Arbeit im eigenen Haushalt: Anerkennung ja? Geld nein?

Die Forderung, Sorge- und Hausarbeit zu entlohnen, wird seit jeher als antifeministisch verschrien. Aber ist sie das wirklich?

Ketut Subiyanto/pexels.com

„Sie nennen es Liebe. Wir nennen es unbezahlte Arbeit“. Mit diesen Worten beginnt das 1974 veröffentlichte Manifest „Wages Against Housework“ der italienischen Feministin Silvia Federici. Sie war damit Teil der international geführten „Lohn für Hausarbeit“-Debatte der 1970er-Jahre. Dabei ging es in erster Linie nicht um finanzielle Entlohnung, sondern um die gesellschaftliche Anerkennung von Haus- und Sorgearbeit in den eigenen vier Wänden. Auch Federicis Manifest war weniger realpolitische Forderung als vielmehr ein Auflehnen gegen die in der linken Bewegung damals verbreitete Ansicht, dass das, was Arbeit von Nicht-Arbeit trenne, der Lohn sei. Zugleich ging es auch darum, die Idee, Hausarbeit sei eine inhärent weibliche Aktivität, zu problematisieren.

Bis heute gilt die in Federicis Titel formulierte Forderung selbst in feministischen Kreisen als heißes Eisen. Kommt das Thema auf, dauert es nicht lange, bis in herablassendem Ton der Begriff „Hausfrauengehalt“ fällt, ein Totschlagargument: Das Problematische daran, so die Haltung dahinter, verstehe sich von selbst. Das Szenario, das dabei heraufbeschwört wird: Frauen ziehen sich massenweise aus der Berufswelt zurück, um sich um Haushalt und Kinder zu kümmern.

Gespaltene Gemüter

Die Anerkennung von Haus- und Sorgearbeit als Arbeit fordern Feminist*innen allerdings bis heute. Ein Blick in die entsprechenden Statistiken der letzten Jahre macht deutlich, weshalb dies im Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit nach wie vor zentral bleibt. Laut der vom Forschungsinstitut Liser durchgeführten Studie „Covid 19 and Gender Equality in Luxembourg“ verbrachten im Frühjahr 2021 erwerbstätige Frauen im Schnitt vier Stunden pro Tag mit unbezahlter Haus- und Sorgearbeit, Männer dagegen nur halb so viele.

Wer innerhalb eines Haushalts putzt, Einkäufe erledigt, kocht, Urlaube bucht, Geburtstagsgeschenke organisiert, Glühbirnen ersetzt oder sich um pflegebedürftige Angehörige kümmert, hat weitreichende Folgen. Es sind nach wie vor hauptsächlich die Frauen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, auch wenn laut dem aktuellen Quality of Work Index der Salariatskammer fast genauso viele Männer wie Frauen eine schlechte work-life-balance beklagen. Laut Statec waren es 2018 mehr als ein Drittel der Frauen, gegenüber sechs Prozent bei den Männern. Manche verzichten sogar gänzlich auf eine berufliche Tätigkeit. Das wiederum wirkt sich negativ auf ihre Einkommen, Aufstiegschancen, Renten und somit auch die generelle Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aus.

Über Maßnahmen, wie dieser Problematik entgegengewirkt werden kann, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Über die Ziele – die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen einerseits, und die geschlechtergerechte Verteilung von Haus- und Sorgearbeit andererseits – ist man sich größtenteils einig. Nur über den Weg dahin scheiden sich nach wie vor die Geister.

