POLIZEI: Nach dem Schuss das Schweigen

Lebensgefährliche Schussverletzung nach Verkehrskontrolle – die Polizei sieht sich in Erklärungsnot.

Bislang kannten wir das vor allem aus amerikanischen Filmen: Selbst bei einfachen Verkehrskontrollen heißt die Devise: „Keine falsche Bewegung“. Andernfalls kann es durchaus sein, dass der nette Beamte in Uniform, der einen soeben an den Straßenrand gewunken hat, nicht nur zur Pistole greift, sondern auch schon mal abdrückt. Wer sich verdächtig verhält, ist selber Schuld. So die lapidare Erklärung, wenn es dann doch einmal passiert.

Muss, wer auf Nummer sicher gehen will, dieses Verhalten neuerdings auch in Luxemburg an den Tag legen? Spätestens seit vergangenem Samstag scheint die entsprechende Vorsicht geboten zu sein. An jenem Tag wurde frühmorgens ein alkoholisierter Autofahrer von einem Polizeibeamten durch einen Schuss aus der Pistole am Kopf verletzt – lebensgefährlich, so die letzten Informationen. Für den genauen Ablauf des Vorfalls gibt es, außer dem 46-jährigen Opfer, das im Koma liegt, dem Schützen und seinem Kollegen, keine Zeugen.

Die bislang bekannten Umstände, unter denen es zu dieser Schussverletzung gekommen ist, geben indessen zu denken – selbst wenn die offizielle Darstellung der Polizei sich als richtig erweisen sollte. Um einen anscheinend randalierenden Trunkenbold zur Ruhe zu bringen, dürfte der Gebrauch einer Schusswaffe wohl kaum das geeignete Mittel sein.

Doch die Informationspolitik, die in diesem Fall betrieben wird, ruft Empörung hervor. Dass polizeiliche Übergriffe gerne vertuscht werden, ist bekannt. Was zählt, sind schnelle Resultate. Da fällt so manches blaue Auge, eine gebrochene Rippe oder ein verrenkter Arm schon mal gern der kollegialen Diskretion zum Opfer. Werden Verdächtige verletzt, liegt die Schuld nicht immer bei den Beamten. Doch dürfte sich die Verschwiegenheit, die im vorliegenden Fall von offizieller Seite an den Tag gelegt wird, langfristig als Bumerang erweisen. Zumindest als einseitig dürfte man die für die Presse bestimmte Meldung bezeichnen: „Mann nach Rebellion durch Schuss verletzt“ – war das Kommuniqué der Polizei überschrieben.

Dürfen wir den Ausführungen einer Zeugin auf Radio DNR Glauben schenken, dann ist es nicht das erste Mal, dass Streifenpolizisten des Ulflinger Kommissariats eine Schusswaffe bei Verkehrskontrollen eingesetzt und sie sogar einem Fahrer an die Schläfe gehalten haben sollen. Die Anzeige eines Betroffenen wurde nicht weiterverfolgt, das bestätigte jetzt auch die Staatsanwaltschaft.

Im Polizeialltag sind Stresssituationen vorprogrammiert. Umso mehr muss man sich wundern, wenn der Umgang mit der Waffe derart locker gehandhabt wird. Der Hinweis eines Polizeisprechers, sowohl während der Ausbildung als auch danach würden schwierige Situationen immer wieder durchgespielt, beruhigt da kaum. Denn in den erwähnten Vorfällen scheint es ja zu keinem Zeitpunkt für die Beamten oder Dritte eine lebensbedrohliche Situation gegeben zu haben. Gefährliche Situationen zu trainieren ist eine Sache, eine andere ist, sie von vorn herein zu vermeiden.

In den letzten Jahren wurde die Luxemburger Polizei kontinuierlich ausgebaut. In diesem Zusammenhang drängt sich einmal mehr die Frage auf, ob die Art und Weise wie Luxemburg seine SicherheitsbeamtInnen rekrutriert, die richtige ist. Eine Folge des raschen Ausbaus ist nicht nur das niedrige Durchschnittsalter der BeamtInnen. Nicht selten fehlt es an der nötigen Besonnenheit und Lebenserfahrung, um Situationen richtig einzuschätzen. Mangelnde Autorität wird dann leicht durch autoritäres Auftreten überspielt. Und nichts flößt mehr Respekt ein, als eine schussbereite Waffe – sollte der Gegenspieler überhaupt in der Verfassung sein, den Ernst der Lage zu erkennen.


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