BLUES: Jimi’s Erben

Zurück zu den Wurzeln: Die fünf jungen Musiker von Blue Shade beleben das oft totgesagte Genre Blues-Rock neu.

Von Schwermut keine Spur bei Blue Shade: Ken Brandenburger, Sandro Unfer, Jérôme Klein, Julian Klaedtke und Tim Rinnen. (Foto: Christian Mosar)

„Erzähl‘ was über unseren Bandbus!“ Sänger Tim Rinnen, ein eher schüchtern wirkender 18-Jähriger zuckt die Schultern: „Was soll ich denn darüber erzählen?“ Die fünf Jungs von Blue Shade haben sich gemeinsam einen Lieferwagen zugelegt, einen Caravan T3, und von diesem Modell gibt es sonst nur noch zehn Stück auf der Welt. Tim war als letzter zum Interview eingetrudelt, weil er für besagtes Gefährt erst mal einen Parkplatz suchen musste. „Schreib‘ auch, dass das Ding einen Porsche-Motor hat“, befiehlt Bassist Sandro Unfer und die andern brechen in Gelächter aus.

Ganz klar, Blue Shade sind eine Spaßband. Sie spielen Blues, aber mit der genreüblichen Schwermut haben sie nur wenig am Hut. Bei der diesjährigen Emergenza brachten sie als einzige Band die ganze Kulturfabrik zum Tanzen und wurden für ihren Einsatz mit einem verdienten zweiten Platz belohnt. Allein – nicht alle fanden die anarchische Retro-Show lustig. Pascal und Lex Thiel, die das Luxemburger Musikgeschehen auf ihrer Seite www. disagreement.net mit bitterböser Feder kommentieren, sind erklärte Feinde der Band. „Blues spielt man nicht, Blues lebt man“, behaupten sie und werfen den fünf Musikern vor, wirkliches Leid nur vom Fernsehschirm zu kennen. „Mit Kritik können wir umgehen“, wendet Ken ein, „so lange es nicht wirklich persönlich und verletzend wird“. So richtig können sie jedoch nicht nachvollziehen, warum sie Hiebe einstecken müssen, bloß weil sie sich für eine Musikrichtung entschieden haben, die im Allgemeinen ein eher angestaubtes Image hat.

Ken, Sandro, Tim, Keyboarder Jérôme Klein und Schlagzeuger Julian Klaedtke, hatten eigentlich nicht von Anfang an vor, traditionellen Blues zu spielen. Nur Ken ist mit der Musik von Jimi Hendrix aufgewachsen und der amerikanische Gitarrist ist auch heute noch sein großes Vorbild. Die Ähnlichkeit im Look ist also nicht zufällig.

In der ersten Probe spielten sie erst mal etwas weniger anspruchsvolle Coverversionen von den Spaß-Punkern Bloodhound Gang oder von Puddle of Mudd. Nach und nach entdeckten die fünf ihre gemeinsame Vorliebe für Blues-Rock. Tim erinnert sich an das erste Mal als er Blue Shade, damals noch mit Ken als Sänger, live erlebte. „Ich war so deprimiert, dass ich nach der Pause gleich wieder ging“, scherzt er. Deprimiert? Der Auftritt der Band hatte ihn über alle Maßen beeindruckt: „Ich wusste: Das ist genau das, was du schon immer machen wolltest. Aber ich dachte, ich würde nie gut genug werden, um Teil der Gruppe sein zu dürfen.“

Aus dem Stegreif

Allen Erwartungen zum Trotz wurde er doch zu einem ersten Vorsingen eingeladen – und durfte bleiben. Wenn er auf der Bühne ins Mikro raunt und Mundharmonika spielt, dann würde man ihn locker auf Anfang 40 schätzen. Er fühlte sich schon immer eher in den unteren Tonlagen heimisch, wirklich geschult hat er seine Stimme jedoch nie. „Ich gehöre zu den Menschen, die unter der Dusche singen“, grinst er. Seine Texte, die Geschichten, die er auf der Bühne erzählt, rezitiert er aus dem Stegreif. Jedes Stück hat ein Thema, aber was er genau sagen wird, das entscheidet er je nach Laune.

