Viel zu lange hat der Gesetzesvorschlag für eine Cannabis-Legalisierung auf sich warten lassen. Nun ist klar, dass die Regierung eine historische Chance verspielt.
Selbstanbau von vier Pflanzen, Konsum im Verborgenen und „lediglich“ einen Strafzettel, wenn man mit einer geringen Menge Cannabis erwischt wird: Das sind die Eckdaten der Reform, die Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) am vergangenen Mittwoch vorstellte. Man kann das nicht Legalisierung nennen, und eine Dekriminalisierung ist es auch nur bedingt. Vor allem ist es aber eine vertane Chance. Statt einer Neuausrichtung der Drogenpolitik kommt lediglich ein Feigenblatt.
Die technischen Details sind an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Der Anbau von vier Cannabispflanzen pro Haushalt ist erlaubt, egal wie viele Erwachsene in dem Haushalt leben. Die Pflanzen dürfen zudem nicht von der Straße aus sichtbar sein. Das Modell des Anbaus im Kollektiv, den sogenannten „Cannabis Social Clubs“, wie es sie etwa in Malta gibt, wurde explizit nicht zurückbehalten. Die eigene kleine Cannabisplantage darf also nur dann am Balkon stehen, wenn dieser nicht zur Straße zeigt – oder man in einen Sichtschutz investiert. Die Anbieter von sogenannten „Grow-Schränken“, in denen Cannabispflanzen unter hohem Energieeinsatz in einem Schrank oder Zelt in der Wohnung kultiviert werden können, dürften sich jedenfalls freuen.
Die Legalisierung des rekreativen Gebrauchs von Cannabis sollte eigentlich zum Zweck haben, den Schwarzmarkt trockenzulegen und die Qualität der Droge kontrollieren zu können. Nur so können Konsument*innen Informationen über Qualität, Sorte und Wirkung ihres Rauschmittels haben. Der Alkoholgehalt eines Bieres oder Weins steht aus gutem Grund auf der Flasche – damit wir vor dem Konsum eine informierte Entscheidung treffen können. Wenn nur Eigenanbau möglich ist, muss man seine Ernte entweder beim Drugcheck der Initiative Pipapo analysieren lassen oder sich auf den Eigenversuch verlassen.
Wozu wurde eigentlich jahrelang eine panische Diskussion über angeblich sehr hohe THC-Konzentrationen geführt, wenn der Anbau von hochgezüchtetem Supergras nun für alle erlaubt wird? Privater Anbau und Konsum sollten legal sein, keine Frage. Aber dies allein wirkt reichlich absurd. Die Maßnahmen sind als „erster Schritt“ angekündigt, während man weiterhin darauf wartet, dass das Gesamtkonzept finalisiert wird. Der Koalition läuft jedoch die Zeit davon, denn nächstes Jahr sind bereits Wahlen. In dieser Hinsicht muss man die Pseudo-Legalisierung wohl auch als „Schaut her, wir haben etwas getan“-Maßnahme betrachten.
Die Legalisierung des privaten Cannabisanbaus war immer nur ein Ablenkungsmanöver
Wichtig ist auch, im Hinterkopf zu behalten, dass diese Maßnahme das Feigenblatt für ein Law-and-Order-Paket war. Mit dem sollten neben dem Platzverweis auch Bodycams eingeführt werden. Die Legalisierung des privaten Cannabisanbaus war immer nur ein Ablenkungsmanöver für die Einführung weiterer repressiver Mittel. Die sollen nicht Bürger*innen vor „Drogenkriminalität“ schützen, sondern Obdachlose aus Hauseingängen im Bahnhofsviertel vertreiben, damit letzteres fröhlich für kapitalträchtige Investor*innen „aufgewertet“ werden kann.
Anbau und Konsum von Cannabis soll im Verborgenen stattfinden. Das zeigt auch, dass selbst das Mitführen kleiner Mengen (unter drei Gramm) noch einen Strafzettel mit sich bringt. Wird man in Berlin mit weniger als 10 Gramm Cannabis erwischt, wird das Verfahren eingestellt, solange keine Dritten gefährdet wurden. Durch das Verstecken – sowohl der Pflanzen als auch des Kiffens – kann aber kein Diskurs über sicheren, verantwortungsvollen Konsum entstehen. Der aber sollte eigentlich das Ziel einer vernünftigen Drogenpolitik sein. Diese Regierung hatte dahingehend ohnehin nie ambitionierte Ziele. Eine Dekriminalisierung oder gar Legalisierung von anderen Drogen als Cannabis wurde nicht einmal ansatzweise diskutiert, obwohl es hierfür gute Argumente gibt. Immerhin kann man sich bald zum Trost etwas „home-grown“ anzünden.