CARGOLUX: Touch and go

Gehen 8.000 Arbeitsplätze beim Frachtflug verloren? Sind die Qatari an allem schuld? Und wäre eine verstaatlichte Cargolux, die die Linie Luxemburg-Näertrech bedienen würde, wirklich rentabel?

Die Globalisierung hat manchmal etwas Erfrischendes. Der raue Wind, der den Akteuren des hiesigen politischen, medialen und ökonomischen Mikrokosmos ins Gesicht bläst, entlarvt ihre Kleinkariertheit. Zwar hat Luxemburg bisher gut von der Globalisierung gelebt, doch ihre Folgeerscheinungen lösen noch immer Bestürzung und Protest aus. Bestes Beispiel ist die Diskussion über die Frachtfluggesellschaft Cargolux, die vom internationalen Handel lebt und vor einem Jahr auch ihr Aktionariat internationalisiert hat: nämlich mit dem Einstieg der Ölmonarchie Qatar.

Als es Anfang dieses Jahres darum ging, ob die Gesellschaft eine weitere Kapitalerhöhung vornehmen werde, versuchte Claude Wiseler zu beschwichtigen: Dergleichen stehe nicht auf der Tagesordnung (woxx 1156). Mittlerweile weiß man, dass Cargolux frisches Geld braucht – doch für die gute Sache darf wohl auch der Transportminister schummeln, nicht nur der Premier. Möglicherweise wird der qatarische „Partner“ der Regierung mit dem Druckmittel des Arbeitsplatzabbaus das Zugeständnis abtrotzen, ihn entgegen einer anders lautenden Vereinbarung als Mehrheitsaktionär zu akzeptieren.

Aufgelaufen ist auch Wirtschaftsminister Etienne Schneider, der kürzlich erneut den Vorschlag einer Aufhebung des Nachtflugverbots aufgriff: Er musste sich von mehreren Seiten belehren lassen, dass so etwas inakzeptabel sei – und dass das bestehende Verbot sowieso nur pro forma gilt. Parteikollege Lucien Lux, der Schneider widersprach, hatte ein paar Tage zuvor einen Runden Tisch zur Cargolux gefordert, weil es Spekulationen über die Verlagerung von 500 Arbeitsplätzen nach Singapur gab. Findet dieser aber nicht innerhalb der nächsten paar Tage statt, könnte er sich erübrigen: Am 11. Oktober trifft der Verwaltungsrat der Fluggesellschaft eventuell irreversible Entscheidungen.

Die vergangenen zwölf Monate waren auch eine spannende Zeit für die Luxemburger Presse, die sich stets um einen Ausgleich zwischen nationalen Interessen und kritischem Journalismus bemüht. Mal waren die Qatari die Feinde der luxemburgischen Nation, mal ihre Retter. Derzeit stehen die Zeichen auf Konfrontation, und die Presse vergießt Krokodilstränen über die erfolgreiche Luxemburger Firma, die von der Globalisierung ruiniert wird – doch in einer Woche könnte das wieder anders sein.

Auch die Gewerkschaften haben es schwer: So warnte der OGBL vor zwei Wochen vor Plänen zur Auslagerung der Wartungsabteilung. Die Konkurrenzgewerkschaft LCGB fragte daraufhin beim Direktor nach, bekam ein Dementi und warf dem OGBL infolgedessen Panikmache vor. Allerdings sucht die Cargolux-Leitung fieberhaft nach Möglichkeiten zur Kostensenkung, und so könnte das dementierte Outsourcing am 11. Oktober doch noch zur Debatte stehen.

Seit vergangener Woche aber scheinen alle Beteiligten richtig hoch zu pokern: Die Firmenleitung hat den Kollektivvertrag aufgekündigt, worauf der OGBL ebenfalls schweres Geschütz auffuhr: Der Staat müsse jetzt eingreifen, denn Cargolux sei ein „systemisches Unternehmen“, wird Generalsekretär André Roeltgen von Paperjam zitiert. Mit 8.000 Arbeitsplätzen im Frachtflugbereich sei es „too big to fail“. Vielleicht wird dies die Regierung dazu bewegen, noch mehr Geld in das nicht sonderlich zukunftssichere Unternehmen zu pumpen. Oder dazu, Sozialabbau zuzulassen, um Arbeitsplätze zu retten. Oder aber, letzte Möglichkeit, die Firma Cargolux, wie systemisch sie auch sein mag, den Gesetzmäßigkeiten der Globalisierung zu überlassen, wie andere vor ihr.


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