelor-Überhang nur ein vorübergehendes Phänomen. Ein Indiz hierfür: Allein im laufenden Jahr werden voraussichtlich 40 Promotionsverfahren abgeschlossen werden.
843 MasterstudentInnen – ein Plus von 14,7 Prozent – haben sich im Oktober 2010 an der Universität Luxemburg eingeschrieben. Die Zahl der Doktoranden ist um mehr als ein Drittel auf 320 gestiegen. Damit erreicht der „Bolognamix“, also die Relation der MasterstudentInnen und Doktoranden zu den Bachelor-Aspiranten rund 27 Prozent. Das von der Universität Luxemburg für 2013 gesteckte Ziel von 37 Prozent scheint demnach erreichbar. In dieser Berechnung nicht mit einbezogen sind die „Sonstigen Studiengänge“ – sie umfassen rund 804 Personen – 6,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Mit diesem Begriff sind eine Reihe von Aus- und Fortbildungen gemeint, die die Universität im Auftrag von Ministerien oder bestimmten Berufsgruppen durchführt.
Die wissenschaftliche Fakultät FSTC kommt dem angepeilten Bologna-Indikator am nächsten: 31,7% der StudentInnen sind hier in Masterstudiengängen oder als Doktoranden eingeschrieben. Die Zahl der Doktoranden ist zwar „nur“ um 16,6 Prozent auf 139 Personen gewachsen, doch ist ihr prozentualer Anteil in dieser Fakultät seit jeher überdurchschnittlich gewesen. Bemerkenswert ist hingegen der Zuwachs bei den Mastern, der im Vergleich zum Vorjahr bei über einem Drittel liegt.
Verhältnismäßig am wenigsten Doktor-AnwärterInnen gibt es in der Rechts-Fakultät FDEF. Gerade einmal 63 Juristen bzw. WirtschaftsstudentInnen wollen in den nächsten Jahren promovieren. Tarrach erklärt dies mit der hohen Attraktivität der entsprechenden Bachelor- oder Masterabschlüsse für den Arbeitsmarkt: „Da ist ein Doktor-Titel nicht unbedingt notwendig, um an einen gut bezahlten Job zu kommen.“ Allerdings scheint die Krise diese überall auf der Welt zu beobachtende Disposition ein wenig zu schwächen, denn im Vorjahr gab es nur 39 FDEF-StudentInnen, die sich für eine Verlängerung ihres Studiums entschieden – der Zuwachs beträgt demnach 61,5 Prozent.
Eine wirkliche ? jedenfalls weitgehende ? Stagnation ist dagegen bei der FLSHASE zu bemerken. Die gesamte Fakultät ist nur um 1,7 Prozent gewachsen, die Zahl der Bachelors sogar nur um 0,7 Prozent. Allerdings liegt der Bologna-Mix mit 118 Doktoranden – einem Plus von immerhin 29,7 Prozent – dennoch höher als bei der Rechts- und Wirtschaftsfakultät. Noch vor einigen Jahren hatte der Rektor Zweifel am langfristigen Bestand der humanwissenschaftlichen Fakultät geäußert. Eine Gefahr, die er jetzt als gebannt betrachtet.
Eine Uni der Großregion
Die „Internationalisierung“ der Luxemburger Universität scheint ebenfalls an gewisse Grenzen zu stoßen. Zwar weist die Einschreibungs-Statistik Studierende aus 95 verschiedenen Ländern auf, doch bereits im letzten Jahr war die Zahl dieser anderen Nationalitäten fast genau so hoch (94).
Der Anteil der LuxemburgerInnen stieg leicht von 46,8 auf 47,4 Prozent. Dass mehr als die Hälfte der Studierenden Ausländer sind, stellt in Europa sicherlich einen Rekord dar. Er wird allerdings durch die Tatsache relativiert, dass nur etwa 400 StudentInnen angeben, zum Zweck ihres Studiums nach Luxemburg umgezogen zu sein. Die restlichen „ausländischen“ Studierenden sind entweder in Luxemburg ansässig, oder pendeln als „frontaliers“ jeden Tag aus den Grenzregionen zur Luxemburger Uni.
Nichtsdestotrotz sind starke Zuwächse aus Frankreich und Deutschland festzustellen. Was Deutschland anbelangt, dürften es die in manchen Bundesländern stark angestiegenen Studiengebühren sein, die den Uni-Standort Luxemburg attraktiv machen. Im Falle Frankreich führt Tarrach die sozialen Unruhen als Erklärungsfaktor an: „Wenn Sie drei Monate lang keinen Unterricht gehabt haben, dann überlegen Sie sich, ob Sie woanders hingehen.“ Deutlich rückläufig ist der Anteil der portugiesischen StudentInnen. Ein Umstand, den Tarrach persönlich sehr bedauert, dessen Ursache jedoch die geringe Erfolgsquote der jungen PortugiesInnen im hiesigen Schulsystem sein dürfte.
Der Anteil der Luxemburger liegt beim Masterstudiengang bei etwa 30, bei den Doktoranden sogar bei nur 20 Prozent. Das sieht Tarrach mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Dass die meisten Luxemburger Studierenden ihren Bachelor zu Hause machen, es für den Masterabschluss, und erst recht ihren Doktortitel, aber vorziehen, ins Ausland zu gehen, ist einerseits betrüblich, entspricht andererseits aber einer der Ideen des Bolognaprozesses, der ja auf Austausch und Mobilität ausgelegt ist.
Besser wäre freilich aus dem Blickwinkel der Luxemburger Uni, wenn die hiesige Jugend ihren Bachelor im Ausland machte – quasi als „kalte Dusche“ – ,dafür aber ihre fortführenden Studien zu Hause betriebe. Im Bereich Mobilität der Studierenden besteht allerdings noch einiger Nachholbedarf. Zwar haben im letzten Jahr rund 515 Bachelor-StudentInnen im Rahmen des europäischen Erasmus-Programms zumindest ein Semester an einer ausländischen Uni verbracht und davon immerhin 60 Prozent außerhalb der Großregion, den umgekehrten Weg sind jedoch nur 115 AustauschstudentInnen gegangen.
Einen Dämpfer könnte der weiteren Entwicklung der StudentInnenzahlen allerdings eine Ende Oktober getroffene Entscheidung der Uni-Führung versetzen: In Zukunft soll durch Eignungstests ermittelt werden, ob die StudienanwärterInnen auch tatsächlich die Lehrveranstaltungen in den jeweils vorgesehenen Sprachen zu absolvieren in der Lage sind. In einer ersten Phase wird das dazu führen, dass eine gewisse Zahl von AntragstellerInnen noch vor Studienbeginn abgewiesen wird.
Ähnliches soll auch für die Lehrkräfte gelten, da Tarrach es für wichtig erachtet, am dreisprachigen Modell der Universität Luxemburg festzuhalten. Wenn Lehrkräfte die Lehrsprache nur unzureichend beherrschen, leidet darunter auch ihre Autorität. Für Tarrach stellt sich allerdings die Frage, ob die deutsche Sprache an der Luxemburger Uni längerfristig überleben wird. Das Englische dürfte sich allein wegen der Globalisierung verstärkt durchsetzen, und auch das Französische wird sich in seiner Funktion als Verwaltungs- und Rechtssprache behaupten können.