Seine Fotos zeigen eine Welt, in der das Leben den Rhythmen des „Doïna“ folgt. Was er „weit weg von unserer bequemen Sicherheit“ erlebte, erzählte uns der sozial engagierte Fotograf Patrick Galbats.
Was bedeutet „Doïna“?
Doïna ist ein rumänischer Volksgesang, der einen Seelenzustand ausdrückt, vergleichbar mit dem portugiesischen Fado oder dem Blues. Diese Musik ist sehr eng mit dem Lebensgefühl der Roma verbunden, die ich auf meinen Reisen durch Rumänien getroffen habe. Doïna ist aber auch der Name einer luxemburgischen Asbl, die sich für rumänische Kinder und Frauen in Not einsetzt. Deren Mitglieder haben mich dazu bewegt, meine Fotoarbeit in Rumänien anzufangen.
Wann warst du zum ersten Mal in Rumänien?
Ich habe das Land 1993 im Rahmen eines Schulprojektes kennen gelernt. Ich war sofort von der Gastfreundlichkeit der Einwohner begeistert und ich beschloss, irgendwann einmal dorthin zurückzukehren. Die Gelegenheit bot sich mir 2001, als ich Josette Bisenius, die permanente Vertretung der Asbl „Doïna“ hier in Luxemburg traf. Sie lud mich ein auf einen Besuch in das rumänische Dorf, in dem sie arbeitet und wo ungefähr 600 Roma leben. So entstand auch mein erster Kontakt.
Wie würdest du deine persönlichen Erfahrungen beschreiben?
Mein Empfinden ist, dass die Roma unter dem Verlust ihrer kulturellen Identität leiden. Früher waren sie Korbflechter und Zimmerleute, heute beherrschen viele dieses Können nicht mehr. Schuld an diesem Identitätsverlust ist unter anderem der Kommunismus, der die gesamte Romakultur verdrängen wollte. Man verbot den Roma sogar das Wandern und zwang sie einen festen Wohnsitz zu wählen, meist in riesigen Wohnblocks. Die Arbeitslosen wurden „zwangsrekrutiert“ und aufgefordert, Monumente fürs Regime in Bukarest zu errichten.
Die Roma sagten mir, dass sie, rückblickend gesehen, zu Kommunismuszeiten zwar ein bisschen Geld hatten, doch dafür ihre Kultur eingebüáßt hätten.
Wie wurdest du auf deinen Reisen von der Bevölkerung aufgenommen?
Ich durchquerte das Land zu Fuß, im Bus oder per Autostop und blieb dann, je nach Lust und Laune, in den Dörfern. Da ich rumänisch spreche, verloren die Menschen sehr schnell die Angst vor dem „Fremden“. Meistens waren die Menschen sehr offen zu mir und haben mich herzlich empfangen. Auch der Kontakt zu den Kindern war super. Nur die Generation im Alter zwischen 20 und 40 Jahren störte mein Besuch, weil sie dachten, ich wollte nur Fotos von ihnen machen, die ich dann hier zu Lande teuer verkaufen würde.
Völlig Unrecht hatten sie ja nicht, da ich wirklich einige Fotos hier verkaufe. Doch was sie nicht wissen konnten ist, dass das Geld was ich damit „verdiene“ nicht einmal ausreicht um meine Kosten zu decken. Und ich möchte auch klarstellen, dass das Ziel meiner Reisen nie lukrativer Art gewesen ist. Mit meinen Fotos möchte ich die Roma zeigen wie sie heute sind, wie sie leben und was sie fühlen. Ich versuche, ein möglichst ehrliches Bild von ihnen zu vermitteln, was nicht „objektiv“ ist, sondern, im Gegenteil, geprägt von meinen subjektiven Erfahrungen.
Wie siehst du die Zukunft Rumäniens in Hinblick auf den EU-Beitritt 2007?
Als ich 1993 zum ersten Mal das Land besuchte, waren die Einkaufszentren größtenteils leer. Bis 2001 hat sich die Situation eher langsam entwickelt, aber dann, ab 2002, also innerhalb eines Jahres, tauchten zum Beispiel immer mehr „Hifi-Läden“ auf. Demzufolge kauften sich die Menschen Fernseher und Radios, also eher so genannte Luxusgüter, um sich dem europäischen Standard anzupassen, obwohl die Löhne sehr niedrig sind. Zum Vergleich: Der Durchschnittslohn beträgt 150 Euro, die Mieten liegen zwischen 30 und 80 Euro, und ein Brot kostet 50 Cent.
Der wirtschaftliche „Aufschwung“ schreitet sehr schnell voran und das Leben ist zu teuer, nicht nur für die Roma. Heutzutage leben noch Hunderte von Menschen ohne Wasser und Elektrizität in den Slums am Rande der Städte, und das mitten in Europa. Hinzu kommt, dass, rein menschenrechtlich gesehen, Diskriminierung gegenüber den Sinti und Roma herrscht.
Deine Fotos zeigen fast ausnahmslos Menschen, sehr oft auch aus Luxemburg, die am Rande der Gesellschaft leben. Du hast den Flüchtlingsalltag im Centre Don Bosco fotografiert und das Leben der Inhaftierten, außerdem hast du vor Kurzem eine Serie über Obdachlose und Drogenabhängige im Bahnhofsviertel gemacht. Was bewegt dich dazu, immer wieder diese Themen aufzugreifen?
Soziale Armut und andere „Missstände“ unserer Gesellschaft werden nur selten von den Fotografen thematisiert, was ich sehr bedauernswert finde. Aber auch die Medien beschäftigen sich meiner Meinung nach viel zu wenig mit diesen Themen, und wenn, dann nur oberflächlich. Überhaupt denke ich, dass die breite Öffentlichkeit einfach die Augen davor verschließt, vielleicht sogar aus Angst. Und eben diese Angst vor den Menschen empfinde ich nicht. Ich gehe auf jeden zu.
Deine Bilder wirken immer sehr optimistisch. Was möchtest du dem Betrachter vermitteln?
Ich versuche etwas Licht auf die Menschen zu werfen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen und sie dabei in ihrer ganzen menschlichen Würde zu zeigen. Meine Arbeiten sind eigentlich ein Appel an mehr Toleranz.