ZUKUNFTSFÄHIGER FLUGHAFEN: Findel in Not

Ein Hearing sollte dabei helfen, den Flughafen fit zu machen für den europäischen Wettbewerb. Es zeigte sich, dass jahrelanger Schlendrian und die Jeder-für-sich-Mentalität der Akteure nicht leicht zu überwinden sind.

„Wir sind eingekesselt von EU-Regelungen“, klagte Gilbert Meyer, Direktor der Flughafenverwaltung. Er brachte damit ein Gefühl zum Ausdruck, das viele der TeilnehmerInnen des Hearings „Fir en zukunftsfähege Findel“ am Mittwoch im Bettemburger Schloss angesichts der Veränderungen der vergangenen Jahre teilen. Immerhin war der Luxemburger Flughafen nach dem Krieg aus der Taufe gehoben worden, als die uneingeschränkte nationale Souveränität über den Luftraum noch galt. Souveränität steht hierzulande immer für wirtschaftliche Nischen – wie ein anderer Redner, Ben Van Houtte von der EU-Kommission in Erinnerung rief: Er kenne den Findel wegen der billigen Transatlantikflüge während seiner Studienzeit, so der Chef der Abteilung „Luftverkehrsmanagement und Flughäfen“. Mit seiner freundlich gemeinten Bemerkung führte er den TeilnehmerInnen vor Augen, dass das goldene Zeitalter des Findel vorbei ist: Heute sind es die Billigflieger der Nachbarn Hahn, Charleroi und Metz-Nancy, die den Findel und die nationale Fluggesellschaft in Bedrängnis bringen.

Dunkle Wolken

In dem von Transportminister Lucien Lux einberufenen Hearing sollten denn auch beide Herausforderungen angesprochen werden: der Rückgang der Konkurrenzfähigkeit des Flughafens und seine Anpassung an die EU-Sicherheits und -Wettbewerbsregeln. Die Bereitschaft der Mitgliedsländer, ihre Souveränität über den Luftraum aufzugeben, geht einerseits einher mit dem Siegeszug der neoliberalen Ideologie in Brüssel, laut der maximale Konkurrenz in einem EU-weiten „single sky“ zu maximaler Effizienz führen wird. Andererseits hat der Anschlag vom 11. September 2001 zu einem Wunsch nach mehr Sicherheit geführt – dazu gehören einheitliche Standards. Der Bereich Sicherheit zeigt beispielhaft, wie schwierig es ist, in Luxemburg nach Jahrzehnten gemütlichen Wurstelns vernünftige Regeln einzuführen. So wurde die Badge-Kontrolle von der Flughafenverwaltung an die Betreibergesellschaft Lux-Airport übertragen – dabei aber – so die Gewerkschaften – gegen das Datenschutzgesetz verstoßen. Auch die plötzliche Anwendung lange vernachlässigter Prozeduren bei der Flugsicherheit stößt bei den Fluggesellschaften auf Unverständnis – umso mehr als es innerhalb der Verwaltungen an kompetentem Personal mangelt.
Diese Aspekte hoben nacheinander die Direktoren der Flughafenverwaltung und der „Aviation civile“, Gilbert Meyer und Henri Klein hervor. Vor allem letzterer klagte, seine Aufsichtsbehörde müsse mit weniger Personal die gleiche Sicherheit und Kontrolle wie größere Länder gewährleisten. Der Eindruck, die meisten Redner würden vor allem die Interessen ihrer Verwaltung vertreten, verstärkte sich noch mit dem Beitrag von Marc Faber, Direktor von Lux-Airport SA. Diese Gesellschaft wurde gegründet, um den Bau des neuen Flughafengebäudes sowie seinen laufenden Betrieb zu übernehmen. Faber zählte die Aufgaben auf, die Lux-Airport von anderen Akteuren übernehmen möchte. Diese lange Liste reicht von der Imagepflege über den Feuerwehrdienst bis zum Kerosinlager. Es sei sinnvoll, so Faber, wenn alle „Ground services“ in einer Hand seien. Aussparen wollte er nur die kostenintensiven „Air navigation services“ wie Flugkontrolle und Wettervorhersage. Diese werden zurzeit unentgeltlich von der Flughafenverwaltung erbracht und sollten seiner Ansicht nach von einem externen Dienstleister übernommen werden.
So riskiert der Findel zum einen, mit Kontrollieren und Zertifizieren nicht nachzukommen und auf einer schwarzen Liste zu landen. Zum anderen droht die Umsetzung der EU-Regelungen, den Flugbetrieb zu verteuern. Diese verlangen nämlich Transparenz bei der Kostenberechnung, um einen fairen Wettbewerb zwischen den Flughäfen und Dienstleistern zu gewährleisten – staatliche Subventionen sind dadurch in vielen Bereichen out. Ein Kostenanstieg wäre jedoch fatal, wie Marc Faber hervorhob: „Umfragen zeigen, dass der Hauptanreiz, mehr zu reisen, niedrigere Flugpreise sind.“ In seiner Abschlussrede wollte Lucien Lux sich nicht auf eine Vereinheitlichung der „Ground services“ festlegen. Dafür rief er aber zu Geschlossenheit und Kampfgeist auf: „Wir werden nicht zusehen, wie andere Flughäfen expandieren und wir bei anderthalb Millionen Fahrgästen stehenbleiben. Das neue Terminal wurde für drei Millionen Passagiere angelegt. Es ist unsere verdammte Pflicht, diese hohen Investitionen zu rentabilisieren.“

FLUGLÄRM UND KLIMAGASE
Umwelt, was ist das?