Der deutschen Ökonomin Uta Meier-Gräwe etwa schwebt eine „grundsätzliche Neuausrichtung der globalen Ökonomie, die Care-Arbeit als Ausgangspunkt allen wirtschaftlichen Handelns begreift, eingebettet in den verletzlichen Lebensraum Erde“ vor. Das schreibt sie im Oktober 2020 in der von der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgegebenen Fachpublikation „Aus Politik und Zeitgeschichte“. In Anlehnung an Positionen feministischer Forscherinnen und der neuen Frauenbewegung der 1970er-Jahre unterstreicht sie, dass Unternehmen unentwegt auf nicht-kapitalistische Produktionsweisen, allen voran auf die unbezahlte Hausarbeit, zurückgreifen: „Durch die Trivialisierung und Ausblendung von Care-Arbeit geriet gesellschaftsweit vollkommen aus dem Blick, dass die vielfältigen Tätigkeiten des Sich-Kümmerns und der Fürsorge für andere nicht nur den sozialen Rahmen für die gesellschaftliche Produktion bilden, sondern dass das Aufziehen von Kindern, Sorgetätigkeiten zum Erhalt der Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Erwachsenen, wie sie im Privaten tagtäglich erbracht werden, und nicht zuletzt die Pflege von Kranken und hilfebedürftigen Alten selbst produktive Akte darstellen, ohne die kapitalistisch verfasste Gesellschaften gar nicht überlebensfähig wären.“ Das Familienmodell, das aus einem Alleinverdiener und einer Hausfrau besteht, bilde in Ländern wie Deutschland heutzutage zwar die Ausnahme, Frauen seien dennoch meist in der Rolle der Zuverdienerin. „So bleibt für den meist männlichen Familienernährer weiterhin kaum Zeit für die Familie, und die meist weibliche Zuverdienerin kann sich trotz der Last, Teilzeiterwerbsarbeit und familiale Sorgearbeit vereinbaren zu müssen, keine substanzielle Erwerbsbiografie aufbauen und fürs Alter vorsorgen“.

Meier-Gräwe ist zwar gegen einen Stundenlohn für Haus- und Sorgearbeit, fordert jedoch eine soziale Absicherung für unbezahlte Sorgearbeit. Auf die Frage, wie das Ganze finanziert werden soll, hat sie ebenfalls eine Antwort: Durch eine mit der CO2-Steuer vergleichbare Care-Abgabe für Unternehmen.

Quelle: Liser

Und in Luxemburg?

Bei den Luxemburger Parteien sind unterschiedliche Positionen anzutreffen. Sowohl die Regierungsparteien als auch déi Lénk lehnen der woxx gegenüber eine Entlohnung für die private Haus- und Sorgearbeit kategorisch ab. Stattdessen schweben ihnen andere Maßnahmen vor, um diese Arbeit geschlechtergerecht zu verteilen. Für die LSAP ist die Aufwertung der erwerbstätig organisierten Care-Arbeit eine zentrale Voraussetzung, damit auch die unbezahlte Care-Arbeit besser anerkannt wird. Die sozialistische Partei setzt zudem vor allem auf Arbeitszeitflexibilisierung, Arbeitsreduktion bei vollem Gehalt und Anreize, damit Väter verstärkt in Elternurlaub und in Teilzeitarbeit gehen.

Déi Gréng ihrerseits geben an, bestehende Instrumente, die die formale wie nicht-formale Care-Arbeit organisieren, „z.B. divers Congéen, Dispositioune vun der Sécurité sociale, Abbattement am Steierrecht“, im Sinne einer gerechteren Verteilung reformieren zu wollen. Die DP hebt in ihrer Antwort lediglich die bestehenden Regelungen in puncto Fremdbetreuung und Homeoffice hervor. Sie verweist zudem auf die Work-Life-Balance-Richtlinie der EU, die „nei Ännerunge mat sech bréngen, déi d’Chancëgläichheet tëschent Fraen a Männer nach weider verbessere wäert“.

Déi Lénk gehen in ihren Forderungen etwas weiter. Sie fordern unter anderem die völlige Kostenfreiheit aller Betreuungs- und Bildungsangebote, eine Anhebung des „Congé de naissance“ für den zweiten Elternteil auf drei Monate, die Aufwertung von Familienleistungen und Gehältern, öffentliche Investitionen in Infrastrukturen wie den Wohnungsbereich und die Mobilität, sowie eine generelle Arbeitszeitverkürzung. Wie die Vorschläge der Regierungsparteien sind auch die von déi Lénk fast gänzlich geschlechtsblind.

