Bankenpleite in den USA: Kulturkampf im Finanzsektor

Die auf Start-up-Finanzierung spezialisierte „Silicon Valley Bank“ hat die größte Bankenpleite seit der globalen Finanzkrise 2008 hingelegt. Zunächst kam sie unter staatliche Kontrolle, nun hat die „First Citizens Bank“ sie übernommen. Den Republikanern hat die staatliche Bankenrettung eher missfallen, denn sie wollen nicht zuletzt Anzeichen einer ökologischen Wende im Bankensektor bekämpfen.

Zur Sicherheit lieber mal das Geld abheben: Kunden warten am 13. März vor einer Filiale der Pleite gegangenen und staatlich geretteten „Silicon Valley Bank“ in Wellesley, Massachusetts. (Foto: EPA-EFE/CJ Gunther)

Das Scheitern der „Silicon Valley Bank“ (SVB) ruft düstere Erinnerungen wach: Die Finanz- und Bankenkrise von 2007/2008 in den USA brachte die globale Wirtschaft fast zum Kollabieren. Anfang März wurden nun Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der SVB laut. Daraufhin zogen Kunden hohe Geldsummen ab, die Bank stand kurz vor dem Ruin. Erst nach einer Intervention der US-Bundesregierung, die sämtliche Einlagen garantierte, beruhigte sich die Lage. Mittlerweile sind jedoch weitere Institute von der Krise betroffen. Mitte März wurden die Regionalbanken „Signature“ und „Silvergate Capital“ von den Aufsichtsbehörden geschlossen, weitere kleine Geldhäuser gerieten ins Straucheln. Auch in Europa ist das Bankenbeben mit der Pleite der „Credit Suisse“, einer der weltweit größten Banken, angekommen.

Der prekäre Zustand der SVB wirft derzeit die Frage auf, ob es erneut zu einer globalen Bankenkrise kommen könnte, trotz der ab 2008 eingeführten Regulierungen der Finanzmärkte. Die Antworten von Demokraten und Republikanern fallen dabei höchst unterschiedlich aus. Der Finanzsektor ist in den Fokus eines Kulturkampfs geraten.

So präsentierte Ron DeSantis, der republikanische Gouverneur von Florida, kürzliche eine simple Erklärung für das neuerliche Bankendesaster. Die SVB sei zu sehr mit ihren „woken“ Ideen beschäftigt gewesen. „Ich denke, das lenkt sie wirklich davon ab, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren“, sagte er dem Fernsehsender „Fox News“. Das einflussreiche „Wall Street Journal“ unterstützte diese Ansicht. Dort kritisierte der Kolumnist Andy Kessler die Zusammensetzung des zwölfköpfigen Vorstands der Bank, dem auch eine schwarze Person und fünf Frauen angehören. „Ich behaupte nicht, dass zwölf weiße Männer diesen Schlamassel verhindert hätten, aber das Unternehmen könnte durch die Forderungen nach Vielfalt abgelenkt worden sein“, kommentierte er. Eine nüchternere Ursache nannte hingegen die demokratische Senatorin Elisabeth Warren. „Die Silicon Valley Bank litt unter einer toxischen Mischung aus riskantem Management und schwacher Aufsicht“, analysierte sie in der „New York Times“.

Tatsächlich ist das Scheitern des Finanzinstituts mit Sitz im kalifornischen Santa Clara eng mit seinem fulminanten Aufstieg verbunden. Die SVB wurde 1983 als konventionelle Regionalbank gegründet und baute nebenbei einen Geschäftszweig für Risikokapitalanlagen auf. Gregory Becker, der Leiter des Risikokapitalgeschäfts, übernahm 2008 die Leitung der Bank und entwickelte sie zum wichtigsten Kreditinstitut für Start-ups, IT-Firmen und Krypto-Unternehmen aus dem Silicon Valley.

Das schnelle Wachstum der Bank wurde jedoch durch die nach der Finanz- und Wirtschaftskrise eingeführten Reformen begrenzt. Das sogenannte Dodd-Frank-Gesetz von 2010 sah vor, systemrelevante Banken mit Einlagen über 50 Milliarden US-Dollar von den Aufsichtsbehörden strenger zu regulieren. Banken wie die SVB kämpften aggressiv gegen diese Bestimmung und forderten, die Einlagengrenze deutlich zu erhöhen. Mit Hilfe der republikanischen Mehrheit in Senat und Abgeordnetenhaus änderte US-Präsident Donald Trump 2018 die Vorschriften erheblich. Nun galten nur noch Institute mit Kapitaleinlagen über 250 Milliarden Dollar als systemrelevant. Daraufhin konnte die SVB ihre Einlagen in wenigen Jahren verfünffachen, so schnell wie kein anderes Kreditinstitut in den USA. Im vergangenen Jahr gehörte sie dort bereits zu den 16 größten Banken.

Dank der Republikaner wurde die nach der Finanzkrise eingeführte Regulierung als systemrelevant geltender Banken wieder erheblich gelockert.

