Die Pestizidfunde in europäischen Weinen können dem Menschen nicht schaden, sagt die Weinlobby. Die kritischen NGOs halten die Ende März veröffentlichte Studie dennoch für aussagekräftig.
„Es handelt sich um eine Hetzkampagne gegen europäischen Wein“, lautet der Vorwurf, den die EU-Abgeordnete Astrid Lulling in ihrer unnachahmlich empörten Manier auf ihrer Internetseite zum Ausdruck bringt. Diese Woche hat sie sich für ihre ansonsten als One-Woman-Show ausgestrahlte Dok-TV-Sendung die deutsche CDU-Politikerin Christa Klass an ihre Seite geholt. Klass ist ebenfalls Europa-Abgeordnete, Berichterstatterin im Europaparlament für die EU-Pestizid-Rahmenrichtlinie und zudem Winzerin an der Mosel. Mehr noch: Sie ist in diesem Fall eine direkt Betroffene. Denn unter den 40 Weinen, welche im März unter der Regie des „Pestizid Action Network“ (PAN) auf Pestizid-Rückstände getestet wurden, ist ein Riesling aus ihrer Kellerei dabei. Dass darin nur Rückstände von zwei verschiedenen Pflanzenschutzmitteln gefunden wurden, lässt den Wein der Mosellanerin eigentlich in einem vergleichsweise günstigen Licht erscheinen. In den meisten der 40 getesteten Weine wurden deutlich mehr Giftspuren gefunden: In einem weiteren deutschen Moselriesling wurden acht verschiedene Pestizide nachgewiesen, ebenso in einem Pomerol. Spitzenreiter in diesem nicht repräsentativen Test war ein badischer Spätburgunder, der Rückstände aus zehn Spritzmitteln aufwies.
Eine „Sauerei“, dieser grüne Populismus
Eine „Sauerei“ wettert Christa Klass indessen in der Dok-Show und nimmt wie Lulling kein Blatt vor den Mund: „Das ist nichts als grüner Populismus, die gefundenen Mengen bewegen sich allesamt weit unter dem, was erlaubt ist und was der menschlichen Gesundheit schadet.“ Darauf, dass es bislang überhaupt keine Grenzwerte für Pestizidrückstände im Wein gibt, weist indessen Eliott Cannell von PAN hin. „Unter anderem darauf wollten wir aufmerksam machen“, so Cannell gegenüber der woxx. „Wir wollten zudem zeigen, dass selbst in verarbeiteten Produkten Pestizide nachweisbar sind“, ergänzt Lisa Kernegger von der österreichischen Umweltschutzorganisation Global2000, die ebenfalls an der von PAN koordinierten Initiative teilnahm. „In Trauben findet man natürlich viel höhere Konzentrationen“, so Kernegger. Dass die im Wein gefundenen Mengen sehr gering sind, räumt die Pestizidexpertin ein. „Es besteht keine deutliche Gefahr für die Konsumenten“, betont Kernegger. „Unsere Absicht war es nicht, Panik zu verbreiten.“ Die Studie zeige jedoch auch, dass es Alternativen gebe: „Von den sechs getesteten Bioweinen wies nur ein einziger den Rückstand eines Pestizids auf“, fügt Kernegger hinzu. Dieser sei möglicherweise auf Abdriftungen von Spritzmitteln aus benachbarten Weinbergen zurückzuführen.
Darüber, dass äußerst geringe Mengen von Pestizidrückständen keine Gefahr für den Menschen darstellen, gibt es unterschiedliche Meinungen. „Es gibt durchaus Experten, die das Gegenteil behaupten“, sagt Eliott Cannell. „Deshalb müssen wir uns für hohe Standards einsetzen.“ Das tun im übrigen auch die Weinproduzenten selbst. In einer Pressemitteilung verurteilten sie Anfang April die Studienveröffentlichung als Angstmacherei, wiesen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass es im Interesse der europäischen Weinbranche sei, sich für den Rückzug von krebserregenden oder anderen gesundheitsschädlichen Pestiziden aus der Lebensmittelkette einzusetzen. „Nichts anderes wollen wir“, betont Elliott Cannell. Wir haben uns deshalb darauf beschränkt, nur die Rückstände von solchen Stoffen aufzulisten, die tatsächlich eine Gefahr für den Menschen darstellen können.“
Hier entstünde der Eindruck, dass nur europäische Weine belastet seien, so Astrid Lulling, die den Umweltschützern vorwirft, sie hätten ihre Analysen auf EU-Weine beschränkt. Ein Blick auf www.pan-europe.info belehrt jedoch eines Besseren. Getestet wurde auch ein südafrikanischer, ein australischer und ein chilenischer Wein. „Sie schnitten nicht besser ab als die europäischen“, erläutert Elliott Cannell die Resultate und betont, dass diese zusammen mit den anderen publik gemacht wurden. „Wir wollten nicht explizit den europäischen Weinbau angreifen“, so Cannell, „doch man darf auch nicht vergessen, dass dieser zwei Drittel des Weltmarktes einnimmt.“