KLIMASCHUTZ: Erneuerbare Reden

Ein neuer Anlauf in Sachen Klimapolitik wurde angekündigt. Ob dabei mehr herauskommt als vierfarbige Broschüren für alle Haushalte, ist fraglich.

Lucien Lux versuchte, beschwörende Worte zu finden: „Die Folgen des Klimawandels werden verheerend sein. Wir müssen nicht nur Politiker und Beamte, sondern alle, die etwas zum Klimaschutz beitragen können, wachrütteln.“ Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Jeannot Krecké hatte der Umweltminister am vergangenen Mittwoch zu einer Pressekonferenz über Luxemburgs künftige Klima- und Energiepolitik eingeladen. Erklärter Zweck der Veranstaltung war, einen öffentlichen Diskussionsprozess in Gang zu bringen, an dessen Ende ein neues Klimaschutzprogramm stehen soll. Vor allem Jeannot Krecké machte die Vorgängerregierung dafür verantwortlich, dass man gewissermaßen bei Null anfangen müsse: „Es gibt derzeit keine energiepolitische Strategie, weil ich bei meinem Amtsantritt keine vorgefunden habe.“ Die ihm unterstellte Energieabteilung sei unterbesetzt. An die Umweltschutzorganisationen richtete er die Bitte, etwas mehr Geduld und Nachsicht zu zeigen.

Die Bitte kam nicht von ungefähr: Zwei Tage zuvor hatten der Mouvement écologique und Interessenvertreter des Sektors der erneuerbaren Energien die Regierung scharf kritisiert. Seit Herbst 2004 warten die Handwerker und ihre potenziellen KundInnen auf neue Förderregelungen. Den im Februar vorgelegten Regierungsentwurf hatten sie mit starken Vorbehalten aufgenommen. Doch seither liegt die Angelegenheit auf Eis. „Wir werden immer wütender“, sagte Mouvement-Präsidentin Blanche Weber. Die gesamte Förderpolitik für erneuerbare Energien werde unglaubwürdig, wenn risikobereite Handwerker und interessierte BürgerInnen so im Ungewissen gelassen würden. „Wenn es in diesem Tempo weitergeht, steht der Umweltminister zur Eröffnung der Ökofoire im September mit dem Finger im Mund da.“

Bei Null anfangen

Als Antwort auf diese Vorwürfe verwiesen die beiden zuständigen Minister bei ihrer Pressekonferenz darauf, dass zurzeit der Staatsrat mit den Regelungen befasst sei. Sie hofften, die Texte möglichst schnell verabschieden zu können. Guten Willen zu zeigen und große Worte zu machen, das war schon in der vorherigen Amtsperiode das Patentrezept in Sachen Umweltpolitik. Lux versicherte, bei der Senkung des CO2-Ausstoßes in Luxemburg gebe es keine Tabus und berichtete von seinen „guten Gesprächen“ mit US-Vertretern im Rahmen der Présidence. Die offizielle Haltung des Ministeriums in Sachen Klimaschutzziel hat sich allerdings verändert. Luxs Vorgänger Charles Goerens wollte noch „versuchen“, 28 Prozent CO2 gegenüber den Emissionen von 1990 im eigenen Land einzusparen. Mittlerweile wird wie selbstverständlich auf „flexible Mechanismen“ zurückgegriffen. Ein Teil der Luxemburger Einsparungen wird in anderen Ländern erbracht werden, deren CO2-Ausstoß – und deren Lebensstandard – jetzt viel niedriger ist als unserer.

Die Verantwortung hierfür trägt allerdings in erster Linie Goerens. Er hatte zwar ein Strategiepapier mit 29 Maßnahmen zum Klimaschutz vorgelegt, es aber versäumt, verbindliche Ziele festzulegen. Demnach wurde getan „was möglich war“, und Ende 2003 festgestellt, dass es nicht reichte. Im Rahmen der EU-Verpflichtungen erarbeitete die Regierung einen Emissionsplan, der den massiven Rückgriff auf flexible Mechanismen und CO2-Zertifikate vorsieht. Dabei wurde vorgerechnet, dass es billiger sei, sich freizukaufen, als Sparmaßnahmen zu finanzieren. Was Goerens nur als Notlösung gelten lassen wollte, wurde zum Credo der Luxemburger Klimaschutzpolitik.