Überhaupt legen die Musiker von Blue Shade ihre Stücke nur in groben Zügen fest. Vor dem Auftritt bei der Emergenza hatten sie nur eine Probe. „Und wir haben noch einmal mental geprobt“, merkt Jérôme an. Sie legten fest, wer welchen Part übernehmen sollte, letztendlich klappte aber nichts so wie abgesprochen. Die ZuschauerInnen störte das wenig. Die Band war selbst verblüfft darüber, dass ihr auf Retro getrimmter Sound zwischen Metal- und Gothicacts dermaßen begeistern konnte. „Wir waren nicht ganz sicher, ob unser Stil ankommen würde“, sagt Ken. Bei der vorherigen Ausgabe des Nachwuchswettbewerbs waren die Blueser von Pilli Pilli beispielsweise sehr schnell im Aus gelandet. Aber die hatten ja auch schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel.

Alte Blueshasen erblassen dann auch vor Neid, wenn sie sehen mit wie viel Verve die fünf Nachwuchsmusiker das Genre zwar nicht neu erfinden, aber doch neu beleben. Mit schlafwandlerischer Sicherheit hauen sie Solos heraus, die sich perfekt in die Songstrukturen einfügen. Disagreement witterte dann auch gleich perfekt geschulte Conservatoire-Musiker. Aber Jérôme ist der einzige, der sein Instrument von klein auf gelernt hat. Bereits mit sieben Jahren saß er am Klavier. Und auch mit Rhythmus kennt er sich aus: Bei den Pubbles und Kyrenee bedient er das Schlagzeug. Deshalb war er während der Emergenza im Dauerstress. Alle drei Bands nahmen nämlich am Wettbewerb teil – die Pubbles und Blue Shade kamen sogar beide ins Finale.

Jérômes Bandkollegen bei Blue Shade sind Autodidakten. Tim hat sich das Mundharmonikaspielen per Handbuch beigebracht und Ken kam – na klar – durch Jimi Hendrix auf die Idee, Gitarre zu spielen. Sandro Unfer spielt nicht nur elektrischen Bass, sondern er ist auch einer der wenigen Luxemburger, der mit einem Kontrabass umzugehen weiß. Der Jazzmusiker Marc Demuth hat ihn auf den Geschmack gebracht und seither probt er eifrig. „Wenn du ein Instrument wirklich beherrschen willst“, sagt er, „dann investierst du dich voll und ganz.“ Und dann ist da noch Schlagzeuger Julian, mit 15 das Nesthäkchen der Band. „Er ist unser Wonneproppen“, sagt Sandro, „aber manchmal kann er ganz schön anstrengend sein.“ Eigentlich sind sie stolz auf ihn, weil er das Publikum am ehesten zu verblüffen weiß. Als er bei der Band einstieg, war er gerade mal 13, klein und schmächtig. Wenn er sich hinter sein Drumkit setzt, grinsen die Halbstarken vor der Bühne – wenn er dann aber erst einmal losgelegt hat, sind sie plötzlich ganz still.

Trotz aller Lockerheit stellen die Jungs gewisse Ansprüche an sich. Als kritisches Ohr ist bei jedem Konzert Dan Haas dabei, der ihnen mit Ratschlägen weiterhilft. So riet er zum Beispiel Tim beim Singen die Hände aus den Taschen zu nehmen. „Und er sagte mir, ich soll auf der Bühne endlich mal Schuhe anziehen“, lacht Sandro, der Extrovertierte, der normalerweise nur mit getönter Sonnenbrille und breitkrempigem Hut auf die Bühne steigt. Die Show gehört einfach dazu. Bald werden sie jedoch beweisen müssen, dass sie auch ohne Rumgekasper überzeugen können. In einer Woche gehen sie ins Studio, um mit dem angehenden Toningenieur und Musiker Charel Stoltz ihre erste CD aufzunehmen. Angst davor, dass die Spontaneität der Auftritte dabei verloren geht, haben sie eigentlich nicht. Alle Songs werden live eingespielt, das heißt, dass im Nachhinein nicht mehr viel daran gewerkelt wird. Das Gefühl zählt. Am Ende zitiert Ken den großen Miles Davis: „Beim Blues klingen sogar die Fehler richtig.“

Nächster Auftitt beim E-Lake-Festival in Echternach am Freitag, dem 12. August.

www.blue-shade.com


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