Cannabis-Legalisierung: Ausgedämpft?

Ein Konzept zur Legalisierung von Cannabis gibt es nun. Ein Gesetz wird daraus wohl so schnell nicht werden – einmal mehr verpasst die blau-rot-grüne Koalition eine Chance.

So stellt sich die Regierung die Informationsflüsse beim Cannabiskauf vor. Eine Flasche Wodka kaufen ist einfacher – und damit darf man sich in den Park setzen. (Illustration: Ministère de la Santé, Ministère de la Justice)

Stellen Sie sich vor, Sie bestellen in einem Café ein Bier. Aber statt Ihnen Mini oder Humpen zu zapfen, nimmt der*die Wirt*in erst einmal Ihre persönlichen Daten auf und überprüft mittels Blick in den Alkohol-Zentralcomputer der Regierung, ob Sie Ihr Alkoholkontingent für diesen Monat nicht bereits überschritten haben. Außerdem werden Sie darauf hingewiesen, dass es auch Biere mit weniger Alkoholgehalt gibt, die seien gesünder. Ihr Bier dürfen Sie übrigens nicht im Café trinken und schon gar nicht auf der Terrasse, wo jemand Sie sehen könnte. Am besten ziehen Sie zuhause auch die Vorhänge zu, damit es niemand mitbekommt! Was beim Alkoholkauf eher absurd klingt, soll bei Cannabis bald normal sein – so sieht es das Konzept der Regierung für eine Legalisierung von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken vor.

Zugegeben, der Vergleich mit Alkohol ist gewagt, immerhin macht diese Droge viel schneller körperlich und psychisch abhängig als Cannabis. 2021 war bei einem Drittel aller tödlichen Verkehrsunfälle in Luxemburg Alkohol im Spiel. Natürlich ist Cannabis nicht harmlos, aber die Art und Weise, wie nun reguliert werden soll, wirkt im Vergleich zum doch sehr lockeren Umgang mit Alkohol allzu pedantisch.

Nach langer Wartezeit stellte die Regierung vergangenen Freitag endlich ein Konzept vor, wie Cannabis künftig verkauft werden soll. Dieses ist nicht zu verwechseln mit dem Gesetzesprojekt für den Eigenanbau von vier Pflanzen pro Haushalt und der „Dekorrektionalisierung“ vom Besitz von drei Gramm Cannabis. Das war Teil eines Paketes gegen Kriminalität am hauptstädtischen Bahnhof und ist immerhin schon im Parlament angekommen. Das Pilotprojekt jedoch, das vor einer Woche vorgestellt wurde, existiert bisher nur als sehr detailliertes Konzept. Auf knapp 60 Seiten wird erklärt, welche Regeln für den Verkauf von Cannabis gelten sollen: Von der Zahl der Verkaufsstellen in jedem Kanton über die Art und Weise, wie Cannabis verpackt werden muss, bis hin zu den Öffnungszeiten (Montag bis Samstag, 12 bis 20 Uhr, an Feiertagen geschlossen) gibt es bereits sehr genaue Vorstellungen.

Foto: Budding/Unsplash

Was beim Alkoholkauf eher absurd klingt, soll bei Cannabis bald normal sein.

So detailliert manche Beschreibungen, vor allem jene der Liefer- und Kontrollkette, bereits sind, so fehlen manche Aspekte des Cannabiskonsums komplett. Immer wieder wird betont, dass vom Rauchen abgeraten werden soll. Deswegen sollen die Cannabis-Verkaufsstellen auch keinen Tabak oder „accessoires liés au tabac“ verkaufen dürfen. Stattdessen soll den künftigen Kiffer*innen die Benutzung eines Vaporisators ans Herz gelegt werden. Eine orale Nutzung, als Gebäck oder Tee, wie sie den Nutzer*innen von medizinischem Cannabis teilweise nahegelegt wird, ist wohl nicht vorgesehen. Wer sich darauf gefreut hatte, die in den USA verbreiteten THC-haltigen Gummibärchen bald auch in Luxemburg vorfinden zu können, wird enttäuscht.

Doch warum hat es bloß so lange gedauert, bis aus den schönen Ideen (und nach unzähligen Reisen in cannabisfreundliche Länder) endlich ein Konzept entstanden ist? Natürlich hat die Pandemie Kräfte im Gesundheitsministerium gebunden und es handelt sich darüberhinaus um eine komplexe Materie, aber fünf Jahre von der Idee zum Konzeptpapier? Das erinnert doch eher an den*die stereotypische*n Kiffer*in, der*die eine Stunde braucht, um sich endlich von der Couch aufzuraffen.

In dem Dokument wird auch ein Punkt erklärt, der wohl ein größerer Bremsklotz war, als die Sorgen der Nachbarländer, Luxemburg könne zum Drogenhotspot werden und ihre braven Bürger*innen zum Konsum dieses Teufelskrauts verführen: der Finanzplatz. International ist das nämlich so: Ein Finanzplatz mit echten oder metaphorischen Steuerparadies-Palmen – gut! Ein Finanzplatz, wo stattdessen Cannabis-Pflanzen wachsen – böse! Die strengen internationalen Regeln gegen Geldwäsche und das Agieren der USA treiben den Luxemburger Banker*innen wohl Sorgenfalten auf die Stirn. Die Banken Uruguays haben zum Beispiel Probleme, Transaktionen mit den USA durchzuführen, weil in dem lateinamerikanischen Land Cannabis über staatliche Apotheken abgegeben wird. In Kanada gibt es solche Probleme nicht – die Banken müssten dennoch sehr vorsichtig sein.

War das wirklich der Grund, weshalb es so lange gedauert hat? In anderen Ländern wurden Konzepte sehr viel schneller ausgearbeitet. Ein wenig liegt auch der Verdacht nahe, dass die Cannabislegalisierung ein willkommenes Argument für eine weitere Auflage der blau-rot-grünen Koalition sein könnte – und heute illegal kiffende Wähler*innen motivieren könnte.


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