Das Hearing „Fir en zukunftsfähege Findel“ hat Umweltfragen außen vor gelassen. Dabei müsste zuerst geklärt werden, ob ein massiver Ausbau überhaupt wünschenswert ist.

Für Lucien Lux war das Findel-Hearing ein großer Erfolg. Zum ersten Mal habe er alle Akteure zusammen gebracht, „Leute, die noch nie miteinander diskutiert haben“, so der Minister in seiner Abschlussrede. Gemeint waren die Beamten der zuständigen Verwaltungen, das Mangement von Luxair und Cargolux, GewerschafterInnen und Hobbyflieger. Nicht eingeladen waren dagegen VertreterInnen von Anrainer- und Umweltorganisationen. So, wie die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit geführt wurde, hätten sie auch nur gestört.
In den vergangenen Jahren wurde die Debatte um den Flughafen geprägt von der Frage des Mouvement écologique „Wéi e Findel fir muer?“ und von dem Konzept eines City-Flughafens. Letzeres war vom hauptstädtischen Bürgermeister Paul Helminger ins Gespräch gebracht worden. Es steht für einen Kompromiss zwischen der Notwendigkeit, als europäische Hauptstadt über einen Flughafen zu verfügen, und den Einschränkungen, die sich aus der stadtnahen Lage ergeben. Beide Ansätze blieben beim Hearing völlig außen vor. Für die TeilnehmerInnen schien das einzige Problem zu sein, wie man die EU-Klippen umschiffen könne um möglichst schnell wieder auf Expansionskurs zu kommen. Eine Grenze für das Findel-Wachstum schien es nicht zu geben.

Dröhnendes Herz

Doch die von einem Mega-Flughafen ausgehenden Umweltprobleme sind erheblich. Eine Verdoppelung der Passagierzahlen und ein Weiterwachsen beim Frachtflug bedeutet mindestens eine Verdoppelung der Flugbewegungen – und damit der Lärmbelastung. Die Frage der Nachtflüge könnte sich zuspitzen wenn, wie in Brüssel, Cargogesellschaften mehr Flexibilität fordern und damit drohen, den Standort aufzugeben. Der von Wirtschaftsminister Jeannot Krecké vorgeschlagene Ausbau des zukunftsträchtigen Logistiksektors setzt unter anderem auf den Frachtflug. Die Folgen dieser Strategie in Form von Fluglärm, LKW-Bewegungen und Impakt auf die Landesplanung wurden aber bisher noch nicht untersucht. Diese Kritik als Nimby-Reflex abzutun wäre ein Zeichen politischer Kurzsichtigkeit. Fluglärm verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten, und das Image Luxemburgs als „grünes Herz“ würde durch eine massive Verlärmung ebenfalls beeinträchtigt. Beim Hearing wurde so getan, als ob diese Fragen bereits geklärt seien. Das ist umso bemerkenswerter, als noch ein Kommodo-Verfahren für den Findel ansteht, bei dem, zumindest theoretisch, Lärmaufkommen und Flugbewegungen stark eingeschränkt werden könnten. Wie beim Kyoto-Plan und bei der Cattenom-Leitung werden die UmweltschützerInnen vor ein „fait accompli“ gestellt. Um die hohen Investitionen zu rentabilisieren, so die Argumentation von Lucien Lux, müsse man nun auch ein Passagieraufkommen von drei Millionen anstreben. Konsequenterweise müsste Lux dann auch die Nordstrecke schließen und die Autosteuern senken, um die teure „Nordstrooss“ zu amortisieren.

Unheilige Allianz

„Es ist eine Frechheit, das Wort ‚zukuftsfähig‘ zu benutzen, ohne die drei Säulen der Nachhaltigkeit einzubeziehen“, entrüstet sich Paul Ruppert vom Mouvement écologique. In der Tat steht die Besetzung des Hearings für eine Art unheilige Allianz von Wirtschaft und Gewerkschaften gegen die Umweltinteressen. Dabei hatte sich OGBL-Präsident Jean-Claude Reding in einem woxx-Interview (Nr. 794) zu einer grundsätzlichen Diskussion über einen ausgeglichenen Findel-Ausbau bereit erklärt. Er hatte ebenfalls bedauert, dass in der Diskussion um Lissabon die dritte Säule, die Ökologie, vernachlässigt werde. Die Kritik von Ruppert geht weiter: „Angesichts des Klimawandels muss man die Frage aufwerfen, ob die Luftfahrt an sich überhaupt zukunftsfähig ist.“ Der CO2-Ausstoß der Jets ist ein gewichtiger Klimakiller, auch wenn er – noch – nicht in die Kyoto-Berechnung einbezogen wird.
Doch auch dieser Sachverhalt wurde beim Hearing ausgeblendet. Ben Van Houtte von der EU-Kommission zitierte eine Studie, die von einem Wachstum des Luftverkehrs um einen Faktor 2,5 bis 2025 ausgeht. Größtes Problem in seinen Augen ist die Überlastung der Flughäfen. Um die Nutzung zu optimieren, wird daher auf Marktmechanismen gesetzt – genau das, was dem Findel derzeit zu schaffen macht.
Gewiss steht der Transportminister unter Zeit- und Entscheidungsdruck. Das Hearing ist ein erster Schritt, um die kurzfristigen strukturellen und wirtschaftlichen Probleme des Flughafens zu lösen. Doch mit Zukunftsfähigkeit hat das nichts zu tun. Dass im Transportministerium weiter ein so blinder Wachstumsglaube herrscht, ist erstaunlich. Vielleicht hätte Umweltminister Lucien Lux hier ein paar mahnende Worte gefunden. Doch Transportminister Lux hatte ihn leider zum Hearing nicht eingeladen.


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