„Wir werden Wirtschaft und Umwelt nicht gegeneinander ausspielen“, versicherte Lux am Mittwoch. Dass die beiden LSAP-Minister besser miteinander können als seinerzeit Goerens und Henri Grethen ist ein gutes Vorzeichen für den öffentlichen Diskussionsprozess, mit dem die Klimaschutzpolitik vorangebracht werden soll. Positiv sind auch die recht erfolgreichen Bemühungen des Umweltministers, die EU auf ehrgeizige Ziele über das Kyoto-Abkommen hinaus einzuschwören. Sogar in den USA habe die Industrie begriffen, dass der Klimaschutz auch Wettbewerbsvorteile mit sich bringe, wusste Lux zu berichten. Leider scheint sich diese Einsicht bei der Luxemburger Industiellenföderation noch nicht durchgesetzt zu haben.

Luxemburgs Industrielle aber wurden von Jeannot Krecké mit Samthandschuhen angefasst. „Der Energiepreis ist eine kritische Größe. Wir brauchen vier Prozent Wachstum, also neue Investitionen. Damit sich Investitionen lohnen, darf die Energie nicht zu teuer sein“, so Krecké zur Ökosteuer-Debatte. Es gebe zwei extreme Positionen: Die Wirtschaft und die Konsumenten wollten möglichst niedrige Energiepreise, die Umweltökonomen dagegen forderten, die Umweltschäden in den Preis einzubeziehen.

Kleine Lügen

Der einst dem Mouvement nahe stehende Krecké gibt sich sichtlich Mühe, dieses Image loszuwerden. Wie ein Wirtschaftslobbyist suggeriert er, Klimaschutz sei nur ein Gefalle, den man ein paar Umweltfreunden erweise. Typisch ist auch das simplistische Argument, vier Prozent Wachstum seien nötig, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Je nachdem, welche Sektoren davon profitieren, kann Wachstum nämlich besonders energieintensiv sein … oder besonders viele Arbeitsplätze schaffen. Entscheidend ist, welchen Sachzwängen die Regierung Prorität einräumt. Statt zu fragen, wie viel Klimaschutz sich noch mit vier Prozent Wachstum verträgt, müsste man sehen, welches Wachstum klimakompatibel bleibt. Um eine Klimakatastrophe zu vermeiden, müssen bis 2050 die CO2-Emissionen in Europa um mehr als die Hälfte gesenkt werden, so die Einschätzung der Klima-ExpertInnen. Dazu hätte Luxemburg, angesichts seines europaweit höchsten Pro-Kopf-Ausstoßes, einen besonders hohen Beitrag zu leisten.

Auch Lucien Lux war sich nicht zu schade, Luxemburgs schlechte Klimaschutzbilanz mit Halbwahrheiten zu beschönigen: Das Kyoto-Rechenmodell laste ungerechterweise Luxemburg das CO2 aus dem Tanktourismus und aus der Escher Gasturbine an. Mit keinem Wort aber erwähnte er die Stromimporte – 60 Prozent des Gesamtverbrauchs – deren CO2-Gegenwert nicht Luxemburg, sondern Deutschland und Belgien angerechnet wird. Der ebenfalls anwesende Experte Dieter Ewringmann gar warnte vor einer Benzinpreiserhöhung, bei der am Ende die Luxemburger im Ausland tanken müssten. Dabei fordert selbst Greenpeace nur eine Angleichung an den Preis in den Nachbarländern. Solche unsachlichen Argumente sollen wohl dazu dienen, Luxemburgs KlimaschützerInnen ins Abseits zu drängen. Sie unterminieren aber vor allem die Glaubwürdigkeit der Regierung in Sachen Klimaschutz.


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