Von allen Parteien, die uns geantwortet haben, waren déi Lénk die einzigen, die argumentierten, weshalb sie einen Lohn für Hausarbeit ablehnen. Zu den Gründen zählen neben der Befürchtung, die Erwerbstätigkeit von Frauen ginge dadurch zurück auch jene, Frauen würden sich dadurch weniger am kulturellen und politischen Leben beteiligen. Déi Lénk warnt zudem vor einer Festigung von Genderstereotypen.

Die anderen Parteien, die uns geantwortet haben, stehen einer finanziellen Subventionierung von Haus- und Sorgearbeit weniger skeptisch gegenüber. Die Piratenpartei fordert die Ausbezahlung der subventionierten Gutscheine („chèques-services accueil“) für Eltern, die ihr Kind zuhause betreuen wollen. Ihre Begründung: „Den aktuelle Modell ass eng Sakgaass, an där d’Regierung de Familljen ee Liewensmodell imposéiert.“ Dieses Modell funktioniert in den Augen der Piratenpartei vor allem deshalb nicht, weil es an Betreuungsplätzen mangele und Strukturen wie Kitas und Maisons relais nicht an unregelmäßige Arbeitszeiten und Nachtdienst angepasst seien. In ihrer Antwort verweist die Pirateparteivzudem auf ihre Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Fokus deutet in seiner Antwort an die woxx nur vage an, zur Wertschätzung von „Hausarbeit, der Arbeit mit Kindern, älteren und/oder vulnerablen Personen“ beitragen zu wollen. Genaueres sei jedoch erst bei der Vorstellung ihres Wahlprogramms am 18. März zu erfahren.

Foto: Karolina Grabowska/pexels.com

Wie weiter?

Auf den Widerspruch, zugleich Anerkennung für häusliche Care-Arbeit zu fordern, diese jedoch eher auszulagern als finanziell zu entlohnen, gingen weder die Regierungsparteien noch déi Lénk ein. Die Fremdbetreuung ist in diesem Zusammenhang interessant, weil sie zeigt, wie die Verfolgung des einen Ziels dem des anderen zuwiderlaufen kann: Mütter, deren Kinder fremdbetreut werden, müssen zwar selbst weniger Sorgearbeit leisten – Zeit, die sie in eine Erwerbstätigkeit investieren können – die professionelle Kinderbetreuung wird aber mehrheitlich von Frauen geleistet, wodurch sich gesellschaftliche Muster wiederum fortschreiben.

Was darüber hinaus von allen befragten Parteien ausgeblendet wird, ist, dass Haus- und Sorgearbeit bei weitem nicht nur Familien betrifft, sondern etwa auch Alleinstehende ohne Kinder.

Seit die „Wages for Housework“-Debatte der 1970er-Jahre abgeebbt ist, werden kurzfristige Maßnahmen zur Aufwertung von Sorge- und Hausarbeit im Privatleben mit reaktionären Ansichten gleichgesetzt. Wenn es aber nicht noch 100 Jahre dauern soll, bis institutionelle und private Care-Arbeit geschlechtergerecht verteilt ist, müssen Antworten auf dringende Fragen gefunden werden. Und dazu muss auch die ideologische Dimension der Problematik erkannt werden.

„Care- an Hausaarbecht sinn net Fraenaarbecht eleng, mee solle vu jidderengem gläichermoossen iwwerholl ginn. Dëse Prozess wäert wuel Zäit brauchen, mee paakt de Problem un der Wuerzel“, schreibt die DP in ihrer Antwort. Es ist eins von vielen Beispielen für die unterschiedlichen Positionen, die in der Debatte rund um Haus- und Sorgearbeit eingenommen werden können: Sollen politische Maßnahmen kurzfristig greifen oder vielmehr einen langfristigen gesellschaftlichen Wandel ankurbeln? Wie würde dieser Wandel aussehen? Ist er in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft überhaupt möglich? Und wie zielführend ist es, einen langfristigen Wandel anzustreben ohne aber die Systemfrage zu stellen?


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