Einen erheblichen Teil der Vermögenswerte legte die Bank vor allem in langfristigen US-Staatsanleihen an, ein lukratives Geschäft, das dauerhafte und risikoarme Rendite versprach. Nachdem die US-Notenbank im vergangenen Jahr sukzessive den Leitzins erhöht hatte, geriet die SVB jedoch in Schieflage. Start-ups gingen insolvent, IT-Unternehmen mussten Mitarbeiter entlassen. Viele SVB-Kunden zogen ihre Vermögenswerte ab, um ihre steigenden Kreditkosten zu bedienen und ihr Tagesgeschäft zu finanzieren. Das führte dazu, dass die Bank nicht mehr ausreichend über liquide Mittel verfügte. Um sich aus dieser Lage zu befreien, trennte sich die Bank innerhalb von 24 Stunden von ihren gesamten Schuldtiteln, die jetzt allerdings über 20 Prozent weniger wert waren als noch kurz zuvor, weil aufgrund der steigenden Zinsen die Anleihekurse gefallen waren.

Die Kunden interpretierten die Entscheidung als einen Akt der Verzweiflung und misstrauten der Zahlungsfähigkeit der Bank. Viele Firmen hatten teils Hunderte Millionen US-Dollar in der SVB angelegt – Beträge, die weit über der Grenze der staatlichen Einlagensicherung von 250.000 US-Dollar lagen. Einflussreiche Einleger begannen, eine düstere Warnung zu verbreiten: Sollte die SVB fallieren und ihre Kunden dann nicht entschädigen können, funktioniere bald das gesamte Finanzsystem nicht mehr. Viele andere Banken würden dann ebenfalls scheitern. Quasi über Nacht sicherten die US-Notenbank „Federal Reserve“ (Fed), der Einlagensicherungsfonds „Federal Deposit Insurance Corporation“ (FDIC) und das Finanzministerium zu, alle Kunden würden ihr Geld erhalten, unabhängig von der Höhe ihrer Einlagen. Ende des Monats übernahm die „First Citizens Bank“ die Vermögenswerte der SVB dann in Form von Einlagen und Krediten. Andere Vermögensbestandteile, vor allem Wertpapiere, bleiben unter der Kontrolle der FDIC.

Konservative Politiker zeigen sich entrüstet über die staatliche Rettung der Bank. Sie sehen darin eine Fortsetzung des Kulturkampfs mit dem liberalen Establishment. „Die Dummköpfe, die die Bank leiten, waren woke und wären fast pleite gegangen, aber die Demokraten und die Fed sind eingeschritten, um sicherzustellen, dass ihre woken Spender bei der SVB nicht untergehen“, schrieb die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene in einem Tweet.

Viele Republikaner glauben, dass die Investmentbanken die falschen Schlüsse aus der Finanzkrise von 2008 gezogen haben. Damals befand sich die Finanzbranche in einer fundamentalen Legitimationskrise. Millionen Menschen verloren wegen des Missmanagements von Banken ihren Arbeitsplatz, ihr Haus oder ihr Vermögen. In der Folge versuchte die Branche, ihr Image zu verbessern. Bei Investitionsentscheidungen erhielten nun Kriterien wie Umweltschutz, soziale Verantwortlichkeit und gute Unternehmensführung eine hohe Bedeutung.

Die Branche wollte damit signalisieren, dass sie sich nicht nur für die Interessen ihrer Investoren einsetze. Zugleich geben sich Finanzunternehmen überzeugt, dass diese Kriterien angesichts der demographischen Entwicklung und der Klimakrise langfristig auch gut für ihre Geschäfte seien. Die größten Investmentkonzerne der Welt wie „Blackrock“ oder „Vanguard“ legen ihr Geld, auch auf Druck der Anleger, zunehmend in Bereichen an, die mit der Entwicklung sogenannter Zukunftstechnologien zu tun haben.

Die New Yorker Bank „JP Morgan Chase“ lehnte es vor wenigen Jahren ab, weiter in texanische Ölfirmen zu investieren und verkündete 2020 auch, sie wolle „den Klimawandel bekämpfen“. Als Reaktion darauf unterzeichnete der texanische Gouverneur Greg Abbott 2021 ein Gesetz, wonach der Bundesstaat künftig keine Geschäfte mehr mit Finanzunternehmen machen darf, die fossile Brennstoffe „boykottieren“, also ihr Engagement in der Öl- und Gasindustrie verringern wollen.

Mittlerweile haben weitere Bundesstaaten, die konservativ regiert werden, ähnliche Gesetze verabschiedet. Die scharfe Kritik der Republikaner an den Kriterien der Investmentbanken ging zugleich einher mit dem Vorwurf, die Umweltstandards dienten nur als Vorwand, um eine politische Agenda der „liberalen Eliten“ durchzusetzen. Für die Republikaner ist diese Entwicklung mehr als ärgerlich, weil sie sich jahrzehntelang als natürlicher Verbündeter der Finanzindustrie betrachteten.

Nun kommt ihnen das Scheitern der „Silicon Valley Bank“ fast gelegen. Die Bank und ihre auf Diversität und Ökologie Wert legende Kundschaft gelten ihnen geradezu als Inkarnation einer „woken“ Finanzindustrie. Die Republikaner attackieren diese Geschäftsstrategie, auch um von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Denn sie waren es, die die Regulierung systemrelevanter Kapitaleinlagen wieder gelockert hatten und damit das Scheitern der „Silicon Valley Bank“ und anderer Institute schließlich erst ermöglichten.

Anton Landgraf arbeitet für Amnesty International Deutschland und ist als freier Publizist tätig.

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