KLIMA, ENERGIE, FRIEDEN: Bedrückende Wahrheiten

Bei der Senkung des weltweiten CO2-Ausstoßes ringt man vor allem um die Lastenverteilung. Doch ohne einen allseitigen weitgehenden Verzicht auf Erdöl drohen sogar militärische Auseinandersetzungen um Ressourcen.

Seit Monaten verkündet der US-Politiker Al Gore auf den Kinoleinwänden der Erde „eine unbequeme Wahrheit“: Die Welt erwärmt sich rapide. Vor drei Wochen ist der Bericht des Wirtschaftswissenschaftlers Nicholas Stern hinzu gekommen, der den Klima-bedingten Schaden auf bis zu 15 Prozent des weltweiten Sozialprodukts schätzt. Doch trotz Gore-Movie und Stern-Review: Eine Woche nach Abschluss der Klimakonferenz von Nairobi ist die Erderwärmung kaum mehr Thema in den Medien.

Dabei wird gerade das Gastland von den mutmaßlichen Folgen des Klimawandels hart getroffen: Nach der Dürre im Frühjahr kämpfen die KenianerInnen derzeit mit Überschwemmungen, die Menschenleben und Ernten gefährden. Doch während der Klimakonferenz auf dem eigenen Kontinent wurden die AfrikanerInnen de facto zu Zaungästen degradiert. „Alles, was die afrikanischen Staaten auf den Tisch gelegt haben, haben die Industrieländer weggewischt“, wird die Umweltschützerin Grace Akumu von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Am Ende einigten sich alle TeilnehmerInnen darauf, weiter zu verhandeln im Hinblick auf einen Ausbau des Kyoto-Protokolls, das 2012 ausläuft. Aufgrund der langen Ratifizierungszeiten müsste ein solches Post-Kyoto-Protokoll bereits 2008 zustande kommen. Doch Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien wollen über CO2-Verpflichtungen erst reden, wenn auch die USA im Kyoto-Boot sind. Das aber wird voraussichtlich nicht vor den Präsidentschaftswahlen Ende 2009 der Fall sein.

„Spektakuläre“ Einsicht

Dass er von der Nairobi-Konferenz nicht viel erwartete, hatte Umweltminister Lucien Lux bereits Anfang November deutlich gemacht: Sie werde „spektakulär-unspektakuläre Ergebnisse“ bringen. Mit „spektakulär“ war gemeint, dass die offiziellen VertreterInnen angesichts der harten Fakten der Stern-Review nicht daran vorbei kämen, die Notwendigkeit einer massiven Senkung des CO2-Ausstoßes anzuerkennen. Dabei ist es aber auch geblieben. In seiner Rede in Nairobi mahnte Lux: „Wir müssen die Diskrepanz beseitigen zwischen dem vollständigen Wissen über die Problematik, der wir gegenüber stehen, und unserer Bereitschaft, gemeinsam und konsequent zu handeln.“

Etwas verwunderlich sind die zurückhaltenden Reaktionen der Umwelt-NGOs. Als „kleinen Schritt nach vorn“ bezeichnen zum Beispiel Greenpeace und der „Worldwide Fund for Nature“ (WWF) die Nairobi-Konferenz. Doch unter dem Zweckoptimismus scheint Resignation durch. So stellt Greenpeace fest: „Die Minister versammeln sich einmal im Jahr für eine Woche zu UN-Klima-Verhandlungen. Währenddessen steigen die CO2- Emissionen täglich und das Klima verändert sich schneller denn je.“

Die Skepsis der NGOs geht nicht nur zurück auf die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, dem Klimawandel konsequent entgegen zu wirken. Es mangelt auch an der Bereitschaft, die Lasten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gerecht zu verteilen. So wurde in Nairobi gestritten über den Anpassungsfonds, der die ärmsten Länder dabei unterstützen soll, sich klimagerecht zu entwickeln. Der Vorschlag, diesen Fonds von der Weltbank verwalten zu lassen, wurde von den betroffenen Ländern abgelehnt: Die Institution mit Sitz in Washington ist als amerikahörig und neoliberal verschrieen.

