Auf Netflix: Heartstopper

Seit die Comic-Verfilmung „Heartstopper“ am 22. April auf Netflix veröffentlicht wurde, wird sie sowohl von Fernsehkritiker*innen wie auch der LGBTIQA+ Community in höchsten Tönen gelobt. Zu Recht?

Das Wichtigste gleich vorweg: „Heartstopper“ ist eine der besten queeren Serien aller Zeiten. Wer sie gesehen und seinem Umfeld weiterempfehlen will, sieht sich jedoch gleich mit Hürden konfrontiert. Verlange ich nicht zu viel von meinen heterosexuellen Freund*innen, wenn ich ihnen diese vierstündige Produktion anrate? Wie mache ich einem Boomer eine Serie über fünfzehnjährige Schüler*innen schmackhaft? Wie bringe ich rüber, dass es sich hier nicht um „Sex Education“ handelt? Letztere ist zwar eine progressive Serie mit einigen queeren Figuren, allerdings richtet sie sich primär an ein heterosexuelles Publikum.

Nicht so „Heartstopper“. Die achtteilige Serie, die von Autorin und Illustratorin Alice Oseman auf Basis ihres gleichnamigen Webcomics geschaffen wurde, handelt von einer Gruppe von LGBTIQA+ Freund*innen. Im Mittelpunkt steht der offen schwule Charlie (Joe Locke), der in den Rugby-Kapitän Nick (Kit Connor) verknallt ist. Doch auch über diese beiden Figuren hinaus deckt die Serie ein breites Spektrum an queeren Erfahrungen ab. Das liegt sicherlich auch daran, dass sowohl vor als auch hinter der Kamera zahlreiche nicht-heterosexuelle und nicht-cis-geschlechtliche Menschen an der Serie mitarbeiteten.

Eine Szene, anhand derer sich der Geist dieser Serie besonders gut zusammenfassen lässt: Zwei Mädchen tanzen miteinander auf einer Party. Als sie sich küssen, fällt das niemandem der um sie Herumstehenden auf. Nur der ebenfalls nicht-heterosexuelle Nick starrt die beiden übers ganze Gesicht strahlend an. Er weiß, dass sich die beiden Mädchen gerade zum ersten Mal in der Öffentlichkeit küssen. Und er weiß, wie viel das für queere Menschen bedeutet.

„Heartstopper“ ist aus einer dezidiert queeren Perspektive erzählt und das ist in ausnahmslos jeder Sekunde spürbar. Das aber ohne abgedroschene Klischees zu reproduzieren, vorhersehbar zu werden oder die queeren Figuren zu glorifizieren. Auch werden Widersprüche keineswegs ausgeblendet: Ein Coming-out kann eine negative Erfahrung sein, wenn der oder die Betroffene Ablehnung oder verbale und physische Aggressionen erfährt. Es kann aber auch etwas Befreiendes haben, sich wie eine Neugeburt anfühlen. Die Serie berücksichtigt zudem, dass ein Coming-out ein komplexer, keineswegs linearer Prozess ist.

Die Teenager in „Heartstopper“ werden durchaus Opfer von Homo-, 
Bi- und Transfeindlichkeit, aber sie erleben auch etwas, das im englischsprachigen Raum als „queer joy“ bezeichnet wird: mit Freund*innen über einen Crush reden zu können, öffentliches tanzen, Händchenhalten oder küssen mit ihrem Schwarm, Doppeldates mit anderen Queers.

Auf ihre Queerness reduziert werden die Charaktere allerdings nicht. Es wird etwa auch thematisiert, wie neue Beziehungen Freundschaftsdynamiken beeinflussen können, unabhängig davon, ob sie queer sind oder nicht: Als Charlie immer mehr Zeit mit Nick verbringt, wird sein bester Freund Tao (William Gao) zunehmend eifersüchtig. Gleichzeitig wird aber nicht so getan, als sei ein queerer Crush genau das gleiche wie ein heterosexueller. So finden die Macher*innen der Serie eine perfekte Balance zwischen universellen Erfahrungen und spezifisch queeren.

Was „Heartstopper“ außerdem besonders macht: Es ist eine Serie über Fünfzehnjährige, die sich Fünfzehnjährige auch tatsächlich anschauen können. Gerade Produktionen über queere Teenager, wie etwa „Euphoria“, „Pariah“ oder „Moonlight“ richten sich oftmals an ein älteres Publikum. Sie legen den Fokus zudem meist auf Trauma und Diskriminierung. „Heartstopper“ dagegen ist keine Geschichte über Repression und Hass, sondern über Selbstfindung und Akzeptanz. Sie problematisiert queere Liebe nicht, sie feiert sie.

Auf Netflix

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