Krümel für den Süden

Wirklich problematisch ist aber die Höhe der zur Verfügung gestellten Summen: Gerade mal 300 Millionen Dollar sollen bis 2012 zusammen kommen. Das ist weniger als ein Tausendstel der 450 Milliarden Dollar, also jenes einen Prozents des Welt-Sozialprodukts, die Nicholas Stern als jährliches Budget zur Vorbeugung des Klimawandels empfiehlt. Von diesem Kuchen soll also nur ein Krümel der Solidarität zugute kommen. Der Rest dürfte in den Industrieländern bleiben oder über flexible Mechanismen ausgegeben werden: Ein Staat, der einem Entwicklungsland hilft, weniger CO2 zu emittieren, darf sich diese Einsparungen auf die eigene CO2-Bilanz anrechnen. Luxemburg zum Beispiel will massiv von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, um sich an einschneidenden Maßnahmen im Inland vorbei zu mogeln. Der dem eigenen Vorteil dienende so genannte Kyoto-Fonds soll in den kommenden Jahren mit mehreren hundert Millionen Euro dotiert werden – mehr als die gesamte Staatengemeinschaft bereit ist, für ihre schwächsten Mitglieder auszugeben.

Bei den Post-Kyoto-Verhandlungen dürften die Industrieländer versuchen, einen möglichst großen Teil des mit CO2-Einsparungen verbundenen Konsumverzichts auf den Rest der Welt zu verlagern. Problematisch daran sind nicht nur das damit verbundene Gerechtigkeitsdefizit und die Gefahr, dass die CO2-Emissionen viel langsamer sinken als nötig. Eine noch erschreckendere Bedrohung geht als Konsequenz aus dem Festhalten an unserem Lebensstil hervor: Krieg!

Die Hauptmotivation für die Industrieländer, ihre CO2-Einsparungen in Grenzen zu halten, ist die zentrale Rolle der fossilen Energien in unseren Volkswirtschaften. Wenn die erneuerbaren Energiequellen nicht schneller als bisher erschlossen werden, ändert sich an dieser Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas wenig. Ob sich dann der Klimawandel verhindern lässt, ist zweifelhaft. Sicher ist aber, dass die Reserven von Kohlenwasserstoffen langsam knapp werden. Sowohl Industrieländer wie Schwellenländer werden dann mit allen Mitteln versuchen, sich den Zugang zu diesen Ressourcen zu sichern.

Krieg an der Tankstelle

„Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld“, so lautete der Titel einer Konferenz am vergangenen Montag in Luxemburg. Referent war Thomas Seifert, einer der Autoren des „Schwarzbuchs Öl“. Mit viel Zahlenmaterial belegte er, dass die fossilen Energiereserven – Kohle ausgenommen – rapide zur Neige gehen. Dann veranschaulichte er das mit Erdöl und Erdgas verbundene Konfliktpotenzial: Der Großteil der Reserven befindet sich in und um den Nahen Osten, wohingegen der Verbrauch in den USA, Europa und Teilen Asiens konzentriert ist. Die diplomatischen Initiativen Chinas in Afrika und die Aufrüstung der EU müsse man im Kontext eines „Runs“ auf diese Ressourcen sehen. Die USA hätten seit langem eine spezifische militärische Kommandostruktur für diesen Teil der Erde, die Central Command. Seifert bezeichnete sie als „globale Tankstellenwarte“. Er mutmaßte, dass es den USA nicht nur um die Sicherung des eigenen Zugangs gehe, sondern auch um die Möglichkeit, den Zugang anderer Staaten zu kontrollieren und einzuschränken.

Nach den bedrohlichen Prognosen von Nicholas Stern und den „unspektakulären“ Ergebnissen der Nairobi-Konferenz reagierte das Publikum auf diese Ausführungen erstaunlich gelassen. Erst nach mehreren technischen Fragen drückte sich die Machtlosigkeit aus, die solche Betrachtungen vermitteln: sind sich die Führungskräfte der Probleme bewusst? Warum wird nicht mehr unternommen? „Gute Frage“, meinte Thomas Seifert. Am Ende lieferte der Autor dem Publikum doch noch einen Lichtblick. Eine weitere Aufrüstung, die in einen Öl-Weltkrieg mündet, sei nicht unausweichlich. Die rezenten strategischen Manöver der USA hätten immer neue Monster hervorgebracht – Saddam, Bin Laden – und sehr viel Geld gekostet – 500 Milliarden Dollar für den Irak-Krieg. Mit dem Geld ließe sich doch bestimmt auch etwas tun in Sachen erneuerbare Energien, so Seifert.


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